Fußball

Verstärkungen müssen her Hoffnungsträger Nagelsmann hat Probleme

Würde gerne ein Mentalitätsmonster sein: Julian Nagelsmann.

Würde gerne ein Mentalitätsmonster sein: Julian Nagelsmann.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Unter Julian Nagelsmann warten die Bayern lange auf ihren ersten Sieg. Doch auch die beiden Erfolge gegen Borussia Dortmund und den 1. FC Köln zeigen viele Probleme im neuen Gebilde des deutschen Fußball-Rekordmeisters auf. Das sind die Stellschrauben, die jetzt gedreht werden müssen.

"Die Mentalität hat gestimmt, aber ein paar Stellschrauben gibt es noch", schrieb Bayern-Trainer Julian Nagelsmann auf Instagram, nachdem seine Mannschaft am 2. Spieltag der Fußball-Bundesliga mit 3:2 gegen den 1. FC Köln gewonnen hatte. Ein Satz, der gut zusammenfasst, wo sich der FC Bayern aktuell befindet. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte er zudem, dass "wir noch ein paar Schritte gehen müssen" und die Leistungsschwankungen nach dieser Vorbereitung normal wären. Hundertprozentig zufrieden ist der 34-Jährige trotzdem nicht. Es sind nur kleine "Aber", die er auf viele seiner Komplimente an die Mannschaft folgen lässt, jedoch sind es welche, die in den kommenden Wochen darüber entscheiden werden, wie schnell er sich als Bayern-Trainer etablieren kann.

Stellschraube 1: Flanken fliegen den Bayern um die Ohren

Eine erste Stellschraube, die Nagelsmann meinen könnte, ist die Anfälligkeit nach Flanken des Gegners. Schon in der Vorbereitung hatten die Bayern damit zu tun. Damals zwar personell stark dezimiert, aber mit ähnlichen taktischen Problemen. Gegen Köln und Gladbach gab es in den Testspielen drei Gegentore nach Hereingaben von außen. Im Pflichtspiel gegen Köln zeigten sich nun abermals Probleme.

Beim ersten Gegentor bekamen die Münchner zunächst keinen Druck auf den Ball und kamen anschließend im Zentrum zu spät, beim zweiten sah es ähnlich aus. Nagelsmann analysierte nach der Partie, dass vor allem das Verhindern der Flanken wichtig gewesen wäre, man anschließend aber nur noch wenig hätte tun können. Doch Niklas Süle sah zumindest beim ersten Tor der Kölner nicht gut aus. Statt bei seinem Gegenspieler zu bleiben, orientierte er sich nach vorn und spekulierte darauf, dass Jonas Hector den ebenfalls einlaufenden Dejan Ljubičić bedienen würde. Stattdessen köpfte Anthony Modeste ohne Bedrängnis ein.

Zu vieles beruht bei der Verteidigung von Flügelangriffen noch auf Spekulation, Antizipation und Zufällen. Nagelsmann hat es zwar bisher schon geschafft, die Defensive gegen Konter und lange Bälle zu stabilisieren, indem sein Team mit etwas weniger Risiko presst als noch unter Hansi Flick, aber bezüglich der Verteidigung von Flanken wird es wohl noch die eine oder andere Videoanalyse mit der Mannschaft geben.

Stellschraube 2: Einfache Ballverluste laden den Gegner zum Kontern ein

Ein großes Problem der Bayern ist darüber hinaus, dass einige Bälle zu leichtfertig vertändelt werden. So schoss Borussia Mönchengladbach am ersten Spieltag das 1:0 nach nur zehn Minuten, weil Alphonso Davies in eine vollkommen aussichtslose Eins-gegen-drei-Situation rannte. Auch beim viel umjubelten 3:1-Supercup-Sieg gegen Dortmund gab es einige Momente, in denen der Ballbesitz quasi hergeschenkt wurde. Der Spielaufbau der Münchner funktioniert bereits auf hohem Niveau, weil sich die Mannschaft insgesamt gut bewegt. Gerade im zweiten und im letzten Drittel geht den Bayern aber noch die Präzision abhanden.

