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Wahl-Drama in Berlin Viel Spaß mit der Chaos-SPD, Herr Wegner

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Nach dem positiven Votum übergab Franziska Giffey Nachfolger Kai Wegner die Amtsgeschäfte im Roten Rathaus.

Nach dem positiven Votum übergab Franziska Giffey Nachfolger Kai Wegner die Amtsgeschäfte im Roten Rathaus.

(Foto: REUTERS)

Erst im dritten Wahlgang wird Kai Wegner zum neuen Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt bestimmt. Die zuvor fehlenden Stimmen dürften ihm vor allem Sozialdemokraten verweigert haben. Berlins SPD hätte gut daran getan, das Regieren gleich ganz sein zu lassen.

Was für ein Desaster! Berlins neuer Regierender Bürgermeister braucht drei Anläufe, um ins Rote Rathaus gewählt zu werden. Die in den ersten beiden Abstimmungen fehlenden Stimmen sind aller Wahrscheinlichkeit nach dem sozialdemokratischen Lager zuzuordnen. Dort bleibt die Beteiligung am Regierungsbündnis mit der CDU hochumstritten. Zum Teil wegen inhaltlicher Differenzen mit den Christdemokraten und mangelnder Begeisterung über das gemeinsame Regierungsprogramm, zu einem guten Teil aber auch wegen des eigenen Führungspersonals. Es ist gar nicht so klar, ob der Mittelfinger der Nein-Sager dem neuen Bürgermeister Kai Wegner galt - oder den eigenen Parteivorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh.

Was auch immer die Motivation war, die Konsequenzen sind fatal: Die Abgeordneten haben den neuen Regierungschef beschädigt und der AfD erst zur Chance verholfen, seine Wahl durch die behauptete Stimmabgabe für Wegner zu diskreditieren. Plausibel ist die Darstellung der Demokratieverächter von Rechtsaußen indes nicht. Dass sich CDU und SPD gegenseitig für das Desaster verantwortlich machen, führt zum größtmöglichen Fehlstart einer neuen Regierung.

Es wäre wohl für alle Beteiligten besser gewesen, die SPD hätte das Regieren ganz bleiben lassen. Die Stimmverluste der SPD waren bei der Wiederholungswahl im Februar derart krachend, dass die öffentliche Stimmung ihr gar keine andere Wahl mehr ließ, als die Regierungsführung und damit das Bündnis mit Grünen und Linken aufzugeben. Giffey hatte sich bis zum Wahltag mit der Grünen -Verkehrssenatorin und Gegenkandidatin im Wahlkampf, Bettina Jarasch, ohnehin schon derart zerlegt, dass eine weitere konstruktive Zusammenarbeit kaum noch denkbar war.

Macht abgeben ja, aber nicht aufgeben

Fraglich bleibt aber, wie die SPD aus dem Eingeständnis der Wahlniederlage einen Auftrag zur weiteren Regierungsbeteiligung ableiten konnte - und das mit dem teilweise gleichen Personal (die profillose Innensenatorin Iris Spranger und die neue Wirtschaftssenatorin Giffey sitzen erneut auf der Regierungsbank). Schließlich gingen die Stimmverluste von Rot-Grün-Rot vor allem auf die SPD und Giffey zurück. Die Berliner hatten der seit der Jahrtausendwende regierenden Partei nicht nur die mannigfaltigen Probleme der Hauptstadt zur Last gelegt, sondern auch die Peinlichkeit, dass die Wahl überhaupt wiederholt werden musste. Den Wiederholungswahlkampf bestritt Giffey zudem mit einer Landespartei im Rücken, die sich zu großen Teilen längst von ihr abgewendet hat.

Entsprechend umstritten war es in der SPD, dass ausgerechnet Giffey nun eine Koalition mit der CDU aushandeln und sich selbst einen Senatorenposten sichern durfte. Gerade einmal 54 Prozent der sich an der Befragung beteiligenden SPD-Mitglieder stimmten für die Koalitionsbildung. Ein Vorsprung von knapp Tausend Stimmen hat Giffeys Karriere vor dem Aus bewahrt. Doch ein enthusiastischer Neustart sieht anders aus.

Der SPD-Zwist regiert weiter mit

Nun kann das Giffey-Lager weiterregieren, trägt so aber auch die inneren Zerwürfnisse der SPD erneut in den Senat hinein. Dabei benötigt Berlin nun wirklich eine Regierung, deren Mitglieder vor allem mit dem Regierungshandeln beschäftigt sind. Die Koalitionsbefürworter wollen der SPD als Juniorpartner ein neues Profil verschaffen, anstatt sich bei einer Auszeit auf der Oppositionsbank einmal gründlich neu zu sortieren. Tatsächlich aber spricht viel dafür, dass die SPD mit ihrem Festhalten an der Macht das Scheinwerferlicht weiter fest auf die eigene Zerrissenheit richtet.

Das verschafft Wegners CDU die Möglichkeit, sich als die seriösere der beiden Regierungsparteien zu präsentieren. Zumal sie mit dem Amt des Regierenden Bürgermeisters sowie den Senatoren für Finanzen und Justiz alle Zügel in der Hand hält. Die innerhalb des S-Bahn-Rings so starken Grünen dürften derweil die Sozialdemokraten dreieinhalb Jahre lang von links attackieren. Der Erfolg der neuen Landesregierung hängt nun maßgeblich am linken SPD-Flügel. Trägt er die Koalition und damit Giffey mit oder setzt er die Selbstdemontage der in Berlin einst so erfolgreichen SPD fort? Das Abstimmungsverhalten bei der Wahl des neuen Regierenden Bürgermeisters deutet auf Letzteres. Viel Spaß mit dieser Chaos-SPD, Herr Wegner.

Quelle: ntv.de

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