"Das ist eine Lüge" Dardai empört sich über "Mobbing" gegen Hertha BSC
25.08.2023, 19:39 Uhr
Dardai hat bei Hertha BSC allerlei Sorgen.
(Foto: picture alliance / nordphoto GmbH / Engler)
Pal Dardai ist um seinen Job als Cheftrainer von Hertha BSC nicht zu beneiden. Abgestiegen, Finanznöte, zahlreiche Abgänge von Stammspielern - und auch noch Gerüchte über Kabinen-Zoff. Dem Ungarn passt das gar nicht und so setzt er sich vehement zur Wehr. Probleme gesteht er dennoch ein.
Pal Dardai ist mächtig genervt. Nicht von seinem Team, sondern vielmehr von den Medien. Der Ur-Herthaner aus Ungarn schimpft: "Für mich ist das langsam Mobbing. Es ist nicht in Ordnung, dass jeder jede Woche irgendwelche negativen Aussagen macht über den Klub." Der Klub aus dem Westend ist seit dieser Saison nur noch Fußball-Zweitligist. Und auch im Unterhaus läuft es nicht. Nach drei Spielen ist Hertha Tabellenletzter mit null Punkten und null Toren. Schon wieder ein Negativrekord. Dazu kommen eklatante Finanzprobleme sowie die Abgänge vieler Stammspieler.
Negative Aussagen sollten den Trainer in seiner dritten Amtszeit also eigentlich nicht verwundern. Er aber fühlt sich ungerecht behandelt. Auch, weil er persönlich im Mittelpunkt steht. Gerüchte, dass es Unstimmigkeiten in der Kabine gebe, dass die Konstellation von Dardai und seinen drei Söhnen im Team, Palko, Marton und Bence, für Unruhe sorge, gefallen dem Ungar nicht. "Das ist eine Unwahrheit, eine Lüge. Und wenn jemand lügt, gerade bei einer Zeitung, müssen sie aufpassen. Ich beschäftige mich damit nicht. Ich habe ein super Gewissen", sagte er Sky. Eine Bevorzugung seiner Söhne bestreitet er vehement: "Bence Dardai ist U17-Europameister, Palko Dardai ist mit Hertha A-Jugend-Meister geworden, Marton Dardai hat den höchsten Marktwert bei Hertha. Es wird immer an Leistung gemessen."
Gegenüber der "Bild" sagte er: "Wahrscheinlich braucht der Schreiber Klicks. Ich kann nur eine Sache sagen: Vom ersten Tag an habe ich gesagt: Wenn ein Kind von mir bevorzugt wird und einem Spieler fällt das auf, dann soll er das bei mir oder bei der Führung melden. Ob anonym oder persönlich bei mir. Dann räume ich sofort die Trainerposition." Ihm zufolge ist die Diskussion um die Familienkonstellation typisch Deutsch: "Das ist Neid", sagte er Sky und gibt den Medien die Schuld: "Das ist euer Verdienst und das ist nicht in Ordnung."
Demme verschreckt?
Doch das ist längst nicht das einzige Problem bei der Hertha. Auch die Verhandlungen mit Diego Demme stocken. Seit Monaten wird darüber spekuliert, dass der frühere Spieler von RB Leipzig, der beim italienischen Meister SSC Neapel zu Hause ist, in die Hauptstadt wechselt. Am Donnerstag meldete die "Bild"-Zeitung, dass er von diesen Plänen abrückt, sich die abstürzende Alte Dame womöglich doch nicht antun möchte.
Nach ntv.de-Informationen weiß man bei Hertha allerdings nichts von einer etwaigen Absage. "Ein möglicher Transfer gestalte sich kompliziert, sei aber nicht unmöglich", heißt es. Kompliziert ist er vor allem wegen des lieben Geldes. Die von Neapel geforderte Ablöse kann der Klub nicht aufbringen, eine Einigung steht damit auch vor dem vierten Spieltag aus. "Hier gibt es keine Millionen, keine Milliarden", sagte Dardai dazu. "Das Geld ist weg, ganz einfach." Dabei bräuchte Hertha die Dienste des Sechsers dringend, Demme soll eine Schlüsselfigur werden. Das Team ist defensiv anfällig, lässt sich zu leicht überrumpeln, kassierte bereits fünf Gegentore.
"Bitte keine Jugendspieler"
Suat Serdar, der im defensiven Mittelfeld spielen konnte, hat den Klub verlassen. Auf Leihbasis ist er an Hellas Verona abgegeben. Lucas Tousart ist zum Stadtrivalen nach Köpenick gewechselt, auf der Abgangsliste stehen endgültig auch die bereits abgehakten defensiven Mittelfeldspieler Santiago Ascacibar und Tolga Cigerci. Auch Kapitän Marco Richter ist verkauft, an den FSV Mainz 05. "Natürlich bleibt da ein kleines Loch", sagte Dardai über den Abgang seines Kapitäns. "Marco war eine zentrale Figur." Es sei im ersten Training ohne ihn leiser gewesen.
Der Abgang des Zehners, des Spielmaches, kann akut ebenfalls nicht aufgefangen werden, denn der gerade einmal 17-jährige Ibrahim Maza laboriert an einer Meniskusverletzung. "Natürlich wäre es schön, einen Zehner zu holen", sagt Dardai. "Aber rechne mal: Ich glaube, das ist unmöglich", sagte Dardai bereits über die nötigen Einkäufe in diesem Transferfenster, das noch bis zum 1. September um 18 Uhr geöffnet ist. Dringend gesucht sind stattdessen ein Sechser und ein Achter, das Mittelfeld muss gestärkt werden. Aber: "Bitte kein Jugendspieler. Entweder ein Erfahrener oder keiner."
Denn junge Spieler, die hat Dardai schon reichlich im Kader. Einige aus dem eigenen Nachwuchs rückten ins Profiteam auf, die Teenager hätten Erfahrung an ihrer Seite dringend nötig. Einer mit Erfahrung ist Toni Leistner. Dardai hat ihn zum neuen Kapitän ernannt. Doch auch er droht auszufallen, der 33-Jährige hatte sich bei der 0:3-Pleite beim Hamburger SV am vergangenen Freitag einen Nasenbeinbruch zugezogen. Ob er bis zur Partie gegen Greuther Fürth (Samstag, 13 Uhr/Sky und im ntv.de-Liveticker) fit wird, ist unklar.
Dardai hofft auf einen Einsatz des Innenverteidigers mit Spezialmaske: "Ich glaube eigentlich schon, dass das zu früh ist, aber auf der anderen Seite: Er ist glücklich verheiratet, hat schon seine Frau zu Hause - Schönheit ist nicht mehr das Wichtigste wahrscheinlich." Für den früheren Unioner, der beim Wechsel mit massivem Unmut von den Hertha-Ultras empfangen worden war, sprechen laut seines Trainers die Erfahrung und dass er "als Typ und als Mensch" so angekommen sei, "als wäre er seit 20 Jahren hier".
Aufstieg schon abgehakt?
Doch der 33-Jährige ist nur ein Spieler, Leistner allein kann die Abgänge nicht aufwiegen. Allein zahlenmäßig nicht. Seit dem krachenden Abstieg im Mai haben mehr als 20 Spieler die Hertha verlassen. Dabei nahm der Klub mit der heftig klammen Kasse rund 31 Millionen Euro ein. Allein zehn Millionen Euro bringt dabei der Transfer des belgischen Nationalspielers Dodi Lukebakio, der beim Europa-League-Sieger FC Sevilla anheuert. Ein Wechsel aber mit ordentlich Verlust, 2019 hatte Hertha mehr als das Doppelte für den Stürmer gezahlt.
Trotz der Millioneneinnahmen - es bleibt kaum Geld für Spielerkäufe. Zu sehr drücken den Klub die Geldsorgen. Ein Transferüberschuss in zweistelliger Millionenhöhe muss bleiben. Deswegen sind weitere Abgänge nicht ausgeschlossen. "Ich glaube, wir haben einen guten Mix zusammen, aber am Ende, Sachen wirklich auszuschließen, das kann man in der Konstellation, in der wir uns insgesamt befinden, einfach nicht", sagte Sportdirektor Benjamin Weber. Dardai sagte: "Das ist eine Geldfrage. Wir sind begrenzt."
Es klingt dramatisch, wenn sie in Berlin über ihre Nöte sprechen. Auch wegen dieser Sorgen abseits des sportlichen Geschehens ist Dardai so erbost über die Erwartungen an sein Team. "Die Lage ist wirklich ernst." So ernst, dass nicht einmal Dardai an die sofortige Rückkehr in die Bundesliga glaubt: "Vielleicht dauert der Aufstieg, so wie es im Moment aussieht, drei, vier Jahre."
Quelle: ntv.de, ara/sue