
Kiew wünscht sich von Berlin unter anderem den deutschen Tornado-Kampfjet.
(Foto: picture alliance/dpa)
Deutschland ringt sich zur Lieferung von Kampfpanzern durch, doch Zeit zum Aufatmen bleibt kaum. Die Ukraine braucht mehr, um der Offensive Russlands standzuhalten - und will Verstärkung für ihre Luftwaffe. Sind als Nächstes die Kampfjets an der Reihe?
Nach Monaten des Bittens gibt Kanzler Olaf Scholz den Forderungen Kiews schließlich nach und lässt den Leopard 2 frei. Gleichzeitig verpflichtet er auch noch die USA zur Lieferung von Abrams-1-Panzern. Hinzu kommen von Großbritannien Challenger 2. Ein guter erster Schritt, heißt es aus Kiew. Doch die nächste Forderung steht schon bereit: moderne Kampfjets.
Es ist kein Geheimnis, dass die Lieferung von Kampfpanzern kein Garant für Erfolg für die Ukraine im Krieg gegen Russland ist. "Wir haben einen sehr mächtigen Gegner, die Russen produzieren Waffen auf Hochtouren", sagte der frühere ukrainische Botschafter Andrij Melnyk ntv. "Die Ukraine braucht auch Verstärkung für ihre Luftwaffe." Deutschland könne beispielsweise mit Tornados oder Eurofighter helfen, so Melnyk. Von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius fordert er in diesem Zusammenhang "Leadership". Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte in seiner abendlichen Ansprache, dass Kampfpanzer allein noch nicht reichten.
Ob Deutschland auch in diesem Fall lange zögert und am Ende doch Kampfjets in die Ukraine schickt, ist derzeit nicht abzusehen. Aus Berlin kommt aber bereits ein erster Dämpfer. In einer Regierungsbefragung im Bundestag am Mittag betonte Scholz, er werde sich nicht durch öffentlichen Druck beeinflussen lassen. Stattdessen werde man Entscheidungen treffen, die so abgewogen sind, dass sie auch aus Sicherheitsgründen für Deutschland gut vertreten werden können und nicht im Hinblick auf ihre Wirkung für die Ukraine. "Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich sehr früh klargestellt und mache das auch hier. Als über Flugverbotszonen diskutiert wurde über der Ukraine habe ich, sowie der amerikanische Präsident gesagt, das werden wir nicht tun."
Zuvor hatte FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine Lieferung von Kampfjets für unrealistisch erklärt. "Ich sehe das nicht mit den Flugzeugen, um das direkt zu sagen", sagte sie im "Frühstart" von ntv. Das Risiko für Unfälle mit den Kampfjets seien zu hoch, so die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages. Zudem halte sie es für unwahrscheinlich, dass die Ukraine eine Luftüberlegenheit bekäme.
Ukraine plagt das gleiche Problem wie bei Panzern
Die Forderung nach Verstärkung für die Luftwaffe ist keineswegs neu. "Gespräche über Kampfflugzeuge gibt es schon seit Längerem", sagt Militärexperte Gustav Gressel ntv.de. Die ukrainische Luftwaffe fliegt derzeit den sowjetischen Kampfjet MiG-29. Flugzeuge seien also vorhanden und auch wichtig für die Abwehr. "Sie werden unter anderem in den Zwischenzonen in der Flieger-Abwehr eingesetzt und sind noch immer eine Gefahr für die russische Luftwaffe", erklärt Gressel. Als Zwischenzonen wird freier Raum bezeichnet, in denen nicht viel Flieger-Abwehr stattfindet, aber russische Marschflugkörper Drohnen fliegen, die von Kampfflugzeugen abgeschossen werden. Sie werden zudem für bodennahe Unterstützung eingesetzt, was aber nur einen Bruchteil der Mission ausmacht.
Das Problem, das die Ukraine mit den Kampfjets hat, sei jedoch das gleiche wie bei den Kampfpanzern, so Gressel. "Die Munition für MiG-29 ist endlich und viele Ersatzteile sind aus Russland gekommen." Einige Staaten in Europa hätten das Kampfflugzeug aussortiert und die verbleibenden Ersatzteile an die Ukraine gegeben, welche dort wiederum zu Flugzeugen zusammengebaut wurden. "Dadurch haben wir zwar nichts geliefert, aber die ukrainische Luftwaffe betreibt heute mehr MiG-29-Kampfjets als sie jemals hatte." Ein Teil der Munition kam aus Polen, doch das meiste davon sei bereits verbraucht.
"Tornado ist kein Leopard der Lüfte"
Es stellt sich deshalb die Frage, wie lange die Ukraine noch mit dem Modell MiG-29 zurechtkommt. Die Werke zur Wartung und Ersatzteilherstellung für Kampfflugzeuge in der Ukraine sind größtenteils angegriffen worden und von der russischen Luftwaffe zerstört worden, erklärt Gressel. Seit geraumer Zeit trainieren deshalb auch ukrainische Piloten an amerikanischen Maschinen, wie der F-16 Fighting Falcon und F-18 Super Hornet. Die USA entscheiden über eine Lieferung der Kampfjets laut dem Militärexperten voraussichtlich im Februar. Einige Staaten könnten sich der Lieferung dann anschließen. "Aber nicht Deutschland, weil es die Flugzeuge nie betrieben hat", so Gressel.
Die Forderung nach dem deutschen Kampfflugzeug Tornado sieht daher auch Gressel eher skeptisch. Es sei bereits ein sehr altes Gerät, das bereits viele Flugstunden auf dem Buckel trage. Zudem haben bereits alle anderen Staaten in Europa den Tornado bereits aussortiert, sodass keine Koalition zur Lieferung gebildet werden könnte. "Der Tornado ist kein Leopard der Lüfte".
Sinnvoller sei es, wenn sich Deutschland um Dinge kümmere, die es gut kann. Das seien in erster Linie Kampf- und Schützenpanzer, so Gressel. Es sei nicht so, dass an Deutschland der ganze Lebensnerv der Ukraine liegen würde. "Deutschland ist Teil der NATO und als solches tut man das, worin man gut ist." Würde Berlin mehr Geld für die Panzer in die Hand nehmen, sei das Geld besser investiert, glaubt Gressel.
Quelle: ntv.de