Vergabe der EM 2024 Nervöser DFB träumt vom Sommermärchen
27.09.2018, 09:56 Uhr
Zentrale Werbefigur: Philipp Lahm.
(Foto: imago/Laci Perenyi)
Der DFB steht kurz davor, im Ringen mit der Türkei den Zuschlag für die Fußball-EM 2024 zu bekommen. Das muss er auch, das Image des Verbandes ist nicht das beste. Nicht nur für Präsident Reinhard Grindel geht es um sehr viel.
Sie träumen von einem neuen Sommermärchen. Und so haben sich Bundestrainer Joachim Löw, Präsident Reinhard Grindel und - als zentrale Werbefigur und designierter Turnierorganisator - Philipp Lahm auf dem Weg nach Nyon in der Schweiz gemacht, um dem Deutschen Fußball-Bund das Recht zu sichern, 2024 erstmals seit 1988 wieder eine Europameisterschaft ausrichten zu dürfen. Dort entscheidet das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union an diesem Donnerstag, ob Deutschland oder doch die Türkei den Zuschlag bekommt. Wie die Uefa mitteilt, gibt sie das Ergebnis frühestens ab 14.45 Uhr bekannt. Deutschland geht als Favorit in die Abstimmung in der Uefa-Zentrale am Genfer See. Die Türkei ist Außenseiter.
Aber das war Katar auch, als es um die Weltmeisterschaft 2022 ging. Wer weiß schon, nach welchen Kriterien Sportfunktionäre ihre Entscheidungen fällen? Und es ist ja auch nicht so, dass der DFB ein unbefleckter Kandidat ist. Noch immer ist nicht geklärt, wer wem wie viel gezahlt hat, damit die Deutschen den Zuschlag für die WM 2006 bekamen. Und in der Affäre um Mesut Özil nach dem sportlichen Debakel bei der WM in Russland sah sich der DFB mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Der Spieler hatte in seiner Rücktrittserklärung namentlich den Präsidenten angegriffen. Der Verband wies das vehement zurück, Grindel räumte aber ein: "Ich hätte mich angesichts der rassistischen Angriffe an der einen oder anderen Stelle deutlicher positionieren müssen. Da hätte ich klare Worte finden müssen."
Das hat er aber nicht. Der internationalen Reputation des Verbandes war das eher nicht zuträglich. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte diese Vorlage dankbar genutzt und den DFB kritisiert. Die Uefa hatte allerdings am vergangenen Freitag einen Evaluationsbericht veröffentlicht, in dem der DFB deutlich besser abschneidet als der türkische Verband TFF. Pluspunkte sind, dass es die zehn Stadien, in denen gespielt werden soll, bereits gibt, die wirtschaftliche Stabilität und das Thema der Einhaltung von Menschenrechten, bei dem die Türkei in der Bewertung schlecht abschnitt. Das mit der EM 2024 dürfte also klappen. Aus Sicht des DFB und seines Präsidenten muss es das auch. Der Verband hatte die Bewerbung als "Leuchtturmprojekt" deklariert, bei dem es um die Zukunft des gesamten deutschen Fußballs gehe. Das ist sehr hochgegriffen und würde eine Niederlage bei der Abstimmung umso schmerzlicher machen. Daher hatte der Verband der Bewerbung alles untergeordnet.
Auch für Grindel geht es um viel
Wie nervös sie beim DFB sind, hatte jüngst der "Spiegel" aufgedeckt. Grindel hatte darauf gedrungen, das Test-Länderspiel gegen Peru, das die deutsche Mannschaft mit 2:1 gewann, in Sinsheim stattfinden zu lassen - und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in Frankfurt. Er fürchtete sich vor den Frankfurter Fans. Das Magazin zitierte aus internen Mails zwischen dem Präsidenten, seinem Vizepräsidenten Rainer Koch und dem Generalsekretär Friedrich Curtius. Grindel schrieb: "Ich halte das Risiko, dass wir bei dem Länderspiel ein Desaster erleben und dies kurz vor der EURO-Vergabe negative Auswirkungen hat, einfach für zu hoch, weil für mich die Frankfurter Ultra-Szene viel zu unberechenbar ist." Und weiter: "Man kann (...) die Befürchtung haben, dass die ja keineswegs dummen Ultras uns das Projekt EURO 2024 gerade kaputtmachen wollen, indem sie dort ein Inferno veranstalten."
Nicht wenige sagen, dass es heute für Grindel dabei um seine berufliche Zukunft geht. Den Job hatte er nur bekommen, weil sein Vorgänger Wolfgang Niersbach Ende 2015 wegen der Sommermärchen-Affäre rund um die WM 2006 zurücktreten musste. Im Amt ist der oft ungeschickt agierende Grindel erst einmal bis zum September kommenden Jahres, dann steht die nächste Präsidentenwahl an. Selbst bei einem Sieg in Nyon erscheint es unwahrscheinlich, dass danach der Chef des DFB weiter Grindel heißt.
Angeblich steht der ehemalige DFB-Kapitän Lahm schon bereit. Im Kern aber geht es nicht um einen Funktionär, sondern darum, in sechs Jahren als mutmaßlich wieder nahezu perfekter Gastgeber etwas für das längst nicht mehr ganz so gute Image zu tun. Und darum, dass sich mutmaßlich viele Menschen freuen würden, wenn dieses Fußballereignis in Deutschland stattfinden würde. Denn das ist es ja immer noch.
Wie funktioniert die Wahl? In der Exekutive des Europäischen Fußballverbandes Uefa sind 17 Männer und die Französin Florence Hardouin wahlberechtigt. Der Schwede Lars-Christer Olsson ist krank und fehlt. Um die Teilnahme von Andrea Agnelli, Präsident von Juventus Turin, gab es langes Rätselraten. Zuletzt zeichnete sich ab, dass der Italiener anwesend sein wird. Sollte es zu einem Unentschieden der Stimmen kommen, entscheidet das Votum von Uefa-Präsident Aleksander Ceferin, der dem deutschen Lager zugerechnet wird.
Wie läuft der Wahltag ab? Seit neun Uhr sitzt die Exekutive beisammen. Dabei geht es nicht nur um die EM 2024, sondern auch den Videobeweis in der Champions League. Für 13 Uhr stellen beide Bewerber sich und ihre Pläne vor, beantworten Fragen der Exko-Mitglieder. Nicht vor 14.45 Uhr sagt Ceferin, wer gewonnen hat.
Quelle: ntv.de