Protest gegen Erfolglosigkeit Everton-Fans gehen und verpassen den Sieg
07.12.2021, 07:00 Uhr
Rafa Benitez ist in Erklärungsnöten.
(Foto: picture alliance/dpa/PA Wire)
Der FC Everton träumt davon, mehr zu sein als ein normaler Premier-League-Klub. Mit viel Geld wollten die Investoren mit aller Macht unter die Top Sechs der Liga. Doch es kam anders und das sorgt längst für großen Frust. Immerhin gibt es jetzt einen ganz kurzfristigen Effekt.
Dass Fußball-Fans das Stadion vorzeitig verlassen, wenn sie von der Vorstellung ihres Teams enttäuscht sind oder die Lage aussichtslos scheint, ist nicht unüblich. Am Sonntag leerte sich so der ohnehin spärlich gefüllte Borussia-Park von Borussia Mönchengladbach schon nach knapp einer halben Stunde noch weiter, als das 0:5 gegen den SC Freiburg gefallen war. Die Aussicht auf eine zügige Abreise ist vielen verlockender als das Ausharren in einer deprimierenden Situation. Das Stadion aber aus Protest zu verlassen, obwohl aktuell buchstäblich noch gar nichts passiert ist, ist unüblich. In der Premier League ist aber genau das passiert.
Aus Protest gegen die Erfolglosigkeit ihres Klubs haben Fans des FC Everton während der Partie gegen den FC Arsenal am Montagabend das Stadion verlassen. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtete, standen die Zuschauer in einem Block in der 27. Minute auf und verließen ihre Plätze aus Unzufriedenheit über die 27. Saison ohne Titel für das Team aus Liverpool. Da stand es noch 0:0, erst in der Nachspielzeit der ersten Hälfte erzielte Martin Ödegaard die Führung für die Gäste aus London. Es waren allerdings nur einzelne Supporter, die dem Abmarschbefehl mehrerer hochrangiger Fanvereinigungen gefolgt waren.
"Liverpool und Liverpools Reserve"
Durch ihren Protest verpassten die bedienten Fans den 2:1 (0:1)-Erfolg ihres Teams, den Demarai Gray in der zweiten Minute der Nachspielzeit mit einem überaus sehenswerten Treffer perfekt machte. Zuvor hatte Richarlison in der 79. Minute den Ausgleich erzielt. Damit endete die Negativserie des FC Everton nach acht Partien ohne Sieg. Schon nach dem 1:4 im Stadtderby gegen den FC Liverpool von Trainer Jürgen Klopp am Mittwoch hatte sich die Stimmung bei den Fans verschlechtert, die den Rücktritt des Vorstands forderten. Sportdirektor Marcel Brands musste vor dem Spiel gegen Arsenal gehen.
Der FC Everton hatte in den vergangenen Jahren mit großen Investitionen und prominenten Namen den Angriff auf die Ligaspitze gestartet. Doch Platz sieben, den 2017 der gerade geschasste Ex-Barça-Trainer Ronald Koeman für den Klub einfuhr, blieb das höchste der Gefühle. Carlo Ancelotti, der zuletzt für zwei Saisons die Geschicke der Toffees verantwortete, fuhr nur zwei zwölfte Plätze ein. Angesichts gewaltiger Transferausgaben zu wenig.
Über 200 Millionen Euro hatte man 2017 in Neuzugänge investiert, in den Folgejahren waren es immer noch mindestens 75 Millionen Euro. Liverpools Trainer-Ikone Bill Shankly hatte einst über die fußballerischen Machtverhältnisse am Mersey-Fluss gesagt hatte: "Diese Stadt hat zwei großartige Mannschaften - Liverpool und Liverpools Reserve." Die Schmach wollte man tilgen. Dabei gehört Everton zu den erfolgreichsten Klubs in England und liegt in der Liste der Meister mit neun Titeln auf dem vierten Platz hinter Manchester United, dem Stadtrivalen FC Liverpool und dem FC Arsenal. Die letzte Meisterschaft steht aber aus dem Jahr 1987 in den Büchern.
"So schnell wie möglich in die Spitzenplätze"
"Mein Traum ist es, Everton so schnell wie möglich in die Spitzenplätze der Premier League zu bringen", verkündete Ancelotti bei seinem Amtsantritt und nannte als mittelfristiges Ziel sogar die Qualifikation für den internationalen Wettbewerb. Zuletzt war Everton 2017/2018 in der Europa League dabei, scheiterte aber schon in der Gruppenphase.
Rund 250 Millionen Euro Verlust hat man alleine in den vergangenen beiden Jahren eingefahren, die finanziellen Zwänge sind jetzt groß. Weniger als die Toffees gab vor der laufenden Saison kein Team der Premier League für Neuzugänge aus: Lediglich zwei Millionen Euro überwies man für Gray an Bayer Leverkusen. Zum Vergleich: Aufsteiger FC Watford nahm 23,5 Millionen Euro in die Hand - und steht damit auf dem vorletzten Platz der Ausgabentabelle.
Inzwischen ist Ancelotti Trainer von Real Madrid, sein Nachfolger Rafa Benitez agiert bislang glücklos. Vielen Fans des FC Everton gilt der Spanier schon als vom verhassten FC Liverpool eingeschleuster "Agent". Benitez hatte 2005 mit dem Stadtrivalen die Champions League gewonnen. Bei der 0:1-Niederlage gegen Aufsteiger FC Brentford machten die Anhänger ihrem Ärger Luft, zudem waren die ersten "Rafa out"-Plakate im Stadion zu sehen. "Ich habe immer noch den gleichen Glauben und die gleiche Überzeugung, dass wir gut abschneiden werden", bekräftigte Benítez dennoch, "uns fehlen Schlüsselspieler, aber ich bin sicher, dass die Mannschaft im zweiten Abschnitt der Saison besser sein wird." Gegen den FC Arsenal verschaffte ausgerechnet der günstige Gray seinem Trainer eine Atempause.
Quelle: ntv.de, ter