Bester Karriereabgang möglich Würdevoll demontiert: Rafael Nadals Zeit ist abgelaufen

War's das für Rafael Nadal?

War's das für Rafael Nadal?

(Foto: IMAGO/Bildbyran)

Rafael Nadal kämpft wie ein Löwe, der langjährige Sandplatzkönig quält sich bis zum letzten Punkt - und ist in einem lange einseitigen Gigantenduell bei den Olympischen Spielen doch letztlich chancenlos. War es das nun für den Spanier?

In Rafael Nadal steckt immer noch Rafael Nadal. Allerdings, das bekam die Tennis-Welt am Montagmittag vor Augen geführt, nur noch in wenigen Momenten. Lange sah es beim olympischen Einzel in Roland Garros, in seinem Wohnzimmer, nach einer brutalen Demontage durch seinen großen Rivalen Novak Djokovic aus. Doch dann fand Nadal, der unermüdliche Kämpfer, für ein paar Minuten seinen inneren Rafael wieder. 1:6 und 0:4 lag er hinten, als er plötzlich aufdrehte. Seine Schläge landeten dort, wo sie landen sollten. Der Spanier scheuchte seinen serbischen Gegner über das Feld, wie zu besten Zeiten und kämpfte sich tatsächlich zum 4:4-Ausgleich. Die Sensation, das gigantische Comeback schien für winzige Augenblicke möglich. Das Publikum spürte das und tobte.

Da waren sie plötzlich wieder, die ikonischen Momente, die Zauberschläge, mit denen der 38-Jährige in den vergangenen zwei Dekaden zum König von Paris geworden war. Vom jungen Rebellen und royalen Liebling der Fans. Die hatten sich auch an diesem Montag voll auf die Seite des Spaniers geschlagen. Djokovic gefiel das nicht. Als er den Lauf von Nadal gestoppt hatte, als er ihn breakte und im zweiten Satz mit 5:4 in Führung gegangen war, machte er eine hämische Ohrgeste in Richtung des Publikums. Djokovic will geliebt werden, wie sein ewiger Rivale. Doch in Paris geht das nicht. Die Asche von Roland Garros gehört nur einem: Rafael Nadal.

"Novak hat viel besser gespielt als ich"

Nein, sie gehörte Rafael Nadal. An diesem Montag bekam er eindrucksvoll den Weg zum Ausgang gezeigt. Die Zeit des Spaniers ist abgelaufen. So wie die Zeit von Roger Federer vorbei ist. Nadal, Federer und Djokovic, das sind die großen Drei des Sports. Nie zuvor in dieser Sportart gab es einen so spektakulären Kampf um die Krone. Federer, der Gentleman. Nadal, der unermüdliche Kämpfer. Djokovic, die polarisierende Tennismaschine. Einzig bei ihm, beim Serben, scheint der Kampf gegen die Zeit langsamer zu verlaufen, als bei anderen großen Sporthelden. Mit seinem 38 Jahren ist er noch voll auf der Höhe, träumt vom ersten Olympia-Gold. Sein wohl größter Konkurrent: Carlos Alcaraz, der junge Spanier, der Nadal-Erbe.

Wie aber geht es weiter für den erfolgreichen Mallorquiner, der die French Open an gleicher Stelle 14 Mal gewonnen hatte und nun in Roland Garros so chancenlos war, wie nie zuvor? Er selbst will es noch nicht verraten: "Wenn dieses Turnier vorbei ist, werde ich anhand meiner Gefühle die notwendigen Entscheidungen treffen." Noch ist es für ihn nicht vorbei, noch ist er im Doppel an der Seite von Alcaraz im Rennen. Aber klar ist: Die Ziellinie der Karriere rückt für Nadal immer näher. Sein Körper ist kaum noch in der Lage, die Belastungen des Spitzensports auszuhalten. In Roland Garros stellte sein Oberschenkel so lange Zeit den Einzelstart infrage. Er selbst sagte nach seinem mühevollen Erstrundensieg gegen den Ungarn Marton Fucsovics, dass er in den vergangenen beiden Jahren nicht mehr "sehr wettbewerbsfähig" gewesen sei.

"Ich konnte ihn nicht in schwierige Situationen bringen", gestand der 38-Jährige nach seiner erst fünften Pleite am Ort der French Open ein, demgegenüber stehen unfassbare 113 Siege. "Novak hat viel besser gespielt als ich - vom Anfang bis zum Ende. Ich kann ihm nur gratulieren." Und sich selbst fragen, ob er die Dinge auf dem Platz wirklich nochmal ändern kann. Womöglich würde die Diskussion über sein nahes Karriereende nun gar nicht geführt werden, hätte er das Momentum im zweiten Satz genutzt. Nach einer langer Rallye hatte er einen Schmetterball von Djokovic spektakulär abgewehrt und ihn vor die Füße des Serben am Netz gespielt, der brachte den Ball nochmal zurück, ehe Nadal ihn mit einer peitschenden Vorhand an ihm vorbeihämmerte - 4:4, Nadal machte große Gesten, das Publikum tobte und Djokovic ging in sich.

Der Champion schlägt als Champion zurück

Es war der einzige Moment, wo dieses Spiel hätte kippen können. Doch der Serbe ist ein großer Champion und antwortete als dieser. Gegen die plötzlich heißen Emotionen seines Gegners und der Fans stellte er die eiskalte Gnadenlosigkeit seines Spiels. Er schnappte sich das Break zum 5:4 und beendete das Spiel mit einem Ass. Am Netz kam es zu einer kurzen Umarmung, eine Geste des Respekts. Sie wirkte wenig herzlich, später aber fand Djokovic große Worte für seinen Gegner: "Es ist schade, dass Rafa nicht auf seinem besten Level war", sagte die Nummer eins der Setzliste, die nun gegen den deutschen Profi Dominik Koepfer im Achtelfinale spielt: "Ich habe aber auch alles versucht, damit er sich möglichst nicht wohlfühlt. Ich hoffe im Sinne der Rivalität und des Sports im Allgemeinen, dass wir uns zumindest einmal oder einige Male noch gegenüberstehen werden. Je mehr er spielt, desto mehr gewinnt das Tennis."

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60 Mal haben die beiden gegeneinander gespielt, 31 Mal hat der Serbe gewonnen. Aber wohl keine Niederlage dürfte Nadal so sehr quälen wie diese. Weil er so chancenlos war, in seinem Wohnzimmer. Mit seinem nahezu fehlerfreien und intelligenten Spiel zermürbte der Serbe den Spanier. Auf Asche hatte man das selten gesehen.

Noch bietet sich Nadal der beste Weg zum Karriereende. Im Doppel kann er mit Alcaraz Gold gewinnen. Mehr wird für den körperlich schwer gezeichneten Superstar kaum noch möglich sein. Er würde "daheim", auf seiner Asche, den Staffelstab des Erfolgs an seinen designierten Nachfolger übergeben. Und er hätte im Einzel gegen seinen großen Rivalen verloren, er hatte sich als kämpfender Löwe dagegengestemmt, letzte ikonische Momente geschaffen. Auch wenn es ein bitterer Abgang wäre, es wäre ein großer. Wenn schon nicht mit einem mächtigen Einzelsieg gehen, dann doch nach einer am Ende doch noch würdevollen Niederlage gegen den Besten der Welt, der ist Djokovic, zumindest gemessen an der Anzahl seiner Grand-Slam-Siege. 24 hat er, 22 hat Nadal.

Quelle: ntv.de

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