Wieduwilts Woche Wirtschaftskrise gelöst: Staat gibt Bürgern einfach Geld!


Raus mit der Kohle, es ist schließlich Wahlkampf!
(Foto: picture alliance/dpa)
Mehrwertsteuer runter, 1000 Euro Tankgeld, Autoleasing auf Staatskosten: Deutschland steckt im Geschenkefieber. Ja is’ denn heut schon Weihnachten?
Wahlkampf ist für die Wirtschaftspolitik so gefährlich wie Weihnachten für eine Diät: Eben hat man sich noch Brokkoli mit Hühnerbrust gedämpft, schon muss man sich Sahne in den Schlund sprühen, damit das zweite Stück Christstollen wieder rutscht. Eine andere Erklärung habe ich jedenfalls nicht für das, was in dieser Woche an politischen Vorschlägen kursiert.
Ich sollte als Jurist vielleicht die Klappe halten bei dem Thema. Mein Volkswirtschaftsstudium habe ich immerhin abgebrochen, nachdem ich mir in einer Vorlesung über Kosten- und Leistung-Rechnung vor Langeweile einen Bleistift ins Auge stecken wollte. Aber dass der Staat jetzt mit Geldgeschenken die Probleme angeht, kommt sogar mir seltsam vor.
Dabei schien vor kurzem alles noch vernünftig: Die Koalition zerbrach bekanntlich auch wegen des Streits um die Schuldenbremse. Die sollte gelockert werden, ein bisschen. Da haben Grüne und Sozialdemokraten Stein und Bein geschworen, dass der Staat dann mehr investieren werde, aber nicht konsumieren! Dafür und wirklich nur dafür müsse man die lästige Bremse lockern!
Für 1000 Euro gratis tanken
Die Brücken sollen schließlich wieder ganz sein! In Bahn und Schulen soll es Toiletten geben! Das Stromnetz braucht auch Geld, immerhin, wie die Hans-Böckler-Stiftung gerade ausrechnete, 651 Milliarden Euro! Und von der Ertüchtigung der Bundeswehr fangen wir lieber gar nicht erst an.
Nun aber kommen ganz andere Vorschläge. Sie klingen eher nach Zuckergebäck denn nach Brokkoli: Robert Habeck will uns etwa eine 1000 Euro-Tankladung für das E-Auto schenken. Das soll der maladen Autoindustrie wohl wieder auf die Beine helfen.
Man fragt sich, ob Habeck in letzter Zeit mal einen Autokauf erwogen hat. Denn sein Gedanke ist kühn: Fünfzigtausend Euro für einen kapablen Elektrowagen sitzen offenbar auf der Stelle locker, wenn man danach auf Steuerzahlerkosten für 1000 Euro gratis tanken darf. Dann, so die Idee, ist es auch viel leichter verschmerzbar, dass man sich damit zwischendurch an Ladesäulen anstellen muss wie in der seligen DDR für eine Südfrucht.
Ist das nicht ein bisschen konsumtiv?
Vielleicht geht Habecks Kalkulation ja auch noch weiter: Vielleicht kaufen die Deutschen gleich mehrere dieser Fahrzeuge, damit sie die 1000 Euro auch wirklich schnell wegtanken können. Manche werden sich nämlich erinnern, dass es Robert Habeck war, der vor etwa einem Jahr die Elektro-Kaufprämie ratzfatz stoppte, während die Bestellung mancher Kunden noch lief.
Aber: Was weiß ich schon! Wie gesagt: Jurist. Dennoch, ein womöglich bald juristisch relevanter Einwand: Klingt das nicht alles ein bisschen nach konsumptiver Ausgabe, also nach wirtschaftspolitischer Sprühsahne und Christstollen? Ist das nicht etwas ganz anderes als eine Investition in den deutschen Standort? Und wäre das noch im Sinne einer reformierten Schuldenbremse?
Egal! Habeck ist immerhin nicht der einzige, dem das Geld der Steuerzahler so locker sitzt. Olaf Scholz investiert auch und zwar in die weitere Verkomplizierung des Steuerrechts: Er möchte die Mehrwertsteuer statt auf 7 Prozent auf 5 Prozent absenken.
