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Tennis-Drama bei French Open Eine Verletzung, die Zverev schadet - und hilft

Alexander Zverev am Boden.

Alexander Zverev am Boden.

(Foto: AP)

Alexander Zverev scheitert wieder an seinem großen Traum. Wieder einmal verpasst er den Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier. Doch dieses Mal ist das Scheitern besonders bitter. Allerdings nicht nur aus sportlicher Sicht, denn seine Reise bei den French Open dient auch der Rehabilitation.

Als Alexander Zverev auf Krücken nochmal den Court Philippe Chatrier betrat, wurde er vom Publikum mit lauten Sprechchören gefeiert. Wie ein Held. Ein tragischer. Die Umarmung mit seinem Gegner, mit Rafael Nadal, sie war ein Gänsehaut-Moment. So stark die Schmerzen des deutschen Tennisstars waren, so groß war auch das Mitleid des spanischen Giganten, der bei den French Open eigentlich nicht zu schlagen ist und in diesem spektakulären Halbfinale dennoch wankte. Die Beiden hatte sich über drei Stunden ein bemerkenswertes Match geliefert, ehe Zverev auf der roten Asche wegrutschte, sein rechter Fuß auf grausame Weise umknickte und der 25-Jährige vor Schmerzen schrie. Was für ein tragisches Ende einer deutschen Heldenreise.

Sie endete eine Runde vor dem Finale, sie endete wieder kurz vorm Triumph bei einem Grand Slam, sie endete, bevor Zverev nach dem Spitzenplatz in der Weltrangliste greifen konnte. All das tut schon reichlich weh. Und die Diagnose, wie schwer seine Verletzung wirklich ist, steht ja noch aus. Womöglich droht dem besten deutschen Tennisspieler eine lange, eine sehr lange Pause. Er selbst hat das via Instagram bereits angedeutet und legte nach: "Nach den ersten medizinischen Untersuchungen sieht es so aus, als hätte ich mir mehrere Bänder im rechten Fuß gerissen." Sein Bruder und Manager Mischa sagte bei einem Instagram live von Eurosport: "Er sieht am Montag ein paar Ärzte in Deutschland und dann wissen wir mehr." Es bestehe noch die Hoffnung, dass nichts gebrochen sei, sagte der Ex-Profi, es sehe aber nicht so gut aus. Für die sportlichen Ambitionen seines Bruders wäre das eine Katastrophe.

Nadals tröstende Worte

Nadal fühlte ebenfalls mit Zverev. "Ich hoffe, er ist nicht ganz so schwer verletzt und es ist nichts gebrochen", sagte der Spanier, der sich seinen erneuten Einzug ins Finale von Roland Garros auch ganz anders vorgestellt hatte. Zwar wurde der Spanier an seinem 36. Geburtstag von den Fans gefeiert, richtige Freude wollte bei ihm nach Zverevs Aufgabe aber nicht aufkommen. "Ich weiß, wie sehr er darum kämpft, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Ich bin mir sicher, er wird nicht nur eines, sondern mehrere gewinnen", sagte er über Zverev. Sehr willkommener Balsam für die Schmerzen der neuen Nummer zwei der Weltrangliste. Die ist der Deutsche ab Montag, wenn das neue Ranking veröffentlicht wird.

Aber es gibt eben noch eine zweite Dimension seiner Verletzung. Denn Zverev, der oft so unnahbar, bisweilen unbeherrscht wirkt, der in deutschen Öffentlichkeit (bislang) nie den mitreißenden oder gar geliebten Status erlangte, wie der junge Boris Becker etwa, offenbarte am Freitagabend in Paris eine andere Seite. Eine Seite der großen Gefühle, der positiven Emotionen. Wie er nochmal aus der Kabine zurückkam, sichtlich unter Schock, sich beim Publikum für die Unterstützung, für den aufmunternden Beifall bedankte, das hatte Größe.

