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26 Niederlagen in 35 Spielen Was läuft da eigentlich falsch bei Alba Berlin?

Die Heimstätte von Alba Berlin.

Die Heimstätte von Alba Berlin.

(Foto: IMAGO/camera4+)

Erstmals seit Jahren ist Alba Berlin im deutschen Basketball keine prägende Kraft. Auch in der Euroleague steht der Hauptstadtklub schlecht da. Die Ursachen sind vielfältig - und die Suche nach einem Ausweg aus der Krise schwierig.

Die Bilanz ist verheerend, gerade im Vergleich zu den Vorjahren. Nur fünf Siege haben die Basketballer von Alba Berlin in der laufenden Bundesliga-Hauptrunde eingefahren, dafür aber bereits acht Niederlagen kassiert. Das sind schon jetzt, obwohl erst 13 von 34 Spieltagen geschafft sind, die meisten seit der Saison 2016/17. Damals fuhren die Hauptstädter letztlich als Sechster ihre bisher schlechteste Hauptrundenplatzierung ein. Aktuell steht Alba auf Platz 15 und damit ein gutes Stück hinter den Rängen, die in die Playoffs führen. Nur die ersten Sechs der Tabelle sind sicher dafür qualifiziert, die Teams auf den Plätzen 7 bis 10 ermitteln in Entscheidungsspielen zwei weitere Teilnehmer.

Im Pokal fehlen die Berliner erstmals seit 2012 im Final Four, weil sie nach dem knappen 75:74-Achtelfinalerfolg gegen Crailsheim ihr Viertelfinale in Bamberg überraschend deutlich mit 67:80 verloren. In der Euroleague, dem stärksten Klubwettbewerb Europas, sieht es als Tabellenletzter mit 17 Niederlagen aus 20 Spielen sogar noch etwas schlechter aus, weshalb sich die Frage aufdrängt: Was läuft da eigentlich gerade falsch bei Alba Berlin?

Die Antwort ist komplex, denn wenn es eine einfache gäbe, hätte der elffache deutsche Meister sie sicher längst gefunden. Mit dem Sieg gegen den großen Rivalen FC Bayern in der vergangenen Woche gelang immerhin ein Befreiungsschlag, zumal die Berliner die Münchner trotz eines zwischenzeitlichen 19-Punkte-Rückstands noch niederringen konnten. "Für mich war es eines der emotionalsten Spiele als Trainer überhaupt", sagte Israel Gonzalez und unterstrich damit nicht nur seine Erleichterung über das herbeigesehnte Erfolgserlebnis, sondern auch, wie fordernd diese schwierige Phase ist.

Alba-Coach Israel Gonzalez ist als Problemlöser gefragt.

Alba-Coach Israel Gonzalez ist als Problemlöser gefragt.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Denn es gibt eben weder für Gonzalez noch für Sportdirektor Himar Ojeda nicht diesen einen Ansatzpunkt, nicht die eine Stellschraube, die gedreht werden muss, damit es wieder klickt. In Berlin scheinen es viel mehr diverse kleinere Probleme zu sein, die sich zu einer großen Krise verbinden.

Der Kader von Alba Berlin hat Lücken

Da ist einerseits die Verletzungsmisere, die sich durch die Saison zieht. Im November fielen zeitweise bis zu acht Profis gleichzeitig aus, so etwas kann keine Mannschaft kompensieren. Inzwischen füllen sich immerhin die Reihen wieder, bei der Euroleague-Niederlage am Donnerstagabend bei Fenerbahçe Istanbul fehlten mit Louis Olinde und Justin Bean nur noch zwei Aktive. Dass aber in beiden Wettbewerben nur jeweils sieben Spieler mindestens 75 Prozent aller Partien zum Einsatz kamen, stört den Rhythmus nachhaltig und spürbar.

Andererseits gibt es in diesem Kader Lücken, die auch bei voller Besetzung kaum gefüllt werden. "Es fehlt diesem Team an Spielern, die Vorteile kreieren können", sagt Basketball-Journalist Lukas Feldhaus, der den Sport unter anderem für MagentaSport und Basketball-World.News analysiert und beobachtet. Es mangele Alba demnach insgesamt an Spielern, die beispielsweise mit ihrer Schnelligkeit, ihrer Fußarbeit oder ihrer Übersicht Räume für sich und andere schaffen: "Generell fehlt es an Kreativspielern."

