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Nach Pietreczko-Aus bei Darts-WM "In vier Jahren Weltmeister, wenn es so weitergeht"

Ohne Chance: Ricardo Pietreczko erlebt im Achtelfinale der Darts-WM ein Desaster.

Ohne Chance: Ricardo Pietreczko erlebt im Achtelfinale der Darts-WM ein Desaster.

(Foto: PDC/Simon O'Connor)

Runde 3 beim Debüt, Runde 4 in diesem Jahr. Die Richtung stimmt bei Ricardo Pietreczko. Doch der 30-Jährige ist als letzter Deutscher bei der Darts-WM krachend im Achtelfinale ausgeschieden. Im Anschluss berichtet "Pikachu" von einem Lagerkoller, kann über seine blamable Niederlage aber schon wieder lachen.

Der "Ally Pally" war noch gar nicht geöffnet, die Bierfässer noch nicht angestochen und die Fans noch in ihren Hotelzimmern, da ist Ricardo Pietreczko schon klar geworden: Heute wird das nichts. Der letzte verbliebene Deutsche bei der Darts-Weltmeisterschaft 2025 im Londoner Alexandra Palace sollte mit dieser Einschätzung recht behalten. Nach einem miserablen Auftritt scheidet Pietreczko im Achtelfinale der WM aus.

Gegen Nathan Aspinall ist "Pikachu" an diesem Montag chancenlos. Der "tagesformabhängige Spieler" - mit diesen Worten hatte sich Pietreczko nach seinem beeindruckenden Drittrunden-Sieg zwei Tage zuvor selbst bezeichnet - spürt das sofort. Noch bevor er den ersten Dart geworfen hat. "Ich bin heute Morgen aufgestanden und habe mich schon nicht gut gefühlt. Mir taten alle Knochen weh. Das klingt komisch, wenn das ein 30-Jähriger sagt", so Pietreczko, der vor Ort trotz seiner Niederlage ausführlich Rede und Antwort stand. "Ich habe früh gemerkt, dass Nathan heute unbezwingbar ist", sagte Pietreczko, der mit seiner Form aus den ersten drei Runden aber hätte weiterkommen können.

Die Redebereitschaft trotz Niederlage ist durchaus bemerkenswert, weil Dartprofis nach Niederlagen keine Pressekonferenzen geben müssen. Pietreczko aber stellte sich nach seinem schwachen Spiel, wollte die Schilderungen zu seinem verkorksten Tag aber explizit nicht als Ausrede verstanden wissen. Aber, wie immer, hielt er seine Gedanken nicht hinter dem Berg, versteckte sich nicht in leeren Phrasen. "Meine Freundin und ich sind schon seit dem 15. Dezember hier. Ich bin während der Saison häufig in Hotels, aber dann eben zwischendurch immer mal zu Hause. Wochenlang im Hotel zu sein, wochenlang die harten Betten, das ist dann schon schwierig", berichtete Pietreczko von einer Art Lagerkoller.

Buhrufe für Ricardo Pietreczko

Dieser Zustand begünstigte offenbar die schlechte Tagesform des letzten Deutschen im Turnier. Hoffnungen haben die deutschen Fans nur in den ersten Minuten des Spiels. Das erste Leg gewinnt Pietreczko. Doch der Deutsche verpasst das schnelle 2:0 im ersten Satz. Gleich zwei Möglichkeiten auf Doppel lässt "Pikachu" aus. Ungewöhnlich für den Weltranglisten-34., der in seinen ersten drei WM-Spielen jeweils über 50 Prozent seiner Doppel getroffen hatte. Das verpasste 2:0 im ersten Satz bringt Pietreczko sofort aus der Spur. Aspinall, der am Anfang ebenfalls unpräzise spielt, gewinnt stattdessen an Selbstvertrauen. Der erste Satz geht wenig später souverän mit 3:1 an die Nummer 12 der Darts-Weltrangliste.

Aspinall bringt die Partie früh unter Kontrolle. Pietreczkos erster Dart landet permanent deutlich unter- oder oberhalb des Triplefelds. Wenn überhaupt, bekommt der Wahl-Hannoveraner höchstens einen Dart auf Doppel pro Leg. Die wenigen Chancen reichen nicht für einen Leggewinn. Das Publikum tut sein Übriges: Immer, wenn Pietreczko eine Chance zum Leggewinn hat, buhen die englischen Fans lautstark. Siege gegen Deutsche schmecken den Engländern im "Ally Pally" besonders gut.

