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Racheplan, Machos, Milliarden "Betrunkener Verbindungsbruder": Trump giert nach NFL-Wählern

Donald Trump besucht Mitte Oktober das NFL-Spiel zwischen den Pittsburgh Steelers und den New York Jets.

Donald Trump besucht Mitte Oktober das NFL-Spiel zwischen den Pittsburgh Steelers und den New York Jets.

(Foto: picture alliance/dpa/AP Pool)

American Football als ausschlaggebende Kraft im US-Präsidentschaftswahlkampf? Donald Trump hat eine komplizierte Verbindung zur NFL, doch die reichste Sportliga der Welt bringt ihm und Kamala Harris auch Wähler und Geld. Es geht um mögliche Rache und hässliche Botschaften.

Als Brett Favre am Mittwochabend bei der Kundgebung des ehemaligen Präsidenten Donald Trump in Green Bay im US-Bundesstaat Wisconsin die Bühne betrat, sonnte sich der ehemalige NFL-Quarterback der Green Bay Packers in der Aufmerksamkeit der begeisterten Trump-Anhänger. "Es ist mir eine Ehre, wieder hier zu sein, wo alles begann, um mit dem nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald J. Trump, Wahlkampf zu machen", sagte die in Rente gegangene Football-Legende.

Die Kundgebung fand weniger als eine Woche vor der US-Präsidentschaftswahl am kommenden Dienstag statt, bei der Trump als republikanischer Kandidat gegen Vizepräsidentin Kamala Harris antritt. Favre kritisierte die Demokratin, sagte, es wäre "verrückt, Kamala vier weitere Jahre im Amt zu lassen" und bediente sich bei der Sport-Sprache: "Es ist Zeit, Kamala auf die Bank zu setzen und den Star-Quarterback einzusetzen."

Trump genoss den Auftritt der Ikone in vollen Zügen, schließlich kann der Ex-Präsident im wichtigen Swing-State Wisconsin jede Stimme gebrauchen. Die Wahl wird allen Analysen zufolge etwas, das sie im American Football einen Nailbiter nennen. Ein so enges Duell, dass man sich die Fingernägel abkauen muss. Jede noch so kleine Entscheidung, jeder überzeugte Wähler kann in den entscheidenden Bundesstaaten den Ausschlag geben. Das Zünglein an der Waage sein.

Meistgesehene Sendung seit der Mondlandung

Aber bei Trumps Verbindung zur NFL steckt noch viel mehr dahinter. Es geht um Machismo, Macht und Milliarden. Und auch Harris nimmt Unterstützung aus der reichsten Sportliga der Welt gerne an, denn American Football ist in den USA König. Keine andere Sportart wird so sehr von den Massen aufgesogen. Die Liga war in den USA für 93 der 100 meistgesehenen Fernsehsendungen im Jahr 2023 verantwortlich, eine Verbesserung gegenüber der bereits beeindruckenden Bilanz von 2022 (82). Der diesjährige Super Bowl in Las Vegas wurde gar von durchschnittlich 123,4 Millionen Menschen in den Staaten gesehen und ist dort damit die meistgesehene Sendung seit der Mondlandung 1969.

Wenn etwa jüngst Emmitt Smith, NFL-Rekordhalter, was die mit dem Ball in der Hand gelaufenen Yards angeht, und 14 weitere ehemalige Superstars Harris lautstark den Rücken stärken, sagt die Vizepräsidentin artig danke. Bereits im September hatten mehr als 50 ehemalige Footballspieler und -trainer, darunter einige der ersten schwarzen Athleten und Coaches, die zu ihren aktiven Zeiten rassistische Systeme im Sport aufgebrochen hatten, bekannt gegeben, dass sie Harris unterstützen.

Bei Trump aber spielt auch mit, dass er gerne Männer, vor allem Sportler, auf die Bühne holt, die das Bild eines hypermaskulinen Macho-Mannes verkörpern sollen. Toxische Männlichkeit in seiner "Make America Great Again"-Bewegung ist so etwas wie das Lebenselixier des Republikaners und seines Personenkults geworden. Bei einer Kundgebung in Battleground-State Pennsylvania im Oktober pries Trump die Unterstützung der ehemaligen NFL-Spieler Antonio Brown und Le'Veon Bell an, die beide für die Pittsburgh Steelers spielten, und später auch Redezeit erhielten.

