Doping und Gerichtsverfahren Zverev und Sinner bringen nicht nur Tennis-Geschichten mit
25.01.2025, 19:18 Uhr
Zverev könnte als erster deutscher Mann seit 1996 ein Grand-Slam-Turnier gewinnen.
(Foto: IMAGO/Shutterstock)
Mit Jannik Sinner und Alexander Zverev duelliert sich im Finale der Australian Open das Top-Duo der Setz- und Weltrangliste. Im Fokus steht dabei jedoch nicht nur das Tennis, das die beiden in Melbourne spielen.
Eigentlich könnte es für Jannik Sinner kaum besser laufen. Als Weltranglistenerster ist der Italiener nach Melbourne gekommen, um bei den Australian Open seinen Titel zu verteidigen. Die Rolle als Gejagter hat er erfolgreich angenommen, in sechs Matches nur zwei Sätze verloren und im Halbfinale den Widerstand von Turnierüberraschung Ben Shelton im ersten Durchgang gebrochen und danach beim 7:6, 6:2, 6:2-Erfolg keine Schwierigkeiten mehr gehabt. Laut "Sportschau" war es der 82. Sieg in seinen vergangenen 88 Matches auf der ATP-Tour und so greift der 23-Jährige an diesem Sonntag (9.30 Uhr/RTL, Eurosport und im Liveticker bei ntv.de) gegen den deutschen Tennis-Superstar Alexander Zverev nach seinem bereits dritten Grand-Slam-Titel.
Und doch geht es in den Gesprächen über die herausragende Konstanz und das phasenweise makellos-dominante Tennis des Südtirolers auch immer um die Schlagzeilen, für die er im vergangenen Jahr gesorgt hatte: Denn Sinner war gleich zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet worden. Eine Sperre bekam er nicht, weil ihm laut verantwortlicher Agentur ITIA kein vorsätzliches Verschulden und keine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden konnte. Sinner hatte erklärt, dass die verbotene Substanz bei einer Massage über die Hände seines Physiotherapeuten in seinen Körper gelangt sei.
Problematisch war für viele Tennis-Kollegen aber vor allem, dass Sinners Fall erst viele Wochen nach den positiven Tests publik gemacht wurde. Sollte der Südtiroler angesichts der Debatte in Melbourne wieder siegen, hätte dieser Triumph für viele einen Makel.
"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es vergessen habe", hatte Sinner zu Beginn des Turniers über seinen nach wie vor nicht zu den Akten gelegten Doping-Fall gesagt: "Es ist etwas, was ich jetzt schon ziemlich lange mit mir herumtrage." Und auch noch knapp drei Monate mit sich herumtragen wird. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Verhandlung nach einem Einspruch der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA für den 16. und 17. April angesetzt. Sinner droht eine Sperre von bis zu zwei Jahren, auch wenn er felsenfest von einem endgültigen Freispruch ausgeht: "Ich habe nichts falsch gemacht. Deshalb bin ich noch hier, deshalb spiele ich noch."
Zverev-Prozess gegen Zahlung von 200.000 Euro eingestellt
Auch bei Alexander Zverev ist die Diskussion vielschichtig. Nachdem Novak Djokovic im Halbfinale nach dem verlorenen ersten Satz überraschenderweise und vor allem plötzlich aufgegeben hatte, drehte sich einerseits viel um das Thema Fitness. Die könnte im dritten Anlauf, endlich als erster deutscher Mann seit Boris Becker bei den Australian Open 1996 ein Grand-Slam-Finale zu gewinnen, zu einem großen Pluspunkt für Zverev werden. Der Weltranglistenzweite zeigte im Turnierverlauf noch keinerlei Anzeichen von Müdigkeit oder größeren körperlichen Beschwerden.
Den Fokus noch stärker auf die Fitness zu legen, war eine Lehre aus dem nach fünf Sätzen verlorenen French-Open-Finale gegen Carlos Alcaraz. "Da wurde ich müde, und das wollte ich dieses Jahr nicht noch einmal erleben", sagte Zverev, der auch die Nummer zwei der Setzliste ist. Vor ihm steht dort wie auch in der Weltrangliste nur Sinner, doch der scheint körperlich nicht topfit zu sein. Die Hitze-Schlacht im Achtelfinale gegen den Dänen Holger Rune überstand der geschwächte und zwischendurch zitternde Sinner nur mit Mühe. Beim Halbfinalsieg gegen US-Profi Ben Shelton plagten ihn leichte Krämpfe. Er sagte dazu nur vage: "Es gibt Tage, an denen es einfacher ist, und Tage, an denen ich ein bisschen mehr zu kämpfen habe."
Zverev indes hatte in den vergangenen Jahren nicht nur mit seiner Fitness nach der Rückkehr nach seiner schweren Verletzung im French-Open-Halbfinale 2022 gegen Rafael Nadal zu kämpfen - sondern auch mit Vorwürfen häuslicher Gewalt. Seine Ex-Freundin Brenda Patea, zugleich Mutter der gemeinsamen Tochter, hatte ihm vorgeworfen, sie im Mai 2020 körperlich angegriffen zu haben. Im Oktober 2023 verhängte ein Gericht zunächst einen Strafbefehl von 450.000 Euro (90 Tagessätze zu je 5000 Euro) gegen Zverev, er legte Einspruch ein, weshalb es im vergangenen Jahr zum Prozess in Berlin kam.
