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Der ganze Ärger im Schnellcheck Ein "handfester Skandal" war's beim BVB nicht

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Beim BVB hatten sie viel mit Danny Makkelie zu bereden.

(Foto: IMAGO/Ulrich Hufnagel)

Borussia Dortmund scheidet aus der Champions League aus - wegen des Schiedsrichters, glaubt ein Nationalspieler. Richtiger wäre allerdings: Weil der VAR möglicherweise seine Kompetenzen überschreitet. Jedenfalls ist der Ärger mal wieder groß.

Was ist da an der Stamford Bridge passiert?

Den großen Tag schließt die Aktie der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA mit dem Stand von 4,39 Euro ab, in den Morgen war das sportliche Wertpapier mit dem Kurs von 4,40 Euro gestartet. Ein Spiel gegen den FC Chelsea, das den Einzug ins Viertelfinale der Champions League hätte bringen sollen, lockt keinen Börsianer aufs Parkett. Auch die gewaltige Siegesserie, die den Klub zu einem veritablen Meisterkandidaten gemacht hatte und dafür sorgte, dass dem seit Jahren immer dezent unterperformenden Team keiner mehr die Mentalitätsfrage stellt, schaffte es nicht, die Fantasie der Anleger zu beflügeln. Nun aber sollte Bewegung in den Kurs kommen, denn die kickenden Wertschöpfer hatten mit dem 1:0 im Hinspiel vorgelegt. 10,6 Millionen Euro zusätzlich hätte das Weiterkommen alleine von der UEFA auf die Konten des Klubs gespült.

Doch es kam nicht dazu, weil Schiedsrichter Danny Makkelie - so sind Teile des BVB überzeugt - einen "handfesten Skandal" (Berater Matthias Sammer) produzierte: Einen umstrittenen Handelfmeter ließ der Niederländer etwas überraschend wiederholen. Und im zweiten Versuch traf der deutsche Nationalspieler Kai Havertz entscheidend zum 2:0. Die Aktionäre müssen wohl weiter auf Rendite warten, das Geld der UEFA geht nach London, wo sie - trotz 600 Millionen Euro Transferausgaben in der laufenden Saison - doch auch in der Post-Abramowitsch-Ära immer genug davon haben.

FußballtransfersChelsea hängt Ligen ab

Wie schlimm war es wirklich, was Danny Makkelie dem BVB angetan hat?

Die Minuten rund um die Halbzeitpause waren es, die das Schicksal des durch eine Verletzung von Julian Brandt geschockten BVB besiegelten: Erst traf Raheem Sterling in der 43. Minute zur verdienten Führung, dann hatte Danny Makkelie in der 46. Minute seinen großen Auftritt: Eine Flanke war aus kurzer Distanz am Arm von Marius Wolf gelandet, der WM-Schiri entschied sich zunächst gegen einen Elfmeter. Doch er korrigierte seine Entscheidung. Fragwürdig, aber Handelfmeter sind das eben in diesen Tagen immer. Als Fan, als Spieler, als Fußballinstanz ist man zu oft dem Geschmack des VAR ausgeliefert, der eine komplizierte Entscheidung als Fehlentscheidung deutet.

Makkelie also traf im zweiten Anlauf eine "sehr harte Entscheidung", wie es BVB-Trainer Edin Terzic nannte. Kai Havertz, deutscher 80-Millionen-Euro-Mann in Diensten des FC Chelsea, lief an, blieb beinahe stehen - und schob den Ball an den Pfosten. Und jetzt begann das, was für Matthias Sammer ein "handfester Skandal" ist: Makkelie ließ den Elfmeter wiederholen, weil Spieler beider Teams noch während Havertz' Anlauf in den Strafraum gestartet waren. Und das sorgte für mächtig Ärger: "Wie kann er einen zweiten Elfmeter geben, ich verstehe das einfach nicht. Er trifft den Pfosten, fertig aus", sagte Nationalspieler Emre Can bei Amazon Prime Video und ärgerte sich über den Referee: "Der war das ganze Spiel arrogant. Wir haben unverdient wegen dem Schiedsrichter verloren. Er hat vielleicht Angst vor den Fans, dann soll die UEFA einen anderen Schiedsrichter schicken. Das tut extrem weh."

Was sie beim BVB besonders ärgerte: Drei Chelsea-Spieler, allen voran Ben Chilwell, waren noch vor ihren Gegenspielern losgelaufen. Auf erneuten Hinweis des VAR ließ Makkelie den Elfmeter wiederholen, erneut schnappte sich Havertz den Ball und machte es diesmal besser. Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Wolfgang Stark klärte später auf, dass die Wiederholung des Elfmeters regeltechnisch alternativlos war - weil mit Salih Özcan einer den Ball klärte, der unter den Frühstartern war. Thorsten Kinhöfer, ebenfalls ehemaliger FIFA-Schiedsrichter, präzisierte gegenüber "Bild": "Die Wiederholung des Elfers ist korrekt, da Öczan zu früh in den Teilkreis läuft und sich so einen Vorteil verschafft. Der Chelsea-Spieler spielt beim Vergehen eines Verteidigers beim Strafstoß, wenn der Ball abgewehrt wird, keine Rolle."

