Die 25.000-Euro-FrageWall Street zwischen Politik und KI - wie geht es weiter?

Zuletzt hat die US-amerikanische Notenbank Fed an den US-Börsen für einen Dämpfer gesorgt, zumindest für einen kleinen. Anleger sollten Korrekturen als Einstiegsgelegenheiten betrachten.
Fed-Chef Jerome Powell hat Ende Oktober zum zweiten Mal in diesem Jahr die Leitzinsen in den USA gesenkt. Doch die Börsianer reagierten nicht erfreut, sondern verschnupft. Denn Powell machte hinter einer weiteren geldpolitischen Lockerung schon im Dezember ein dickes Fragezeichen. Die Zinssenkung sei nicht ausgemacht, so Powell.
Vor dieser Aussage taxierten die Terminmärkte die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Zinsschritt noch in diesem Jahr auf 94 Prozent. Jetzt sind es weniger als 65 Prozent (Stand: 11. November 2025). Niedrige Zinsen sind ein Schmierstoff für die Aktienmärkte, da sich Unternehmen dann günstiger mit Fremdkapital versorgen können. Außerdem werden künftige Gewinne weniger stark abgezinst, sodass ihr sogenannter Gegenwartswert steigt. Davon profitieren vor allem Technologiewerte, deren Gewinne stärker in der Zukunft liegen.
Was genau Powell zu seinem Statement bewogen hat, ist nicht klar. US-Präsident Donald Trump setzt die Notenbank seit Monaten unter enormen Druck, die Zinsen zu senken. Eine Rolle spielt jedoch sicherlich auch die mangelnde Datenlage. Die USA befanden sich im längsten Shutdown ihrer Geschichte. Da sich Demokraten und Republikaner nicht über einen neuen Haushalt einigen konnten, musste die Regierung rund 900.000 Mitarbeiter unbezahlt nach Hause schicken. Flughäfen schränkten ihr Angebot ein, Lebensmittelhilfen für Bedürftige verzögerten sich.
Und staatliche Behörden konnten keine volkswirtschaftlichen Daten liefern. Powell betont jedoch immer wieder, dass die Fed eine datenbasierte Geldpolitik verfolgt. Jetzt fährt sie auf Sicht und hat bei möglichen Lockerungen vorsichtshalber zumindest etwas die Handbremse angezogen.
Expansivere Geldpolitik ab Dezember möglich
Anleger sollten Powells Aussage nicht zu viel Gewicht beimessen. Die Leitzinsen sind zwar ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Fed, aber bei Weitem nicht das einzige. Ebenso wichtig ist die Versorgung der Finanzmärkte mit Liquidität. Derzeit baut die Notenbank ihre in der Corona-Krise aufgeblähte Bilanz ab. Das bedeutet konkret, dass sie Monat für Monat Staatsanleihen verkauft und den Finanzmärkten dadurch Geld entzieht.
Die Fed hat jedoch bereits angekündigt, dass damit ab Dezember Schluss ist. Dann könnte sich die Entwicklung umkehren und die Notenbank könnte wieder Liquidität in die Finanzmärkte pumpen, indem sie Staatsanleihen gegen Bargeld kauft. Dafür spricht, dass der Shutdown dafür sorgte, dass Liquidität zurückgehalten wurde. Zwei Regionalbanken haben bereits bedenklich gewackelt. Hinzu kommt, dass sich Teile der US-Wirtschaft wohl bereits in einer Rezession befinden. Mehr Liquidität könnte hier Unterstützung liefern.
Jetzt haben sich Republikaner und Demokraten zumindest auf einen Übergangshaushalt geeinigt. Das ist für Trump wichtig, weil er zuletzt an Zustimmung verlor. So hat der linke Demokrat Zohran Mamdani die Wahl zum Bürgermeister von New York gewonnen. Gleichzeitig schlugen die Demokraten die Republikaner bei zwei Gouverneurswahlen. Im nächsten Jahr finden die Zwischenwahlen für den Kongress statt. Trump wird alles dafür unternehmen, dass die Republikaner hier die Mehrheit behalten, um weiter durchregieren zu können. Wenn der Shutdown endet, dürften sowohl die Bevölkerung als auch die Wall Street durchatmen.
KI startet durch
Neben der Politik ist derzeit Künstliche Intelligenz (KI) der zweite dominierende Faktor an den US-Börsen. Allein die sechs großen US-amerikanischen Tech-Konzerne Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft und Nvidia werden in diesem Jahr voraussichtlich fast 400 Milliarden Dollar in Rechenzentren und sonstige KI-Infrastruktur investieren. Hinzu kommen weitere Unternehmen wie Oracle oder OpenAI, die ebenfalls Investitionen in Milliardenhöhe in KI angekündigt haben. In den USA erlebt die Kernkraft derzeit eine Renaissance, da Rechenzentren enorme Mengen an Strom benötigen, die sich anders kaum bereitstellen lassen.
Kurzfristig sorgt KI dafür, dass die großen Techkonzerne trotz ihrer enormen Investitionen ausgesprochen viel Geld verdienen. Die Ergebnisse von Alphabet, Amazon und Co. für das dritte Quartal haben überwiegend positiv überrascht - und zwar kräftig. Mittel- bis langfristig wird KI in der gesamten Wirtschaft für enorme Produktionsgewinne und somit für Wachstum sorgen sowie die Inflation dämpfen, was auch eine lockere Geldpolitik erlauben würde. Natürlich sind kurzfristige Rücksetzer immer möglich. Perspektivisch sind die Aussichten jedoch für die US-Wirtschaft und die Wall Street weiterhin positiv.
Die 25.000-Euro-Frage
Anleger, die beispielsweise 25.000 Euro über einen längeren Zeithorizont anlegen wollen, sollten bis zu 65 Prozent in Aktien investieren. Dabei sollten US-amerikanische KI-Unternehmen eine prominente Rolle einnehmen. Gold und dezentrale Währungen wie Bitcoin dienen der Diversifikation und damit der Risikostreuung. Ein Anteil von jeweils circa sieben Prozent ist hier angemessen. Den Rest der Mittel sollten Anleger in Anleihen und Barmitteln halten, um bei kurzfristigen Rücksetzern, die immer möglich sind, preiswerter nachkaufen zu können.
Über den Autor: Marco Rumpf ist seit 1998 als geschäftsführender Gesellschafter bei der DRH Vermögensverwaltung GmbH tätig. Dort verantwortet der Bankkaufmann und Bankfachwirt die Bereiche Risikomanagement, Portfoliomanagement sowie die strategische Unternehmensführung.
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