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Nadals Selbstzerstörung endet Der spanische Stier spielte Tennis wie niemand zuvor

Das war's, in Malaga packt Rafael Nadal zum letzten Mal seine Tennistasche.

Das war's, in Malaga packt Rafael Nadal zum letzten Mal seine Tennistasche.

(Foto: IMAGO/Bildbyran)

Rafael Nadal rang lange um das perfekte Karriereende. Doch sein Körper zwang ihn immer wieder zu Pausen und Absagen. Beim Davis Cup wird er ein letztes Mal spielen. Und den Leuten zeigen, was sie künftig vermissen werden. Einen wie ihn gibt es nicht noch einmal.

In der französischen Monarchie mangelt es nicht an schillernden Königsfiguren. Es gab den "Dicken". Es gab den "Frommen". Es gab den "Löwen", den "Heiligen", den "Guten", den "Freundlichen", den "Wahnsinnigen". Und es gibt Rafael Nadal, den "Übermächtigen". Oder besser: Den "Übermächtigsten, den es je gab". Zumindest auf der roten Asche von Roland Garros. Kein Tennisspieler je zuvor und womöglich auch nie wieder, hat diesen heiligen Untergrund bei den French Open so sehr zu seinem Untertanen und Freund gemacht, wie der spanische Gigant. 14 Mal hat er das Turnier in Paris gewonnen. Und seit diesem Donnerstag ist nun in Stein gemeißelt, dass ein 15. Triumph auf keinen Fall mehr dazukommen wird. Denn im nächsten Monat endet die Karriere des Spaniers.

War sie groß? War sie riesig? War sie gigantisch? Kaum ein Wort wird dem gerecht, was Nadal in seinem Sport erreicht hat, was er seinem Sport gegeben hat. Er feierte 92 Turniersiege im Einzel, 11 waren es im Doppel. 1307 Matches hat er gespielt. Bei den Grand Slams jubelte er 22 Mal. Nur Novak Djokovic, neben Roger Federer der große Rivale des Spaniers, steht bei mehr Triumphen bei den großen vier Turnieren. Die Liste der Erfolge des 38-Jährigen lässt sich noch eine lange Zeit fortsetzen, über die Stationen Olympiasieger und Davis-Cup-Gewinner. Was aber eben einmalig ist und wohl bleiben wird: die 14 Triumphe in Roland Garros.

Spielen nur noch mit Einschränkungen möglich

Dass er der Geschichte seiner Unsterblichkeit in Paris noch ein weiteres großes Kapitel hätte hinzufügen können, galt aber ohnehin als unmöglich. Zu groß war in den vergangenen Jahren ein weiterer Rivale geworden, sein eigener Körper. Im emotionalen Video zu seinem Abschied deutete er, dass er gegen diesen Rivalen keinen Plan mehr fand, um zu gewinnen. Wie er zuvor so oft Pläne gefunden hatte, gegen Federer, Djokovic und wer sich ihm sonst noch in den Weg gestellt hatte.

"Die Realität ist, dass es einige schwere Jahre waren", sagte Nadal in dem Clip, den er in den sozialen Medien veröffentlichte. "Im Speziellen die letzten beiden. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage gewesen bin, ohne Einschränkungen zu spielen. Es ist offensichtlich eine schwierige Entscheidung, eine, die einige Zeit in Anspruch genommen hat." Nun tritt er im kommenden Monat noch einmal an, für Spanien im Davis Cup. Nach dem emotionalen Triumph 2004 mit Spanien soll sich für den 38 Jahre alten Nadal nun ein letzter Kreis schließen. Es wäre ein spektakuläres Ende einer unglaublichen Karriere. Er wird den Leuten zeigen, was sie künftig vermissen werden. Einen wie ihn gibt es nicht noch einmal.

So geht auch im Tennis eine Zeit zu Ende, die einfach nicht zu Ende gehen wollte. Roger Federer war schon durch die Hintertür geschlichen, weil auch ihm der perfekte Zeitpunkt nicht gegeben war. Jetzt geht Nadal. Und es wird auch keine Ewigkeiten mehr dauern, bis Djokovic das Racket beiseitelegt. Auch wenn es dem Serben tatsächlich zu gelingen scheint, den Ablauf der eigenen Tennis-Uhr deutlich zu verlangsamen. Drei Typen, die diesen Sport auf beeindruckende und einzigartige Weise geprägt haben. Federer, der diesem Spiel eine neue Leichtigkeit, eine neue Schönheit schenkte. Djokovic, der mit seiner Power und Spielintelligenz dominieren konnte, wie kaum jemand vor ihm.

Und Nadal, dessen mallorquinisches Kämpferherz, dessen Topspin, dessen Winkelspiel, die Welt verzauberte. Er veränderte das Spiel mit einer nie zuvor gesehenen Wucht, mit einer Unermüdlichkeit, mit der er seine Gegner in Grund und Boden rannte und mit einem unerschütterlichen Mut und einer unerschütterlichen Kraft des Kampfes. Dabei ist er eigentlich ein ängstlicher Mensch, wie seine Mutter einmal verraten hatte.

