Sport

Teure Fehlentscheidung Zverev findet in der großen Enttäuschung große Worte

Alexander Zverev verliert auch das zweite Grand-Slam-Finale seiner Laufbahn. Ein Baustein ist dabei eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Der deutsche Tennisprofi aber will daraus keine große Sache machen.

Am Ende eines großen "Gladiatorenkampfes", wie Tennis-Legende Boris Becker beschrieb, was er im Endspiel der French Open gesehen hatte, war Alexander Zverev geschlagen. Der Hüne saß auf dem gewaltigen Court Philippe-Chatrier auf seiner Bank, kämpfte mit seinen Gefühlen hart, wie er zuvor mit Carlos Alcaraz gekämpft hatte. Der Spanier war Sekunden nach dem verwandelten Matchball vom Platz in seine Box gestürmt, Zverev schaute ins Nichts. Er saß nach mehr als vier Stunden Spielzeit mit leeren Händen da: 3:6, 6:2, 7:5, 1:6, 2:6 verlor der 27-Jährige das zweite Grand-Slam-Finale seiner Laufbahn.

Damals, im Endspiel der US Open 2020, hatte Zverev die Hand schon am Siegerpokal: Zwei Sätze Vorsprung hatte er gegen Dominic Thiem herausgespielt, im Tiebreak des fünften Satzes fehlten ihm nur zwei Punkte zum großen Triumph. Dann ging alles schief, Thiem gewann und Zverev war schwer geschlagen. Eine Niederlage, an der er lange zu knabbern hatte, weil er, wie er sich nun wieder erinnerte, den Sieg "weggegeben hatte".

Ein teurer Fehler

Auch die Finalniederlage von Roland Garros 2024 könnte frustrierend sein, über die sportliche Enttäuschung hinaus. Denn da gab es diese Szene im fünften Satz, die das Match letztlich zumindest mitentschied: Nach einem frühen Break hatte sich der körperlich sichtbar kämpfende Zverev die Chancen zum direkten Re-Break erarbeitet. Und nutzte die Zweite! Alcaraz hatte seinen siebten Doppelfehler des Nachmittags serviert, der Linienrichter hatte den zweiten Aufschlag des Spaniers Aus gegeben.

Doch Stuhlschiedsrichter Renaud Lichtenstein überstimmte die Entscheidung, gab Alcaraz zwei neue Aufschläge und damit die Chance, doch noch zum 3:1 wegzuziehen. Zverev konnte nicht mehr zurückschlagen. Besonders bitter: Wie das Hawk Eye, das bei anderen großen Turnieren die Linienrichter bereits ersetzt hat, zeigte, dass der umstrittene Ball tatsächlich minimal im Aus war.

Aber Zverev zeigte weit nach dem Matchball Größe - und wollte weder dem Schiedsrichter einen Vorwurf machen noch den Sieg des Rivalen schmälern: "Am Ende des Tages ist es natürlich ein Riesenunterschied, ob du 1:3 im fünften Satz hinten bist oder es 2:2 steht und dann das Match nochmal offen ist. Aber es ist, wie es ist. Schiedsrichter sind auch nur Menschen - und die machen Fehler", sagte Zverev. Er betonte aber auch: "In Situationen wie dieser hofft man, dass es keine Fehler gibt." Es war ein teurer Fehler für ihn, der sich zumindest das Momentum, jene nicht messbare Kraft, die auf dem Weg zum Sieg manches leichter zu machen scheint, hätte zurückgeholt.

Die Wahrheit ist eben auch: Alcaraz war an diesem Abend, nach dieser sportlichen Schlacht, der verdiente Sieger. Das sagte auch Zverev unumwunden: "Carlos hat im vierten und fünften Satz besser gespielt. Ich finde auch, dass er verdient gewonnen hat." Zu stark präsentierte sich der 21-Jährige in den beiden letzten Sätzen. Physisch spielte Alcaraz, als es auf die letzten Meter ging, auf einem ganz anderen Niveau als sein Gegner.

Während Zverev, für den das Endspiel das dritte Fünfsatz-Match in neun Tagen war, an Tempo verlor, legte der Spanier immer wieder nach. Es war eine zermürbende Erfahrung für Zverev, der ein großes Turnier gespielt hat. "Ich habe alles gegeben, was ich konnte", sagte der Hamburger. Der Spanier, den Zverev auch für seine taktischen Finessen lobte, sei "ein Biest, ein Tier. Die Intensität, mit der er Tennis spielt, unterscheidet sich von allen anderen." Er selbst müsse, das war eine Erkenntnis aus dem verlorenen Match, "physisch nochmal auf ein ganz anderes Niveau".

"Durch viel Scheiße gegangen"

Für Zverev, der sich 2022 auf dem Philippe-Chatrier, ausgerechnet vor den Augen von Stuhlschiedsrichter Lichtenstein, traumatisch schwer verletzt hatte, sind die French Open 2024 trotz der Finalniederlage ein gewaltiger Erfolg. Einen Beweis, dass er sich nach der vor zwei Jahren in einem epischen Halbfinale gegen Rafael Nadal erlittenen Verletzung zurück zu großer Form gekämpft hat, musste er längst nicht mehr antreten. Aber das Turnier belegte erneut, dass Zverev, der sich früher allzu oft auf dem Platz noch entnervt selbst dekonstruierte, an Widerständen wachsen kann.

"Durch viel Scheiße" sei er in den letzten Jahren und Monaten gegangen, sagte er nach dem Viertelfinalsieg über den Dänen Holger Rune. Und man will ihm zustimmen, denn oft war es schmerzhaft, den Weltklassemann zu beobachten, wie er auf den ersten Etappen seiner Rückkehr auf die Profitour durch die frühen Runden der großen Turniere und in der Folge auch durch die Weltrangliste taumelte. Und bisweilen wieder an sich selbst zu verzweifeln schien.

"Ich muss mal gewinnen, und dann löst sich das. Mehr weiß ich jetzt auch nicht, was ich sagen soll. Momentan dieses Jahr spiele ich das schlechteste Tennis wahrscheinlich seit 2015, 2016", litt er hörbar noch im vergangenen Jahr kurz vor den French Open. Dort erreichte der 1,98-Meter-Mann dann das Halbfinale, nun ging es noch einen Schritt weiter. Die - pardon - "Scheiße" liegt inzwischen hinter ihm, der Griff nach den Sternen scheint immer möglich. Das Endspiel von Roland Garros, dieser Gladiatorenkampf, brachte noch nicht den ewig gejagten ersten Grand-Slam-Titel. Aber es war ein Fortschritt, kein neues Trauma. "Vielleicht werde ich diese Trophäe eines Tages in die Höhe halten", sagte der geschlagene Zverev zum Abschied zum Abschied.

Quelle: ntv.de

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