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"Rien ne va plus" beim NFL-Klub Raiders als schlechteste Show des Spielerparadieses Las Vegas

Dieser Fan hat seinen Willen bekommen. Trainer Josh McDaniels ist entlassen.

Dieser Fan hat seinen Willen bekommen. Trainer Josh McDaniels ist entlassen.

(Foto: IMAGO/Icon Sportswire)

Sie sind in der selbst ernannten "Entertainment Capital of the World" zu Hause. Doch die Las Vegas Raiders sind derzeit die schlechteste Show der Stadt. Deshalb wurden Trainer und Manager entlassen - und der vermeintliche Star-Quarterback auf die Bank gesetzt.

Las Vegas, das ist Geld, Glitzer, Glücksspiel, Fantasie und Fiktion - alles in einem. Und einmalig in den USA. Hier, im Unterhaltungs-Mekka mitten in der Wüste von Nevada, werden Illusionen geschürt, manche Träume wahr und andere zerstört. Hier ist immer Entertainment. 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr.

Doch hier ist ausgerechnet das American Football Team derzeit das Langweiligste und Schlechteste, was "Sin City" zu bieten hat. Die Las Vegas Raiders weisen nach acht Spielen eine Bilanz von 3:5 auf. Sie sind das komplette Gegenteil von dem, was Las Vegas ausmacht, denn sie bieten nichts Magisches, keinerlei Zauber, null Unterhaltung. Nein, sie sind eine Show, die keine ist und die Mark Davis einfach nicht mehr sehen konnte.

"Haben uns zurückentwickelt"

"Wir haben uns zurückentwickelt", meinte der Vereins-Besitzer am Dienstag. Ausgerechnet an Halloween hatte Davis den Albtraum beendet und Trainer Josh McDaniels sowie Manager Dave Ziegler fristlos entlassen. Beide hatten nach nur einem Jahr und neun Monaten im Spielerparadies ausgespielt. "Rien ne va plus" - nichts geht mehr.

Tags zuvor hatten die Raiders das Monday Night Game bei den Detroit Lions 14:26 verloren. Es war eine Niederlage, die "viel eindeutiger war, als es das Ergebnis ausdrückt", hieß es beim Online-Portal The Athletic. Als Wide Receiver Davante Adams anschließend vor die Presse trat, sagte er lediglich, dass er "in diesem Moment wirklich nicht" wisse, was er sagen solle. Doch das wiederum war vielsagend für die Situation bei den Raiders.

Hohe Pleiten, harmlose Offensive

Die enttäuschende Leistung in Detroit war einer von vielen peinlichen Auftritten in dieser Saison - und die ist noch nicht einmal zur Hälfte vorbei. Doch war es auch der Tiefpunkt? Schwer zu sagen. Denn die Auswahl ist groß. Da war zum Beispiel das 10:38-Debakel am 17. September bei den Buffalo Bills. Dann die 12:30-Demütigung am 22. Oktober bei den Chicago Bears, die nur eines ihrer vorangegangenen 16 Spiele gewonnen hatten.

Oder ist vielleicht die Tatsache, dass die neu getunte Raiders-Offensive in ihren acht Spielen nur beim 21:17-Heimsieg gegen die New England Patriots mehr als 18 Punkte erzielte, der eigentliche Schlag in die Magengrube für alle Raiders-Fans?

Hoffnung auf Magie aus New England in Las Vegas

Dabei war Mark Davis so zuversichtlich gewesen, als er am 30. Januar 2022 Ziegler verpflichtete - und einen Tag später McDaniels. Er hatte gehofft, dass das Duo etwas von der Gewinner-Mentalität, dem Sieger-Gen und der Magie der New England Patriots die knapp 4400 Kilometer hinüber nach Las Vegas bringen würde. McDaniels gehörte schließlich bei allen sechs Super-Bowl-Triumphen der Patriots zum Trainerstab von Bill Belichick, war bei den Erfolgen 2015, 2017 und 2019 jeweils Offensive Koordinator gewesen.

Wie sehr Davis McDaniels vertraute, zeigt die Vertragslaufzeit von sechs Jahren. Mehr als vier Jahre davon stehen noch aus - und Las Vegas ist verpflichtet, McDaniels bis 2028 zu bezahlen. Ziegler arbeitete ab 2013 zunächst in New Englands Scouting-Abteilung und war zuletzt als Director of Player personell an der Zusammenstellung des Teams beteiligt.

