
"Die Ampel steht!" ist nach wie vor der griffigste Satz aus Scholz' Kanzlerschaft, dicht gefolgt von "ja, könnt’ ich".
(Foto: dpa)
Hört man dem Bundeskanzler genau zu, sind seine Prioritäten sonnenklar: Ängste first, Ukraine second. Scholz geht den Weg der geringsten Zumutung - und will, dass wir es "Führung" nennen.
Der Modesommer bringt, wie mir die "Freundin" verrät, einen altbewährten Newcomer: das Leopardenmuster. Dieser "Animal Print" nämlich ist nach Auffassung der Illustrierten "ein Statement für sich". Man müsse deshalb sehr vorsichtig sein, mahnt die "Freundin", und die Leos allenfalls "mit schlichten Basics kombinieren", worunter durchaus auch "Rüschen oder Puffärmel" fallen, wohl aber nicht Kampfjets oder Flugverbotszonen, denn dann "kann der Look schnell überladen wirken".
Im Krieg gibt es eben selbst im Seichten kein Entrinnen und so muss auch diese Kolumne eines Ungedienten einmal mehr ins Olivgrüne rumpeln. Da auch Teile der übrigen Öffentlichkeit in den letzten Tagen zur Banalisierung des Grauens neigten ("free the Leos", Selfies im Leo-Look bei der Sicherheitspolitikerin Sara Nanni von den Grünen), sei erinnert: Der Leopard 2 ist nach meinem eher oberflächlichen Verständnis ein Kriegsgerät, dessen Hauptaufgabe unter anderem darin besteht, in andere Panzer Löcher zu schießen, wodurch sich das Innere selbiger Kettenfahrzeuge in einen grauenhaften Tornado aus Mensch und glühenden Metallstücken verwandelt.
Krieg ist furchtbar und sollte jedem schrecklich Angst machen. Das tut er wohl auch: Beim Erwerb einer Pfefferrandsalami im Rewe hörte ich die Mitarbeiter beim Bestücken des Kühlregals murmeln, dass nun "ja wohl" der Atomkrieg kommen werde - und nur Zyniker verweisen an dieser Stelle darauf, dass Berlin im Januar durchaus einen Lichtblitz vertrüge.
Ängste first, Ukraine second
Scholz kennt und respektiert die Furcht der Deutschen. Für ihn gilt daher: Ängste first, Ukraine second. Das hat er im Bundestag im Grunde letztlich genau so gesagt, allerdings auf seine Art, weshalb es untergegangen ist. Der Scholzomat hat seinen Satz nämlich vor Versenden gedrechselt, zerhackt und falsch wieder zusammengesetzt. Lesen Sie ihn ruhig dreimal:
"Wir werden Entscheidungen treffen, die immer so abgewogen sind, dass sie durch ihre Einbindung in die Entscheidungen unserer internationalen Partner und Verbündeten auch aus Sicherheitsgründen für Deutschland und Europa gut vertreten werden können, und nicht im Hinblick auf ihre Wirkung für die Ukraine."
Hm? Echt? Wir entscheiden also gar nicht im Hinblick auf ihre Wirkung auf die Ukraine? Sondern im Hinblick auf unsere Sicherheit? Ja, genau, das ist die Linie. Scholz’ Satzungetüm (nachzulesen im stenografischen Bericht) ist kein Versprecher. Es ist im Grunde eine ganz stille Form des Populismus: eine Orientierung an der akuten Angst der Menschen - nicht unbedingt an dem, was einen unberechenbaren Aggressor langfristig in seinen Landesgrenzen hält.
Der verständlichste Satz der Kanzlerschaft
Dass Scholz’ Sätze klingen, als kämen sie direkt aus einer Leopard-2-Nebelwurfanlage, ist Strategie: Wenn es ihm passt, verliert der Regierungschef durchaus die Scheu vor knappen, klaren Formulierungen. "Die Ampel steht!" ist nach wie vor der griffigste Satz seiner Kanzlerschaft, dicht gefolgt von "ja, könnt’ ich" oder "daran habe ich keine konkrete Erinnerung".
Scholz will schlicht nicht verstanden werden, weil das Teil des von der SPD gepflegten neuen Kanzlermythos’ ist. Die aktuelle Botschaft der SPD lautet: "Seid still, das ist zu hoch für Euch".
So beschied Fraktionschef Rolf Mützenich Kritikern wörtlich im Bundestag: "Sie verfügen nicht über das nötige Hintergrundwissen", forderte "mehr Demut". Nach dem Panzerdurchbruch verbreitete jeder SPD-Parteisoldat frenetisch applaudierend die Botschaft: Scholz ist der gute Hirte, dem man sich beugen möge - die kecken Schreiberlinge und rotzfrechen roten und grünen Ampelparlamentarier wissen schließlich nicht, in welchen Perlen der Erkenntnis der Herr Kanzler wöchentlich zu baden pflegt.
Auch Olaf Scholz selbst hilft bei dieser Selbstverkultung. Der britische Historiker Timothy Garton Ash hatte ihm bekanntlich "Scholzing" vorgeworfen (und dafür ein Meme eines ukrainischen Freunds verbreitet) - also Unterstützung versprechen, sie verzögern. Scholz versucht aus diesem "Scholzing" nun ein Geusenwort zu machen, also eine zum Trotzwort mutierte Schmähung: "Die Übersetzung von Scholzing ist: Deutschland macht das meiste", sagte er kürzlich in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Scholz?".
"Das wird in die Geschichte eingehen"
Diese behütende, treuherzige und arrogante SPD-Attitüde geht so sehr auf den Nerv, dass man das in der Tat erfolgreiche diplomatische Jiu-Jitsu des Kanzlers kaum noch loben möchte. Dabei stimmt es ja: Scholz hat sich während seiner Zögerei bei den Amerikanern so fest "untergehakt", dass sie ihrerseits - militärisch womöglich unsinnige - Panzer liefern und sich damit neben Deutschland in den möglichen Lichtkegel eines atomaren Untergangs stellen mussten. Der Vize-Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk, hat daher recht: "Das wird in die Geschichte eingehen."
Aber wie geht diese Geschichte weiter? Sind die Leos nun ein "Gamechanger", fragte das ZDF den Kanzler noch. "Das ist ein furchtbarer Krieg", nichtantwortete Scholz. Die frustriert blickende Journalistin Bettina Schausten hätte ihm da mit den Worten "wir machen ohne Sie weiter" das Mikro vom Jackett zupfen sollen - viel schlechter würden wir den Kanzler dann auch nicht verstehen.
Ich fürchte allerdings: Scholz wäre das sogar ganz lieb.
Quelle: ntv.de