Den Furor von BVB-Berater Sammer konnten die Erklärungen allerdings nicht mindern: "Der Elfmeter plus die Wiederholung, das ist ein handfester Skandal. Mir braucht auch kein Regelhüter kommen. Für solche Situationen gibt es Persönlichkeiten. Makkelie ist ein sehr, sehr arroganter Mensch", schimpfte Sammer bei Amazon Prime Video.

Die Schiedsrichter-Experten von "Collinas Erben" stellen sich dann auch auf die Seite von Matthias Sammer, wenigstens in Teilen - und stützen sich in einem längeren Twitter-Beitrag natürlich auf Regeln und ihre gebotene Auslegung. Denn es ist kompliziert und Schuld am Durcheinander hat mal wieder der VAR: "Im Handbuch des IFAB steht, wann der VAR eingreift, wenn Spieler beim Strafstoß zu früh vorlaufen", schreiben die Experten unter Verweis auf die Regelhüter des International Football Association Board. Möglich sei ein Eingreifen, wenn "ein zu früh vorgelaufener Verteidiger einen Angreifer hindert, den Ball zu spielen, und so ein mögliches Tor verhindert. Das hat Özcan aber nicht getan. In seiner Nähe war nur Havertz, der den vom Pfosten zurückspringenden Ball aber nicht mehr spielen durfte, weil sonst eine Doppelberührung vorgelegen hätte (nach dem Pfostenschuss hatte kein anderer Spieler den Ball berührt)."

Weil Makkelie auch nach dem ersten Elfmeter zunächst auf "Weiterspielen" entschieden hatte, "gab es nach dem IFAB-Handbuch eigentlich keinen Anlass zum Eingreifen. Rein regeltechnisch ist die Wiederholung zwar trotzdem korrekt: Wenn Spieler beider Teams zu früh in den Strafraum oder den Teilkreis laufen, ist eine Wiederholung vorgesehen. Dabei ist es übrigens unerheblich, welcher Spieler zuerst zu früh im Strafraum war. Dennoch war ein VAR-Eingriff hier aus den genannten Gründen nicht geboten. Hätte Makkelie aus dem Spiel heraus eine Wiederholung angeordnet, wäre das nicht zu beanstanden gewesen (selbst wenn so etwas in der Praxis nur selten vorkommt.)"

Den Elfmeter selbst, der den ganzen Ärger überhaupt erst ausgelöst hatte, bewertet Kinhöfer als korrekt: "Der Arm ist weg vom Körper. In der heutigen Regelauslegung ist das ein strafbares Handspiel." Auch Alex Feuerherdt von "Collinas Erben" sagt: "Aus meiner Sicht eine mindestens vertretbare Entscheidung." Aber mit Regeln müssen sie dem enttäuschten BVB, der zum ersten Mal nach zehn Siegen in Serie wieder verlor, nach der Enttäuschung von Stamford Bridge erstmal niemand kommen. Nico Schlotterbeck wollte nach dem Spiel dann aber auch nicht zu sehr auf den Schiedsrichter einschlagen. "Wir müssen nächstes Mal einfach ein oder zwei Tore mehr schießen. Das ist nicht passiert", sagte der Nationalspieler.

Wie war's im Stadion, Stephan Uersfeld?

Blauer Rauch auf der Fulham Road, gelber Rauch im Dortmund Block. Wenn die Champions League in der Stadt ist, legen sich die Fans ins Zeug. Auch beim Milliardenklub Chelsea. Weit vor der Partie an der Stamford Bridge stehen die Blues dort und feuern ihren Rauch ab. Beobachtet werden sie von Polizisten, deren Pferde wild austreten und die Straße mit ihren Äpfeln passieren. Womöglich war das auch der Grund für den verspäteten Anpfiff der Partie. Der BVB war, so viel ist bekannt, irgendwo kurz vor dem Stadion aufgehalten worden und traf zu spät ein.

Anders als die Anhänger der Borussia, die es nicht erwarten konnten, ins Stadion zu gelangen und dabei in ein paar kleinere Scharmützel mit den Ordnungskräften verwickelt waren. Wenn auch die Anhänger der Blues beim Spiel selbst in langen Phasen ruhig blieben, sorgten sie bereits vor dem Anpfiff mit ihren Chel-SEA auf die Hammond Orgel in Winston Wrights "The Liquidator" für magische Minuten. Und weil es England ist, informierte in der Pause ein älterer Herr mit der handgeschriebenen Zahl 38.822 auf einem Blatt Papier über die Zuschauerzahl. Ein anachronistischer Moment in der Milliardenwelt.

Die Fans auf den Tribünen kübelten unterdessen ihre Beleidigungen über die BVB-Spieler. Schlimm waren sie nicht. Und als Chelsea dann früh in der zweiten Halbzeit in Richtung Viertelfinale aufbrach, riefen sie Chelsea, Chelsea, Chelsea und feierten den VAR.

Quelle: ntv.de

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