Klingt wenig, weil es wenig ist
Aus seinem politischen Kalkül macht er keine Mördergrube: Er möchte schlicht kurzfristig die Herzen der Menschen gewinnen. "Ich glaube, dass es jetzt erst mal wichtig ist, dass wir etwas sehr Überschaubares machen, was jeder beim täglichen Bedarf jeden Tag merkt", sagte er in der ARD. Und mit "jeder" meint Scholz vor allem sich und seine Umfragewerte. Wer schenkt, ist beliebt - oder haben Sie schon einmal ein vernichtendes Porträt über den Weihnachtsmann gelesen?
Wie sehr ein Geldversprechen einen drögen Charakter veredelt, hat der Kanzler ja im vergangenen Wahlkampf höchstselbst gespürt: Er versprach den Menschen 12 Euro Mindestlohn. Das versteht jeder, kann sich jeder merken, kann jeder überprüfen - und wer braucht noch Führung, wenn er Münzen bekommt?
Inzwischen haben Journalisten ausgerechnet, wie viel die Mehrwertsteuersenkung brächte. Künftig würde also der Liter Vollmilch um 2 Cent billiger. Das klingt nur deshalb nach wenig, weil es wenig ist. Aber Scholz hat ja auch noch den Mindestlohn in petto: 15 Euro sollen es diesmal sein.
Kluge Wirtschaftspolitik ist schwer zu verkaufen
Wenn Sie das alles für ganz schön links halten, haben Sie das BSW vergessen: Sahra Wagenknecht brachte nun ein "Sozialleasing" von Autos ins Spiel: 58 Euro für ein Auto, das soll so funktionieren wie das Deutschlandticket.
Spitzenverdiener würden von den Wagenknecht'schen Plänen aber nicht profitieren. Immerhin: das macht die Maßnahme etwas intelligenter als Scholz’ Bürgergeschenk und das Deutschlandticket: Bei Mehrwertsteuer und Bahn zahlen nämlich alle weniger, vom Bürgergeldempfänger bis zum Bundeskanzler.
Das Dilemma kluger Wirtschaftspolitik liegt darin, dass sie sich nicht so gut verkaufen lässt wie dumme. Geldgeschenke sind für politische Kampagnen Gold wert: "15 Euro für alle", "1000 Euro für alle", "Autoleasing für fast alle": Das kapiert man, das passt in ein Tiktok-Video. Investitionen in die digitale Infrastruktur oder die Bahn lassen sich dagegen sehr schlecht vermarkten. Ihre Wirkungen zeigen sich oft erst lange nach der nächsten Wahl. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum die deutsche Infrastruktur so schrecklich marode ist.
Zocken im Staatsauftrag
Fast so gut wie Geldgeschenke an die Bürger lassen sich übrigens Subventionen für Wunschindustrien vermarkten, Millionen in Batterie- und Chipfabriken etwa. Einen besseren Standort, mehr Arbeitsplätze und Unabhängigkeit von Importen gibt es schon für 600 Millionen Euro (Northvolt), 1,3 Milliarden Euro (ArcelorMittal), 10 Milliarden Euro (Intel). Im Falle der Chipfabrik von TSMC und Infineon in Dresden hoffte die Bundesregierung sogar, durch die Ansiedlung die Populisten zu schwächen. Dagegen kann nun wirklich niemand etwas haben!
Auch hier steht der Vermarktungserfolg in einem ungünstigen Verhältnis zur Wirksamkeit: Die Politik maßt sich an, zu wissen, was "die Wirtschaft", also in Wahrheit der begünstigte Teil, gerade benötigt. Es ist ein wenig wie Zocken, klingt aber besser. Wie das schiefgehen kann, sehen wir in diesen Tagen am Northvolt-Desaster.
Etwas sagt mir, dass es nicht richtig ist, wenn Politiker im Wahlkampfrausch auf Rechnung der Staatskasse Weihnachtsgeschenke einpacken. Aber wenn, dann bitte richtig. Elon Musk hat im Wahlkampf täglich eine Million US-Dollar an registrierte Trump-Wähler verlost. Wenn die SPD mir 15 Euro bar auf die Kralle für eine Stimme verspricht, haben wir einen Deal! Dann kaufe ich auch ein deutsches Elektroauto.
Quelle: ntv.de