Gänsehaut-Moment mit schwer verletztem Zverev

Der charmante Federer wurde immer geliebt. Der gierige Djokovic, der so witzig sein kann, bestaunt, aber auch stets kritischer beäugt. Auch wegen seiner bisweilen obskuren Weltanschauungen. Und Nadal? Der hat den spektakulärsten Wandel des Trios hinter sich. Zu Beginn der phänomenalen Karriere fremdelten große Teile des Publikums mit seiner bissigen, aggressiven Art auf dem Platz. Sie konnten zwar anerkennen, was für ein furioses Tennis der Spanier spielt. Aber sie konnten sich nicht dafür begeistern, weil er nur die eine Seite von sich zeigte. Doch je länger er dabei war, je erfolgreicher er wurde, desto näher kam er den Menschen. Auch, weil er immer wieder menschliche Größe zeigte. In der Niederlage. Oder wenn es einem Gegner nicht gut ging. Wie einst gegen Alexander Zverev im Jahr 2022. Der Deutsche war nach einer überragenden Leistung im Halbfinale fatal umgeknickt, schrie vor Schmerzen und musste die Partie, die episch hätte werden können, abbrechen. Nadals Umarmung für Zverev, ein Gänsehaut-Moment.

Aber die Liebe und Anerkennung, die erfuhr Nadal auch zunehmend auf dem Platz. Weil er den Fans lieferte, wonach sie sich sehnten. Er lieferte epische Kämpfe und magische Momente. Momente der magischen Perfektion. Und womöglich hat er nie ein besseres Spiel gespielt als am 11. Oktober 2020 in Roland Garros. Im Herrenfinale der Giganten pulverisierte er Djokovic auf surreale Weise. Nein, der Serbe hatte an diesem Tag kein schlechtes Tennis gespielt. Er spielte sogar eigentlich gut. Und an einem Tag, der nicht der 11. Oktober 2020 gewesen wäre, hätte das, was Djokovic auf dem Court Philippe Chatrier anbot, womöglich gereicht, um diese French Open zu gewinnen. Doch der 11. Oktober 2020 war eben der Tag, an dem Rafael Nadal der Welt zeigte, wie perfekt ein Tennismatch sein kann. Mit 6:0 (!), 6:2 (!) und 7:5 donnerte der Spanier über den Serben hinweg. Andere ikonische Momente: Sein Finalsieg in Wimbledon 2008 gegen Federer, für viele Beobachter das beste Match aller Zeiten - oder das epische Endspiel von Melbourne gegen Djokovic 2012, das der Serbe nach 5:53 Stunden für sich entschied.

Aber begleitet wurde die große, Kräfte zehrende Karriere von Nadal von seinen gesundheitlichen Problemen. Schon 2005 wurde bei ihm das Müller-Weiss-Syndrom diagnostiziert, eine degenerative Knochenkrankheit, bei der sich das Kahnbein im Laufe der Zeit deformiert beziehungsweise zurückbildet. Dieses Syndrom hat dem 36-Jährigen wieder und wieder zugesetzt. Man möchte gar nicht daran denken, welch historische Marken er noch alle geknackt hätte, wo diese Legende mittlerweile stehen würde, wenn er nicht so anfällig gewesen wäre. Der streikende Körper wurde zu seinem größten Gegner. Vor ein paar Jahren bekannte er mal: "Ich habe mit einem betäubten Fuß gespielt, die Nerven wurden blockiert." Vor jedem seiner Spiele ließ er sich Spritzen gegen seine chronischen Beschwerden verpassen. Ein Irrsinn.

Ein paar letzte große Momente bei Olympia

Doch in Rafael Nadal steckte immer noch Rafael Nadal. Allerdings, das bekam die Tennis-Welt bei den Olympischen Spielen in Paris in diesem Sommer vor Augen geführt, nur noch in wenigen Momenten. Lange sah es beim Einzel in Roland Garros, in seinem Wohnzimmer, nach einer brutalen Demontage durch seinen großen Rivalen Novak Djokovic aus. Doch dann fand Nadal, der unermüdliche Kämpfer, für ein paar Minuten seinen inneren Rafael wieder. 1:6 und 0:4 lag er hinten, als er plötzlich aufdrehte. Seine Schläge landeten dort, wo sie landen sollten. Der Spanier scheuchte seinen serbischen Gegner über das Feld, wie zu besten Zeiten und kämpfte sich tatsächlich zum 4:4-Ausgleich. Die Sensation, das gigantische Comeback schien für winzige Augenblicke möglich. Das Publikum spürte das und tobte. Da waren sie plötzlich wieder, die ikonischen Momente, die Zauberschläge, mit denen der 38-Jährige in den vergangenen zwei Dekaden zum König von Paris geworden war. Vom jungen Rebellen zum royalen Liebling der Fans. Nun geht aber kaum noch etwas.

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"Vielen Dank, Rafa. Du hast die Tenniswelt zu einem besseren Ort gemacht", schrieb die deutsche Legende Boris Becker bei Instagram. Und Federer schrieb bei X von einer "absoluten Ehre", gegen Nadal spielen zu dürfen, und bedankte sich für "unvergessliche Erinnerungen. Ich habe immer gehofft, dass dieser Tag nie kommt".

Und diese Einsicht ist ein letzter großer Sieg für den Spanier, der sich so lange gequält hat. Solange um den perfekten Abgang rang. "Ich glaube, dass es der geeignete Zeitpunkt ist, die Karriere zu beenden, die lang und viel, viel erfolgreicher war, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Aber ich bin sehr aufgeregt, dass mein letztes Turnier das Davis-Cup-Finale sein wird, bei dem ich mein Land repräsentiere. Ich glaube, es schließt sich ein Kreis, eine meiner ersten großen Freuden im Tennis war das Davis-Cup-Finale in Sevilla 2004", sagt er in seinem Video. "Ich fühle mich super, super glücklich, dass ich all die Dinge erleben durfte. Ich möchte der gesamten Tennisbranche danken. Allen Menschen, die in diesem Sport involviert sind, meinen langjährigen Kollegen, vor allem meinen großen Rivalen. Ich habe mit ihnen so viele Stunden verbracht und viele Momente erlebt, an die ich mich für den Rest meines Lebens erinnern werde."

Quelle: ntv.de

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