Trumps Suche nach toxischer Männlichkeit

Ähnlich wie mit seinem Umgarnen des MMA-Sports setzte der Ex-Präsident mit Brown und Bell seinen Trend fort, Prominente mit kontroverser Vergangenheit zu nutzen, um junge, männliche und auch schwarze Wähler zu umwerben. 2021 sah sich Brown mit einer Klage konfrontiert, in der es um sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen ging, die aber beigelegt wurde. Bell fiel zuletzt vor allem damit auf, dass er in den Boxsport umsiedelte und ein Foto von sich bei X postete, auf dem er ein T-Shirt trug mit einer hässlichen Botschaft an Kamala Harris. "Trump or the Tramp", war dort zu lesen. Der Ex-Präsident oder die Schlampe.

Konkreter wurde die Unterstützung für Trump beim langjährigen NFL-Kicker und heutigen TV-Analysten für den Sender CBS, Jay Feely. Der ehemalige Spieler der Arizona Cardinals ist schon länger Fan des Republikaners und stellte jüngst in einem Interview klar, dass er aktiv versuche, Trump dabei zu helfen, den Swing-State Arizona zurückzugewinnen. Trump hatte Arizona 2020 mit 10.457 Stimmen an US-Präsident Joe Biden verloren - nachdem die Republikaner bei 15 der vorherigen 16 Präsidentschaftswahlen den Bundesstaat für sich entscheiden konnten.

In Deutschland werden Thomas Müller, Joshua Kimmich oder Niclas Füllkrug sich bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr kaum für einen Kandidaten aussprechen. In den Vereinigten Staaten ist das anders. Während die Liga unparteiisch bleibt, um keinen Fan in den so stark wie noch nie gespaltenen USA zu vergraulen, geht der Trend dahin, dass aktive Spitzensportler die öffentliche Meinung beeinflussen und bei verschiedenen Angelegenheiten Haltung zeigen. "Athlete Activism" nennen sie das dort.

NFL-Stars for Trump!

Der Star-Verteidiger der San Francisco 49ers, Nick Bosa, unterbrach etwa am Sonntag kurz ein Live-Interview nach dem Sieg gegen die Dallas Cowboys, schaute in die Kamera und zeigte vor einem Millionenpublikum mit beiden Händen auf seinen Hut, auf dem in weiß-goldener Schrift zu lesen war: "Make America Great Again". "Ich werde nicht zu viel darüber reden, aber ich denke, es ist eine wichtige Zeit", sagte Bosa bei der anschließenden Pressekonferenz. Seine Unterstützung für den ehemaligen Präsidenten ist seit Jahren bekannt.

Noch deutlicher wird Harrison Butker. Der Kicker des amtierenden Meisters Kansas City Chiefs hat jüngst bei Fox News öffentlich seine Unterstützung für Trump bekundet und ihn als "den Präsidenten, der am meisten für das Leben eintritt" bezeichnet. Mit "Leben" (Butkers Worte: "pro-life") meint der NFL-Profi, der für seinen starken christlichen Glauben bekannt ist, sein Ablehnen von Abtreibungen. Passend ist, dass Trump, der mit dem Thema Abtreibung ringt und Angst hat, damit viele Wähler an Harris zu verlieren, Butker nicht zu Kundgebungen einlud.

Trump genießt die derzeitigen NFL-Aufmerksamkeiten aber auch, weil er eine lange und schwierige Beziehung mit der Liga hat. Mehr als 30 Jahre lang wollte er unbedingt ein eigenes Team besitzen. Nachdem sein Angebot zum Kauf der Buffalo Bills im Jahr 2014 abgelehnt wurde, schwor er angeblich, sich auf epische Weise zu rächen. Das "Rolling Stone" Magazin veröffentlichte Ende September gar einen Artikel mit der Überschrift: "Ist Trumps gesamte politische Karriere nur ein verrückter Racheplan gegen die NFL?" Als er Präsident war, rief er die Öffentlichkeit zum Boykott der Liga auf, weil einige Spieler während der Nationalhymne knieten, um ihren Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus zu zeigen. Vorreiter Colin Kaepernick, damals Quarterback der 49ers, beschimpfte er als einen "Hurensohn".