Diese Größe hatte er in seiner Karriere nicht immer gezeigt. Seine erfolgreiche Zeit auf dem Court ist gepflastert mit kleinen und großen Ausrastern. Über viele Triaden wurde hinweggesehen, auch wenn das Land mit seinem Tennisstar immer fremdelte. Nicht mehr hinweggesehen wurde indes über seine enthemmte Prügelattacke gegen den Schiedsrichterstuhl Ende Februar beim Turnier in Acapulco. Ja, Zverev gab sich schnell reumütig, aber sein Image hatte er in diesem Moment endgültig zerschmettert. "Es ist schwer in Worte zu fassen, wie sehr ich mein Verhalten während und nach dem gestrigen Doppel bereue", schrieb er bei Instagram. "Es hätte einfach nicht passieren dürfen, und es gibt keine Entschuldigung."

Bemerkenswerte Einsichten

Wieder einmal. Zverev hängt seit Jahren der Ruf an, ein Rüpel auf dem Platz zu sein. Einer, der seine Emotionen in wütenden Aktionen entlädt. Anfang Mai gab er überraschende Einblicke in seine Gefühlsleben. Der Weg, den seine Karriere in den letzten Monaten genommen hat, war für ihn nicht zufriedenstellend. "Ich bin nicht glücklich mit dem Status, den ich derzeit als Tennisspieler habe. Aber ich bin da, wo ich bin", gab er zu und konkretisierte: "Ich muss mit vielen Dingen klarkommen, die nicht unbedingt etwas mit Tennis zu tun haben. Ich hoffe, ich kann mich wieder voll auf Tennis fokussieren, um wieder ein besserer Spieler zu werden."

Die vergangenen Jahre hatten es für den gebürtigen Hamburger in sich. 2020 tauchten imageschädigende Bilder auf, die ihn bei einer Party in seiner Wahlheimat Monte Carlo zeigten, zu einem Zeitpunkt, an dem er sich nach eigener Aussage in Corona-Quarantäne hätte befinden müssen. Auch seine Teilnahme an der umstrittenen Adria-Tour der umstrittenen Tennis-Legende Novak Djokovic während der Pandemie brachte ihm viel Kritik ein. Seit 2020 stehen Vorwürfe häuslicher Gewalt von Ex-Freundin Olga Sharypova im Raum, die Beziehung zu seiner Ex-Partnerin Brenda Patea, mit der Zverev eine gemeinsame Tochter hat, ist zumindest angespannt.

Zverev ermahnt sich zum richtigen Fokus

Der Olympiasieg 2021 schien das Ruder endlich herumreißen zu können, aber spätestens als Zverev in Acapulco den Schiedsrichter beleidigte und attackierte, offenbarte sich einmal mehr sein extrem dünnes Nervenkostüm. Dass es dringend Zeit für eine richtige Wende wird, hob Zverev beim "Tennis Channel" hervor: "Die Karriere eines Tennisspielers ist zeitlich limitiert. Wenn man jung ist, denkt man sich: 'Ach, ich habe ja noch genug Zeit, ich bin eher Jäger als Gejagter. Das hat sich geändert. Ich sollte meine Konzentration ab jetzt dem Tennissport widmen."

Bei den French Open hat das auf bemerkenswerte Weise geklappt. Auch bei den Turnieren zuvor wirkte er sehr fokussiert - und spielte stark. Waren die ersten Runden in Paris zäh, überzeugte er spätestens im Viertelfinale gegen die spanische Tennis-Sensation Carlos Alcaraz und dann im Halbfinale gegen Nadal. Wie tragisch, dass Zverev sich ausgerechnet in einem der stärksten Momente der jüngeren Tennis-Vergangenheit für sehr viel rehabilitieren konnte, was ihn zuvor in seiner Karriere schiefgegangen war, was ihn viel Liebe, Zuneigung, und, ja, auch Respekt gekostet hatte.

Quelle: ntv.de

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