Zudem ist Aspinall ist einer von vielen Publikumslieblingen bei der Darts-WM. Der Walk-On-Song des 33-Jährigen - "Mr. Brightside" von "The Killers" - tut sein Übriges. Außerdem verkörpert Aspinall mit seinem Auftreten und seiner Herkunft perfekt die britische Arbeiterklasse, ungeachtet seiner eingespielten Preisgelder im Millionenbereich. Diese Attitüde kommt gut an beim Darts-Publikum.

"Es war für mich sehr schwierig, nach seinem Walk-On abzuschalten. Und dann ist es auch noch der Lieblings-Walk-On von meiner Freundin", plauderte Pietreczko mit Blick auf Freundin Lena aus dem Nähkästchen und deutete an, dass Aspinall auch im Hause Pietreczko gemocht wird.

Keine Chance auf ein Comeback

Es sind Randgeschichten wie diese, die von diesem Achtelfinale in Erinnerung bleiben werden. Die eigene Leistung würde Pietreczko am liebsten von der Festplatte löschen. Auch im zweiten Satz läuft es weiter katastrophal. Aspinall gewinnt den Durchgang mit 3:0, führt in den Sätzen mit 2:0 und ist auf dem halben Weg zum Sieg. Zwar hat die Darts-WM schon krassere Comebacks erlebt, doch davon ist an diesem Nachmittag absolut gar nichts zu spüren.

Die besondere Magie, die dieser Ort im Londoner Norden entfalten kann, ist nicht vorhanden. Zu eindeutig läuft das Spiel. Bemerkenswerter sind die Randgeschichten: Die kleine Tochter von Nathan Aspinall spielt während des Matches ihres Vaters auch Darts, allerdings auf dem Tablet, während sie neben Mama Aspinall sitzt. PDC-Geschäftsführer Matt Porter begrüßt in der Satzpause als Cowboy und Nonne verkleidete Bekannte im Publikum.

Spielerische Highlights? Gibt es dagegen nicht, zumindest nicht aus deutscher Sicht. Aspinall muss nicht mehr anbieten als nötig, um die Partie glanzlos nach Hause zu bringen. Ab und an eine 180 für die Fans, ein Highlight-Checkout mit zwei Darts in der Doppel 20. Das war's. Auch der dritte Satz geht zu null an den Engländer, im vierten Satz gewinnt Pietreczko immerhin noch eine Art Ehrenleg. Mehr aber auch nicht.

Pietreczko ein seltsamer Typ? "Kann ich nachvollziehen"

Nach dem Spiel hat Aspinall ein paar nette Worte für Pietreczko übrig: "Er ist ein netter Junge. Er muss und wird aus dem heutigen Tag lernen und wird stärker zurückkommen." Zwei Tage zuvor hatte Aspinall seinen deutschen Gegner noch als "seltsamen Typen" bezeichnet. "Heute habe ich mehr mit ihm gesprochen als in meiner ganzen Karriere."

Pietreczko war nach der Niederlage auch nicht nachtragend, angesichts des Aspinall-Kommentars im Vorfeld. Der Deutsche kann die Aussagen Aspinall sogar nachvollziehen. "Ich spreche kein gutes Englisch, ich bin sehr zurückhaltend, gerade gegenüber englischen Spielern. Deshalb kann man mich tatsächlich als ein bisschen seltsam auffassen."

Der "seltsame Typ" kann trotz der Achtelfinal-Klatsche aber insgesamt positiv auf seine zweite Weltmeisterschaft zurückblicken. Nach Runde 3 im Vorjahr beim Debüt steht diesmal Runde 4 auf der Habenseite. "Das muss mir erstmal jemand nachmachen", sagte Pietreczko völlig zurecht, schließlich ist er nach Gabriel Clemens (2021 und 2023) erst der zweite Deutsche in der Geschichte der Darts-WM, der in die Runde der letzten 16 eingezogen ist. Und wenige Minuten nach seinem Ausscheiden konnte Pietreczko auch schon wieder lachen. "In vier Jahren haben wir einen Weltmeister, wenn es immer so weitergeht", unkte "Pikachu" und meinte damit dem Gesetz der Serie folgend - na klar - sich selbst.

Quelle: ntv.de

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