NFL-Eigentümer spenden für Trump

So schwierig sein Verhältnis zur NFL auch ist, Trump umgibt sich gerne mit reichen und nach seinem Standard erfolgreichen Menschen. In diesem Fall die schwerreichen Besitzer der 32 Liga-Teams. Laut Forbes ist jede NFL-Franchise derzeit mindestens 4 Milliarden US-Dollar wert, wobei der Durchschnitt der Liga bei 5,7 Milliarden US-Dollar liegt. Die Mannschaften sind dazu wirtschaftlich äußerst profitabel.

Eine Analyse der Zeitung "USA Today" ergab, dass die Eigentümer von 31 NFL-Teams (die Green Bay Packers sind in öffentlichem Besitz) in diesem Wahlzyklus etwas mehr als 28 Millionen US-Dollar spendeten. Dies bedeutet eine Steigerung um das Siebenfache gegenüber dem Betrag, der im gleichen Zeitraum vor vier Jahren ausgegeben wurde. Der Großteil, etwa 83 Prozent, dieses Geldes ging an republikanische Kandidaten und Anliegen.

Trumps langjähriges Klüngeln mit der NFL-Elite trägt Früchte. Im Februar unterstützte ihn bei den Vorwahlen der Republikaner für die Präsidentschaftskandidatur unter anderem Woody Johnson, der Besitzer der New York Jets. Der Milliardär und Geschäftsmann war unter Trumps Präsidentschaft US-Botschafter im Vereinigten Königreich.

Washington-Regel sagt Harris-Sieg voraus

Robert Kraft, der milliardenschwere Besitzer des NFL-Teams New England Patriots, war ebenfalls lange bekannt für seine gute Freundschaft mit Trump. Nun fasste er in einem Radio-Interview aber überraschenderweise die Amtszeit des Republikaners im Weißen Haus mit den Worten zusammen: "Ich konnte es nicht glauben, es war, als würde jemand, der ein betrunkener Studentenverbindungsbruder war, Präsident der Vereinigten Staaten werden." Der Medienmogul gab weiter zu, dass er nach dem "bestürzenden" Capitol-Sturm vom 6. Januar die Verbindung zum ehemaligen Präsidenten abbrach. Auch Krafts ehemaliger Franchise-Quarterback, Superstar Tom Brady, hatte sich 2020 nach jahrelanger Freundschaft von Trump distanziert.

Nichts ist unpolitisch. Die stinkreiche NFL schon gar nicht. Kamala Harris nimmt die Unterstützungen gerne entgegen, Donald Trump das Geld und die Macho-Attitüden. Wem es am Ende hilft, verkünden die Wahlurnen. Aber eigentlich ist die US-Wahl ohnehin schon entschieden. So sehen das zumindest die Fans der Washington Commanders.

Als ihr Team am Sonntag mit einer Hail Mary in allerletzter Sekunde gewann, trat ihrer Meinung nach die sogenannte "Redskins-Regel" ein, die nach dem inzwischen verbotenen rassistischen Ursprungsnamen des Teams benannt ist. Sie besagt, dass seit dem Umzug des Teams von Boston nach Washington, D.C. im Jahr 1937 das Ergebnis der Wahl immer vom letzten Washington-Heimspiel vor der Wahl bestimmt würde. Wenn das Team aus der Hauptstadt gewinnt, bleibt die amtierende Partei im Amt, und wenn es verliert, gibt es einen Wechsel im Weißen Haus. Fast 60 Jahre hatte die Regel bestand, danach setzte sie hier und da mal aus. Am Dienstag wissen alle, ob sie noch gilt.

Quelle: ntv.de

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