Fußball

WM-Countdown (32) Die wilde Welt der russischen Snacks

Russische Snackerei: Chips in der Geschmacksrichtung Gurke-Dill. Nur Mut!

Russische Snackerei: Chips in der Geschmacksrichtung Gurke-Dill. Nur Mut!

(Foto: Katrin Scheib)

Du bist, was du isst? Dann ist der diesjährige Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft vielseitig und teils ziemlich extrem. Die Liste russischer Snacks reicht von eingelegtem Bärlauch bis zu Chips mit Gurke-Dill-Aroma.

Neulich war hier von sauren Gurken die Rede, aus Susdal, und ich dachte: Wir müssten mal über die anderen Dinge sprechen, die sich hier in Russland zu probieren lohnen. Nicht Boeuf Stroganoff oder Borschtsch oder Hering unterm Pelzmantel - das kennen die meisten, und wer es nicht kennt, der kann es googeln. Für sowas muss man in ein Restaurant, sich hinsetzen, das kostet Zeit und beansprucht die Urlaubskasse. Nein, mir geht es um die Kleinigkeiten, die Snacks, um was für auf die Hand. Sachen, die man im Supermarkt mitnimmt - immer vorausgesetzt, man weiß, dass es sich lohnt. Hier vier Vorschläge.

Sirki

Unsere Kolumnistin

Katrin Scheib ist Journalistin, Schalke-Fan und kommt aus dem Rheinland. Als die deutsche Mannschaft 2014 in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde, war sie gerade nach Moskau gezogen. Seitdem bloggt sie unter kscheib.de über ihren Alltag und informiert mit ihrem "Russball"-Newsletter jede Woche über den Fußball und die WM-Vorbereitungen in Russland. Und nun schreibt sie für n-tv.de den Countdown, bis das Turnier am 14. Juni beginnt.

Ein Sirok, viele Sirki. Der Name kommt von sir, dem russischen Wort für Käse, Sirki könnte man mit "Käslein" oder vielleicht auch "Käsis" übersetzen - nur, dass sie halt mit Käse so viel zu tun haben wie der Mensch mit dem Schimpansen, also bloß einen gemeinsamen Vorfahren. Das ist in diesem Fall die Milch, aus der dann Quark wurde. Vanille und Zucker dazu, Schokoglasur und fertig ist der Sirok. Zu finden sind diese Quarkriegel im Supermarkt in der Milchtheke, wenn da keine mehr sind, liegen sie wahrscheinlich alle in meinem Kühlschrank. Denn vor allem, wenn Besuch aus Deutschland kommt, kaufe ich die Dinger stapelweise - mit heller und mit dunkler Schokolade, mit Karamelcreme in der Mitte, alle lecker. Und immer, immer ist der Besuch begeistert - einmal reichte die Begeisterung bis zu Plänen für eine Markteinführung in Deutschland, der Slogan ("Riegelize it!") war bereits erfunden. Das letzte Wort zum Thema gebührt aber einer Freundin, die vor einigen Jahren aus dem Ausland nach Moskau zog: "Mein Mann glaubt, ich lebe wegen ihm hier, aber in Wirklichkeit lebe ich hier wegen der Sirki."

Gurke-Dill-Chips

Russland ist ein Biotop für abwegige Chips-Sorten. Im Gegensatz zu "Sülze mit Meerrettich", "Cheeseburger" und "Pfifferlinge in Sahnesauce" ist "Gurke-Dill" aber eine Geschmacksrichtung, die man durchaus mal probieren kann. Dill ist in der russischen Küche so verbreitet wie Basilikum in der italienischen - nur, dass Basilikum halt nicht büschelweise auf jedes beliebige Gericht oben drauf geworfen wird. Gurken wiederum sind hier so beliebt, dass man sie, wie in England, im Sommer sogar in Getränken wiederfindet. Zwei russische Favoriten also, vereint in einem Snack. Darum: Tüte öffnen, sich vom Geruch umwabern lassen und probieren. Und dann mit dem gedanklichen Konflikt klarkommen, wie etwas so Fettiges wie Kartoffelchips nach etwas so Leichtem wie Gurke schmecken kann. Man könnte Philosoph darüber werden. Wahrscheinlicher ist aber, dass man ganz profan innerhalb von zehn Minuten die Tüte leerfuttert.

Չեչիլ

Eine Auswahl russischer Snacks.

Eine Auswahl russischer Snacks.

(Foto: Katrin Scheib)

Nein, das ist kein Darstellungsfehler, das ist Armenisch. In der früheren Sowjetrepublik entstand der "Tschetschil", lange Fäden aus in Salzlake gebadetem Käse, bis heute ist er in Russland populär. Oft findet man ihn im Geschäft als geflochtenen Zopf, manchmal ist es auch nur ein Bündel parallel verlaufender Schnüre. Tschetschil ist 50 Prozent Snack und 50 Prozent Beschäftigungstherapie, vor dem Essen wird er oft dekorativ zerfleddert: eine Schnur nehmen, am Ende mit dem Fingernagel ein bisschen einkerben und der Länge nach zweiteilen. Dann noch mal, dann noch mal, bis man auf dem Teller vor sich ein Nest aus Käsehaaren hat, aromatisch und fein. Es gibt Leute, die halten Tschetschil wegen seines geringen Fettgehaltes für eine gute Diätnahrung. Wäre wohl wahr, wenn er nicht gleichzeitig so salzig wäre, dass man die ganzen gesparten Kalorien nebenher in Bier konsumiert.

Eingelegter Bärlauch

Thema Bärlauch, das klingt für deutsche Ohren nach einem inzwischen schon leicht angestaubten Trend, vor allem für die etwas ambitioniertere Küche - Bärlauchrisotto mit Krabben, Grüner Spargel mit Bärlauch, Bärlauchschaumsüppchen. In Russland hingegen wird mit Bärlauch das gemacht, was man in einem Land mit langem, strengem Winter eben traditionell tut, um Gemüse haltbar zu machen: Er wird eingelegt. Das Ergebnis steht im Supermarkt dann als Plastikdose, in der grau-grüne Stängel in Lake dümpeln - wer sie nicht auf Anhieb sieht, muss nach "Tscheremscha" fragen. Öffnen sollte man die einmal erworbene Dose am besten im Freien, denn in geschlossenen Räumen verbreitet sich der intensive Geruch, irgendwo zwischen Knoblauch und Essig, schnell und dauerhaft. Wer hiervon isst und mit Partner reist, muss den Partner nötigen, ebenfalls zu probieren, schon zu dessen Schutz. WM-Reisende, die in Hostels oder in anderweitigen Mehrbettzimmern untergekommen sind, verkneifen sich das mit dem Bärlauch am besten ganz - der Ausdünstungen wegen. Ansonsten ist es eines dieser seltsamen Geschmackserlebnisse, das nicht toll und nicht furchtbar ist, das man aber nach ein paar Minuten sofort noch mal haben will.

Zum Schluss noch ein Hinweis: Ein Freund wies darauf hin, dass diese Liste hier nicht vollständig wäre ohne die unzähligen Arten von Trockenfisch und Trockenkalamari, die Russen so zum Bier wegsnacken und die im Supermarkt ähnlich wie Chips tütenweise verkauft werden. Mehr als diese Erwähnung bringe ich hier aber einfach nicht übers Herz, oder besser: über den Magen. Man öffnet die Verpackung, es schlägt einem penetranter Katzenfuttergeruch entgegen, man wirft die Tüte in den Müll, knotet den Müllbeutel zu und trägt ihn auch sofort runter zur Tonne. Das ist - jedenfalls nach meinem persönlichen Empfinden - der einzig angemessene Weg, mit diesem Teufelszeug umzugehen.

Alle Folgen des WM-Countdowns finden Sie hier

Quelle: ntv.de

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