Sehnsüchtig dürfte so mancher an Luke Sikma zurückdenken, den im Sommer 2023 nach Griechenland gewechselten Forward, der mit seinen herausragenden Spielmacher-Qualitäten eine Ära in Berlin geprägt hatte. "Trevion Williams sollte dieses Element ein bisschen zurückbringen", sagt Feldhaus, "aber das hat auf diesem Level nicht funktioniert". Der 24 Jahre alte US-Center verließ Deutschland nach weniger als einem halben Jahr schon wieder und läuft seit Dezember für Maccabi Tel Aviv auf. Seinen Kaderplatz hat pünktlich zu diesem Wochenende der neun Jahre ältere Michael Kessens übernommen, der neben reichlich Bundesliga-Erfahrung (Bremerhaven, Vechta, Frankfurt, Bonn) auch das Selbstvertrauen aus dem EuroCup-Sieg mit Paris in der Vorsaison mitbringt.

Alle 3,3 Tage ist Alba Berlin im Einsatz

Kessens ergänzt zugleich auch die Rotation auf den deutschen Positionen: In der BBL sind sechs Kaderplätze pro Spiel für Basketballer mit deutschem Pass reserviert, weshalb für die Kaderzusammenstellung "die deutsche Rotation" einen eigenen Bereich bildet. Hier hatte Alba über Jahre Vorteile gegenüber der Konkurrenz: "Das war zwischenzeitlich die stärkste der BBL", sagt Feldhaus. Mit dem Abgang von Johannes Thiemann im vergangenen Sommer gab es allerdings auch dort vor dieser Saison eine gewisse Zäsur, nachdem zuvor auch Niels Giffey und Maodo Lo den Verein verlassen hatten. So waren die Olympischen Spiele in Paris das erste große Turnier seit Jahren ohne Alba-Profi im deutschen Kader.

Eine offensichtliche Schwachstelle weisen auch die Statistikbögen aus: den Dreier. Die Berliner weisen in der Bundesliga die zweitschlechteste Dreierquote auf, in der Euroleague sogar die schlechteste. Das ist auch deshalb besorgniserregend, weil die Dreierquote nicht bloß ausdrückt, wie gut die einzelnen Spieler von außen werfen. Sie ist auch ein Indikator dafür, wie gut es einem Team gelingt, die gegnerische Defensive zu Fehlern zu zwingen und sich so freie Abschlüsse zu erarbeiten. In den schwachen Werten dürften sich also neben den Verletzungsproblemen auch die fehlenden Unterschiedsspieler ausdrücken.

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Was all diese Stellschrauben verbindet: dass der enge Spielrhythmus mit 70 Pflichtspielen (34 in der Bundesliga, 34 in der Euroleague, 2 im BBL-Pokal) in 229 Tagen kaum Zeit lässt, um im Training intensiv (oder mitunter überhaupt irgendwie) zu arbeiten. Alle 3,3 Tage ist Alba im Schnitt gefordert und reist dabei national zwischen München und Rostock sowie international zwischen Madrid, Athen und Kaunas umher. Exemplarisch dafür ist die kommende Woche: Berlin spielt Sonntag in Frankfurt, Dienstag in Mailand, Donnerstag in Lyon und empfängt Samstag Heidelberg in der heimischen Arena. Vier Spiele in drei Ländern in sieben Tagen.

Der nachverpflichtete Kessens könnte also schon vier Spiele mit seinen neuen Kollegen erleben, bevor er die erste richtige Trainingseinheit mit seiner neuen Mannschaft bestreitet. Auch das ist einer der vielen Faktoren, warum es Alba schwerfällt, einen Weg aus der Krise zu finden. Wobei die enge Taktung immerhin auch die Chance bietet, mit zwei, drei guten Wochen den Umschwung zu schaffen und sich zumindest in der BBL-Tabelle wieder in Richtung Playoffplätze nach oben zu arbeiten. Denn so richtig historisch wäre die Krise erst, wenn sie im Verpassen der Meisterrunde endet - das ist Alba seit der Gründung 1991 nämlich noch nie passiert.

Quelle: ntv.de

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