Im ersten Durchgang gegen Köln war es geradezu absurd, wie oft der Rekordmeister mit Tempo und vielen Spielern gefährlich vor den Strafraum des Gegners kam - und letztendlich doch kein Abschluss entstand, den man als Großchance hätte bezeichnen können. Auch hier wird Nagelsmann berechtigterweise darauf hinweisen, dass die Mannschaft einfach noch Zeit braucht. Zeit ist in München aber ein kostbares Gut und so wird es recht zügig Fortschritte benötigen.

Stellschraube 3: Fitness und Kaderbreite reichen aktuell nicht

Einher mit diesem Zwiespalt aus fehlender Zeit und Erfolgsdruck geht auch der Fitnessstand der Mannschaft. Acht Tage stand der überwiegende Teil des Profikaders im Training, da ging es in der Bundesliga schon zum ersten Mal zur Sache. Das liegt vor allem daran, dass Nagelsmann den EM-Fahrern einen längeren Urlaub gewährte, als es eigentlich üblich ist.

Sein Blick ging dabei eben nicht auf die ersten Spieltage der neuen Saison, sondern auf die gesamte Spielzeit. In allen drei bisherigen Spielen zeigte sich in den letzten 20 Minuten, dass die Bayern noch weit von der Fitness entfernt sind, die sie auf ihrem Niveau benötigen. In der Schlussphase war man jeweils nur noch damit beschäftigt, das eigene Tor irgendwie abzusichern. Neben einigen Verletzungen ist es auch ein Problem für Nagelsmann, dass dem Kader eigentlich noch ein bis zwei Spieler fehlen. Der Klub betont zwar gern, wie gut man für die kommenden Aufgaben gerüstet ist, doch die Realität zeigt jetzt schon: Fallen nur wenige Spieler aus, wird es eng. Mit wenigen Ausnahmen führte nahezu jede Auswechslung bisher zu einem Qualitätsverlust. Und auch die Form einzelner Spieler ist noch bedenklich. Leroy Sané wieder auf Kurs zu bringen dürfte beispielsweise eine der größten Herausforderungen für Nagelsmann sein.

Gibt es Unterstützung vom Klub für Nagelsmann?

Zum Autor
  • Justin Kraft ist freier Autor und Blogger bei miasanrot.de.
  • Als Jahrgang 1993 durch die "Generation Kahn" mit dem FC Bayern in Kontakt gekommen.
  • Fußball-sozialisiert mit der "Generation Lahmsteiger", der er 2019 sogar ein nach ihr benanntes Buch widmete.

Angesichts der Situation dürfte es kaum verwundern, dass Nagelsmann gern noch Marcel Sabitzer fürs Mittelfeld hätte. Der Österreicher kann verschiedene Positionen spielen und würde neben seiner Qualität und Erfahrung auch wichtige Grundkenntnisse bezüglich des neuen Systems mitbringen, hat er in Leipzig doch erfolgreich mit dem Bayern-Trainer zusammengearbeitet. Wenn Nagelsmann also über die wenigen Stellschrauben spricht, die noch gedreht werden müssen, dann spricht er damit indirekt vielleicht auch den Klub an. Zwar zeigt er immer wieder Verständnis für die wirtschaftliche Situation seines Arbeitgebers, aber er weiß auch um seine eigene Situation.

Kann er nicht entsprechend rotieren oder innerhalb einer zweiten Halbzeit nicht ausreichend nachlegen, drohen die hohen sportlichen Ziele in die Ferne zu rücken. Und er damit zu scheitern. Mentalität ist sicher etwas, was die Bayern zu dem macht, was sie sind. Doch sie allein wird die aktuell noch fehlende Qualität nicht kompensieren können. Bis zum Ende des Monats haben die Bayern noch Zeit, ihrem Trainer beim Drehen an den Stellschrauben zu helfen.

Quelle: ntv.de

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