Davante Adams aus Green Bay geholt

Eine ihrer ersten Amtshandlungen in Las Vegas war gleich ein Hinhörer. Sie verpflichteten Adams, der bei den Green Bay Packers die Lieblings-Anspielstation von Quarterback Aaron Rodgers war. Adams und Hunter Renfrow als Wide Receiver, Runningback Josh Jacobs und Tight End Darren Waller - das war reichlich Qualität, die Spielmacher Derek Carr da zur Verfügung hatte. Trotzdem gewannen die Raiders in der Saison 2022 nur 6 ihrer 17 Spiele.

Als Konsequenz bauten Ziegler und McDaniels im Frühjahr die Offensive um. Carr musste gehen, dafür kam Jimmy Garoppolo von den San Francisco 49ers, den beide bereits aus gemeinsamen Tagen in New England kannten. Auch Wide Receiver Jakobi Meyers hatte bei den Patriots schon unter McDaniels gespielt. Zudem verließ Waller den Verein Richtung New York Giants, an seine Stelle rückte der 22-jährige Michael Mayer, den Las Vegas im Frühjahr in der zweiten Runde gedrafted hatte.

Miserable Offensiv-Statistiken

Trotzdem wurden die Ergebnisse nicht besser, sondern schlechter. In den acht Saisonspielen erzielte die Raiders-Offensive im Schnitt 15,7 Punkte pro Partie - das ist der drittschlechteste Wert aller 32 Vereine. Auch die 268,3 Yards Raumgewinn pro Spiel (31.) und die 4,6 Yards Raumgewinn pro Spielzug (27.) verdeutlichen, wie schwach der Angriff ist. Das Laufspiel existiert quasi nicht und Garoppolo spielte eher wie ein Neuling und nicht wie jemand, der seit 2014 in der NFL ist und 87 Partien absolviert hat.

Der Quarterback hatte im Frühjahr einen Drei-Jahres-Vertrag für 72,75 Millionen Dollar unterschrieben. Er sollte die unangefochtene Nummer eins auf seiner Position in Las Vegas sein. Doch nun sitzt er wieder auf der Bank. Garoppolo galt einst bereits in New England als großes Talent und potenzieller Nachfolger von Tom Brady, kam aber einfach nicht am Superstar vorbei.

Rookie erhält Vorzug vor Garoppolo

Vor sechs Jahren wechselte er zu den San Francisco 49ers, wurde dort aber immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Es gibt mittlerweile nicht wenige, die meinen, er sei einfach nicht hart genug für die NFL. In dieser Saison fiel der Playmaker zweieinhalb Partien wegen einer Gehirnerschütterung und Rückenproblemen aus. Doch selbst, wenn er spielte, spielte er schlecht. Nur 65,5 Prozent seiner Pässe kamen an, seine neun Interceptions in nur fünfeinhalb Partien sind Ligaspitze.

Anstelle von Garoppolo wird nun Aidan O'Connell spielen, ein Rookie, den die Raiders im Frühjahr in der vierten Runde gedrafted hatten. "Wir denken, dass er uns die besten Chancen gibt", sagte Antonio Pierce am Mittwoch. Der 45-Jährige, der bislang für die Linebacker zuständig war, wurde zum Interimscoach befördert.

Er ist der zwölfte Coach der Raiders in den vergangenen 20 Jahren - bei keinem anderen NFL-Team ist auf dem Trainerstuhl in diesem Zeitraum so viel rotiert worden. Pierce gibt sein Debüt am Sonntag ausgerechnet gegen die New York Giants, mit denen der ehemalige Linebacker 2007 den Super Bowl gewann. Die Aufgaben von Manager Ziegler übernimmt dessen bisheriger Assistent, Champ Kelly. Er war ohnehin Mark Davis' Favorit für diesen Posten gewesen. Doch McDaniels hatte 2022 darauf gedrängt, Ziegler aus New England mitbringen zu dürfen.

Verunsicherte Mannschaft, vollmundige Worte

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"Es ist ein neuer Tag, ein neues Kapitel, eine neue Ära, eine neue Einstellung", betonte Pierce. Er sprach von "Leidenschaft, Einsatz, Energie" und von einem "Bekenntnis zur Spitzenleistung". Das Team, so Pierce, werde alles geben, damit die Fans wieder stolz sein könnten.

Das klingt erst einmal nicht schlecht, ist aber nichts anderes als der Standard-Wortlaut eines jeden Trainers, der einen Scherbenhaufen vorfindet und daraus irgendwie eine wunderschöne Vase formen soll. Einerseits ist die Mannschaft ziemlich verunsichert. Und andererseits ist es halt Las Vegas. Hier ist es ein seit Jahrzehnten erfolgreiches Business-Modell, viel zu versprechen, Hoffnungen zu schüren, Illusionen zu wecken. Der Fantasien sind in der selbst ernannten "Entertainment Capital of the World" keine Grenzen gesetzt. Doch vieles bleibt eben auch Fiktion.

Quelle: ntv.de

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