"Kommt eine Signalfunktion zu" DFB-Ethiker im "Fall Tönnies" im Fokus
14.08.2019, 18:00 Uhr
Fall für den DFB: Clemens Tönnies und seine Auslassungen über Afrikaner.
(Foto: imago images / RHR-Foto)
Die beleidigende Aussagen über Afrikaner von Schalke-Boss Clemens Tönnies beschäftigen auch die Ethikkommission des DFB. Nach dem "fatalen Zeichen" durch das milde Urteil des Schalker Ehrenrates kommt der Haltung des Gremiums entscheidende Bedeutung zu.
Zwei Wochen nach den indiskutablen Äußerungen des Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies über Afrikaner beschäftigt der Fall auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) weiter. Am Donnerstag berät die DFB-Ethikkommission in Frankfurt/Main ab 10.30 Uhr über die Aussagen des Schalke-Bosses, der dem Vernehmen nach dabei auch selbst gehört werden soll. Vorab steigt der Druck auf das vierköpfige Gremium. Nach der auch aus Sicht vieler Schalke-Fans viel zu milden Beurteilung der Tönnies-Aussagen durch den S04-Ehrenrat kommt der für den Donnerstagnachmittag angekündigten Erklärung der DFB-Ethiker eine "Signalfunktion zu", sagte Fan-Forscher Gunter A. Pilz dem "Reutlinger General-Anzeiger".
Die Ethikkommission wurde beim DFB-Bundestag 2016 als unabhängiges Gremium gegründet. Es soll in allen Fällen, "die der Integrität und dem Ansehen des DFB und seiner Mitgliedsverbände schaden, insbesondere bei illegalen und unethischen Verhaltensweisen, Ermittlungen aufnehmen", heißt es auf der DFB-Homepage. Die Ethik-Kommission ist berechtigt, Untersuchungen einzuleiten und bei hinreichendem Tatverdacht Anklage bei der Ethik-Kammer des Sportgerichts einzureichen. Vorsitzender des vierköpfigen Gremiums ist Nikolaus Schneider, der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zudem gehören Rechtsanwalt Bernd Knobloch, Rechtsanwältin Anja Martin und Betrugsermittlerin Birgit Galley der Kommission an.
Die Ethikkommission kann zwar keine Sanktionen aussprechen, aber Untersuchungen einleiten und bei hinreichendem Tatverdacht Anklage bei der Ethik-Kammer des Sportgerichts erheben. Trotz ihrer überschaubaren Befugnis ist die Haltung der Kommission für Pilz entscheidend. Sollten sich die DFB-Ethiker ähnlich äußern wie der Schalker Ehrenrat, "können wir uns die Implementierung der Menschenrechtscharta in die Satzung des DFB beim Bundestag im September sparen".
Tönnies hatte als Festredner beim "Tag des Handwerks" in Paderborn Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren, so Tönnies: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren." Vom Publikum in Paderborn hatte Tönnies Applaus erhalten, bundesweit wurden und werden seine indiskutablen Aussagen heftig diskutiert. Einige Vertreter aus Gesellschaft, Politik und Sport, aber auch viele Schalke-Fans kritisierten sie scharf als "rassistisch".
Nach seiner Rede hatte sich Tönnies für seine "törichten" Aussagen entschuldigt und angekündigt, seinen Posten als Aufsichtsratschef drei Monate ruhen zu lassen. Diesem - vom Ehrenrat angeregten - Vorschlag wurde entsprochen, zudem wurde Tönnies vom Ehrenrat vom Vorwurf des Rassismus freigesprochen. Der Unternehmer habe lediglich "gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen".
Ehrenrat "widerspricht allen Idealen"
Pilz sprach in diesem Zusammenhang von einem "fatalen Zeichen". Er sei erschüttert, "wie der sogenannte Ehrenrat des Vereins mit Clemens Tönnies umgegangen ist. Das widerspricht allen Idealen, die dieser Klub in seiner Arbeit für sich reklamiert." Für Pilz ist klar: "Ich kann und darf nach Aussagen, wie sie Clemens Tönnies getätigt hat, nicht zur Tagesordnung übergehen."

Anders als der Schalker Ehrenrat haben die S04-Fans eine klare Haltung zu den Tönnies-Aussagen.
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Auch bei vielen Fans des Vereins sorgte die Entscheidung für Empörung und Enttäuschung. Schalke-Blogger Hassan Talib Haji bezeichnete sie im Interview mit n-tv.de als "unbegreiflich" und als "faulen Kompromiss, um Clemens Tönnies weiter im Amt zu halten". Damit habe "der S04 (...) seine Werte verraten." Talib Haji fürchtet, der Schalker Ehrenrat habe damit Tür und Tor geöffnet, "sich rassistisch in vergleichbarer Form zu äußern - kein Mitglied des S04 müsste mit einer harten Strafe rechnen".
Von prominenten Vertretern aus der Bundesliga erhielt Tönnies zuletzt Unterstützung. Friedhelm Funkel (Trainer von Fortuna Düsseldorf), Max Eberl (Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach), Armin Veh (Manager des 1. FC Köln) und Simon Rolfes (Sportdirektor von Bayer Leverkusen) bescheinigten Tönnies zwar einen "schweren Fehler". Die heftige Kritik sei nach seiner Entschuldigung aber nicht angebracht. Tönnies habe eine zweite Chance verdient.
Ein großer Teil der Schalke-Fans sieht das anders. Während des Pokalspiels beim SV Drochtersen/Assel (5:0) zeigten sie Tönnies symbolisch die Rote Karte. Schauspieler Peter Lohmeyer hat sogar persönliche Konsequenzen gezogen und ist als Mitglied ausgetreten - weil Tönnies seiner Meinung nach den Kampf des Vereins gegen Rassismus und Diskriminierung infrage stelle.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid