Sadio Manés trauriger Abgang Der gescheiterte Weltstar des FC Bayern
31.07.2023, 20:49 Uhr
Sadio Mané und der FC Bayern, das hat einfach nicht gepasst.
(Foto: IMAGO/Passion2Press)
Im vergangenen Sommer berauscht sich der FC Bayern an der Verpflichtung von Superstar Sadio Mané. Einen Weltklassespieler habe man unter Vertrag genommen, hieß es. Doch auf den Rausch folgt der Kater. Der Senegalese wird den Klub nun wieder verlassen.
Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da fing sich Eintracht Frankfurt ein amtliches Ohrfeigen-Gewitter. Am ersten Spieltag der vergangenen Saison ging die Mannschaft im heimischen Stadion gegen den FC Bayern unter. 1:6 (!) endete dieses unfassbare Fußball-Spiel. Fassungslos diskutierten hernach einige Eintracht-Fans am Kult-Kiosk Oberforsthaus, wie es dazu kommen konnte. Ergebnis der Blitz-Analyse: Mister Überall Sadio Mané war schuld. Als tanzender Teufel war er durch die chaotischen Reihen der Frankfurter gerast, von niemandem aufzuhalten. Der Weltstar hatte seine Visitenkarte in der Bundesliga abgegeben. Der Plan der Münchner schien aufzugehen.
Nun, ziemlich genau ein Jahr später, sieht die Lage anders aus: Der Plan der Münchner ist gescheitert. Der Abend von Frankfurt war mehr Strohfeuer als Flächenbrand. Der Klub erlebte eine fürchterliche Saison, vollgepackt mit Krisen. Und Mané war nicht der Weltstar, der er sein sollte. Der Weltstar, mit dem sich der FC Bayern schmücken wollte, einfach weil er es kann. Der Senegalese wird den Klub in den nächsten Stunden verlassen und sich in Saudi-Arabien dumm und dusselig verdienen. Die 32 Millionen Euro Ablöse an den FC Liverpool kommen wohl wieder rein. Gewollt hat er das nicht. Er wäre gerne in München geblieben, hätte der Welt gezeigt, dass er es noch kann. Nun muss er das in der Wüste tun. Kleiner Trost: Dort tummeln sich künftig nicht mehr nur alte Männer, die einen letzten dicken Reibach machen wollen, sondern auch Spieler mit Ambitionen (und Interesse am Reibach). Und die Aufmerksamkeit der Welt darf ihm gewiss sein. Der Plan der Saudis wird wohl aufgehen.
Dass es für den 31-Jährigen in München nicht weitergeht, bestätigte er selbst. "Der Abschied vom FC Bayern tut mir weh", sagte der Angreifer dem Pay-TV-Sender Sky: "Ich hätte mir ein anderes Ende gewünscht." "Ich weiß, dass ich dieser Mannschaft in dieser Saison hätte helfen können", sagte der Angreifer. "Ich wollte es in dieser Saison allen beweisen. Ich wünsche dem Verein und den Fans trotzdem nur das Beste für die Zukunft."
Auf Mané soll Kane folgen
Dabei hatte die Zusammenarbeit mit grenzenloser Ekstase begonnen. Als die Münchner den Stürmer vom FC Liverpool losgeeist hatten, sprachen sie das Wort "Weltstar" so oft aus, dass man vor lauter "Weltstar" alles rund um die Säbener Straße vergaß. Etwa Robert Lewandowski. Den "Weltstar", der sich zum FC Barcelona gepoltert hatte. Er war den (Ex)-Bossen dermaßen auf den Keks gegangen, bis sie ihn ziehen ließen. Keine gute Entscheidung, wie sie mit dem Wissen von heute (beziehungsweise schon seit Mitte der vergangenen Saison), anerkennen müssen. Ohne echten Neuner fehlte dem FC Bayern ein Kernelement des erfolgreichen Spiels. Zwölf Tore in 38 Spielen waren längst nicht das, was sich die Bayern vom Nachfolger ihres Torgaranten Robert Lewandowski erhofft hatten.
In diesem Sommer soll das Versäumnis nun korrigiert werden. Harry Kane soll's richten. Beim FC Bayern sind sie mittlerweile völlig beseelt von der Vorstellung, dass dieser "Weltstar" künftig Mannschaften vom VfL Bochum bis zu Manchester City mit seiner Abschlussstärke paniert. Doch der Poker ist arg zäh, der Durchbruch mal nah, mal näher. Derzeit soll eine Münchner Delegation in London weilen, um Tottenhams Boss Daniel Levy den Verkauf endlich schmackhaft zu machen. Wie die "Daily Mail" berichtete, liegt die neue Sockelablöse, die die Münchner bieten, bei rund 87 Millionen Euro. Das Geld sitzt durch den unmittelbar bevorstehenden Abgang von Mané und die Ersparnis dessen Gehalts wieder etwas lockerer. Womöglich fällt sogar die 100-Millionen-Euro-Schallmauer.
"Er war nicht alleine schuld"
Den Senegalesen geht das alles nichts mehr an. Und wie sehr das so ist, demonstrierte er beim Testspiel seines Noch-Arbeitgebers gegen Kawasaki Frontale. Der 31-Jährige hockte neben der Ersatzbank auf einem Stuhl, mit tief gezogener Käppi, Smartphone und AirPods in den Ohren. Diese Teilnahmslosigkeit erinnerte an Gareth Bale, der sein Ende bei Real Madrid mit clownesker Gleichgültigkeit herbeiführte. Mané muss man solche Arroganzanfälle nun nicht unterstellen. Sein Abgang ist traurig. Und trist. Während die Mannschaft nach Singapur weiterflog, blieb Mané alleine zurück. Ging seinen Weg Richtung neuer Welt, laut Medienberichten zum Medizincheck.
Ein "Weltstar", einsam und allein. So wirkte er auch zudem beim FC Bayern. "Er war nicht alleine schuld, dass es nicht mehr lief bei uns. Da hat das große Ganze nicht mehr gestimmt", sagte Joshua Kimmich über die verkorkste Rückrunde, als die bittere Zeit von Mané beim Kabinenstreit mit Leroy Sané den traurigen Tiefpunkt erreichte. Spätestens danach schien klar, dass es nicht gemeinsam weitergehen kann.
Aber woran ist der Senegalese in München gescheitert? An den zu großen Erwartungen? Beim FC Liverpool war er schließlich einer der Protagonisten der Elf, die über Europa hinweggedonnert war. Ein aufregender Angreifer, ein kaum zu stoppender Flügelstürmer. Ja, das war er. Ein Flügelstürmer, kein Mann für die Mitte. Kein Erbe für Lewandowski. Aber als genau jener wurde er gesehen. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei war seine Rolle unter Trainer Julian Nagelsmann anders gedacht. Der Ex-Coach, der mit dem klassischen Neuner seit jeher so seine Probleme hat, sah in Mané den Chef einer flexibel rotierenden und pfeilschnellen Offensive mit den etablierten Flügelstürmern Serge Gnabry, Leroy Sané und Kingsley Coman.
Wohin nur mit Mané?
Was gegen Frankfurt brillant funktionierte, gelang danach immer weniger. Schon nach wenigen Wochen entbrannten Diskussionen um einen Neuner. Sogar der damalige Schatten-Patriarch Uli Hoeneß mischte sich über den heißen Draht vom Tegernsee ein. Nagelsmann korrigierte sich gegen seine Überzeugung, stelle Eric Maxim Choupo-Moting auf. Der machte seine Sache gut, war aber kein "Weltstar" - und schließlich lange verletzt. Mané wurde hin und hergeschoben, ohne Erfolg. Beim FC Bayern versuchten sie alles, um den Stürmer zu integrieren. Sie versuchten ihm den Druck zu nehmen, den sie ihm mit dem "Weltstar"-Label aufgebürdet hatten. Doch all das funktionierte nicht, Mané verzweifelte, rannte immer häufiger ins Abseits. Was auch übertragenden Charakter hatte - und ab November immer schlimmer wurde.
Mané verletzte sich im Spiel gegen Werder Bremen. Ein Sehnenriss am Wadenbeinköpfchen kostete ihn die WM-Teilnahme. Sein Land weinte bittere Tränen. Sogar der Präsident sprach vor. Nach seiner Rückkehr auf den Platz im Februar gelang ihm nahezu nichts mehr, weder unter Nagelsmann noch unter Nachfolger Thomas Tuchel. Ein einziges Törchen gelang ihm noch, bei der peinlichen 1:3-Niederlage beim FSV Mainz 05. "Ich glaube, Sadio hat eine sehr gute Hinrunde gespielt, da hat er gute Statistiken geliefert", befindet Kimmich. "Wenn du als Topstar kommst, dann musst du dir sehr viel Kritik anhören - manches zurecht, manches zu Unrecht. Das große Ganze hat nicht mehr gestimmt, dann bist du ein neuer Spieler im Ausland, was dann wahrscheinlich auch nicht so einfach ist. Ich kann mir nur vorstellen, dass es mit einer neuen Sprache, Kultur und Menschen nicht so einfach ist."
Für Abwehrboss Matthijs de Ligt ist der Fall Mané dagegen Teil des Fußball-Business. "Manchmal hast du ein sehr gutes Gefühl mit einem Verein - und manchmal nicht so. Jeder Spieler weiß: Wenn du dich wohlfühlst, bringst du auch bessere Leistungen", sagte der Niederländer. Mané sei "ein Topmensch". Und "ein Topspieler auch". In Saudi-Arabien kann er das nun wieder zeigen. An der Seite von Weltfußball-Oldie Cristiano Ronaldo, bei Al-Nassr. Für angeblich 40 Millionen Euro netto im Jahr.
Quelle: ntv.de