Das Verfahren wurde ohne Urteil bereits am dritten Prozesstag beendet. Das Amtsgericht Tiergarten stellte das Verfahren gegen eine Geldauflage von insgesamt 200.000 Euro ein - 150.000 Euro gehen an die Staatskasse und 50.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen. Der Entscheidung war eine außergerichtliche Einigung Zverevs und seiner Ex-Freundin als Nebenklägerin vorausgegangen.
"Es bleibt offen, was passiert ist"
Eine Verurteilung gab es nicht. Mit der Zustimmung zur Zahlung einer Geldauflage war kein Schuldeingeständnis verbunden. Zverev gilt weiterhin als unschuldig. Staatsanwaltschaft, die Verteidiger von Zverev und die Anwälte seiner Ex-Freundin Brenda Patea als Nebenklägerin hatten diesem Weg zur Beendigung des Verfahrens zugestimmt. Richterin Barbara Lüders begründete, es habe rund um die Verhandlungstage außergerichtliche Gespräche zwischen den Rechtsanwälten von Zverev und den Anwälten der Nebenklägerin gegeben zur Beendigung sämtlicher Streitigkeiten "auf allen Ebenen, auf denen es in den vergangenen Jahren Streit gab".
Nach dem Australian-Open-Finale von Alexander Zverev am Vormittag (ab 9 Uhr) rundet am Abend die NFL den Super-Sport-Sonntag bei RTL ab. Ab 20:55 Uhr zeigt RTL den Championship Sunday live im Free-TV.
Dazu unterzeichneten laut Gericht beide Seiten eine Vereinbarung, die aber nicht Gegenstand des Prozesses gewesen sei. Richterin Lüders begrüßte die Einigung, weil sonst beide Seiten möglicherweise durch die gerichtliche Auseinandersetzung nachhaltig in ihrem Ruf beschädigt und persönlich belastet werden könnten. Eine Gerichtssprecherin sagte über den Vorwurf einer angeblichen Körperverletzung im Mai 2020 im Flur einer gemieteten Airbnb-Wohnung in Berlin: "Es bleibt offen, was passiert ist."
Bereits im Januar 2023 war überdies eine Untersuchung von ähnlich gelagerten Vorwürfen durch die Profitennis-Organisation ATP abgeschlossen worden, aus der keine Maßnahmen gegen Zverev folgten. Seine Ex-Freundin Olga Scharypowa hatte dem Hamburger öffentlich gewalttätige Übergriffe vorgeworfen. Zu den mutmaßlichen Vorfällen am Rande des Masters 2019 in Shanghai oder in Monaco, New York und Genf waren Scharypowa, Zverev und 24 weitere Personen befragt, Textnachrichten, Audiodateien und Fotos ausgewertet worden. Aus "Mangel an verlässlichen Beweisen" und aufgrund "widersprüchlicher" Aussagen sei abschließend kein Vergehen festzustellen. Zverev hatte damals bei Instagram geschrieben: "Von Anfang an habe ich meine Unschuld beteuert und die gegen mich erhobenen haltlosen Anschuldigungen bestritten."
Sinner hat beide Finals gewonnen, Zverev beide Endspiele verloren
Mit Nebengeräuschen, wenn auch unterschiedlicher Art, kennen sich Sinner und Zverev also aus. Und doch wird am Sonntagmorgen deutscher Zeit der Sport im Mittelpunkt stehen, wenn die Top Zwei der Weltrangliste den Champion der Australian Open ermitteln. Der Deutsche, der im direkten Vergleich mit 4:2 führt, bringt dabei bislang seine Stärken in Melbourne auf den Platz. Sein erster Aufschlag beispielsweise kommt in 72 Prozent der Fälle, anschließend entscheidet Zverev 78 Prozent dieser Ballwechsel für sich. Eine Statistik aus der Rubrik "absolute Weltklasse".
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: So richtig viel weiß man dann doch noch nicht über die Form des Hamburgers. Zu wenig wurde er gefordert in den ersten sechs Partien, zu schwach waren seine bisherigen Gegner in den entscheidenden Phasen. Angesichts der dramatischen Aufgabe von Novak Djokovic im Halbfinale musste Zverev lediglich einen Satz gegen einen Top-Ten-Spieler absolvieren.
Und Sinner? Der bewies in den vergangenen knapp zwei Wochen eine beeindruckende Zähigkeit. Trotz verschiedener körperlicher Wehwehchen ließ er seinen Gegnern nie eine echte Siegchance. Der Südtiroler bestreitet wie Zverev sein drittes Grand-Slam-Finale - doch mit dem Unterschied, dass er seine ersten beiden gewann.
Quelle: ntv.de, tsi/dpa/sid