Fußball

DFB-Team begeistert wieder Nur acht Sekunden, dann war die Hoffnung zurück

Früher Jubel: Das DFB-Team feierte einen doppelten Traumstart.

Früher Jubel: Das DFB-Team feierte einen doppelten Traumstart.

(Foto: picture alliance / Pressefoto Baumann)

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft feiert einen starken Start ins EM-Jahr - und holt sich und dem Fußball-Volk endlich ein bisschen Hoffnung auf ein erfolgreiches Turnier im Juni zurück. Rückkehrer Toni Kroos begeistert den Trainer, der Weltmeister wiederum spielt, als wäre er nie weg gewesen.

Was ist da im Groupama Stadium von Lyon eigentlich passiert?

Viel schlimmer hätte es nicht kommen können für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft: Im Kampf um ein bisschen Euphorie für die Heim-EM im Juni und vor allem im Ringen um einen funktionierenden Plan für das Turnier, das nicht schon wieder im Desaster enden soll, traf das DFB-Team auf Frankreich. Den Vize-Weltmeister, die wohl beste Mannschaft des Kontinents. In Lyon ging es nicht mehr um pinke Trikots, es ging nicht mehr um den zum Kulturkampf hochgejazzten Ausrüsterwechsel des Verbands, es ging um Fußball. Um das Ende des Irrlichterns durch Experimente und wilde Ideen. Und es ging um Mut.

"Wenn man als Trainer Mut einfordert, muss man auch als Trainer mutig sein in seinen Entscheidungen", hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann im Vorlauf auf das Spiel gesagt. Er selbst hatte seinen Part erfüllt, stellte Neuling Maximilian Mittelstädt in die Startelf und schickte eine höchst kreative Truppe um die "Zauberer" (Nagelsmann) Jamal Musiala, Ilkay Gündogan und Florian Wirtz und dazu den formstarken Kai Havertz aufs Feld.

Auf sieben Positionen hatte Nagelsmann sein Team gegenüber dem 0:2-Desaster gegen Österreich verändert, mit dem man sich in Schimpf und Schande aus einem deprimierenden Länderspieljahr 2023 verabschiedet hatte. "Ich will, dass wir eine gewisse Lebensfreude zeigen. Ich bin weit davon weg, den Druck zu verstärken. Wir wollen Lebensfreude auf den Platz bringen", forderte er von seinem Team. Und dann stand auf der anderen Seite ein Weltstar wie Kylian Mbappé. Und ein Team, gegen den nicht mal der Plan mies sein muss, um unterzugehen. Auch, wenn Nationaltrainer Didier Deschamps eine 1b-Version seiner Traum-Équipe aufs Feld schickte.

Und dann steht es, die "Marseillaise" ist kaum verklungen, 1:0 für Deutschland. Mut, Lebensfreude, Tor nach acht Sekunden! Und auch wenn die Franzosen danach mit ihrer Hochgeschwindigkeits-Maschinerie um Mbappé auf der einen und Ousmane Dembélé auf der anderen Seite das Spiel immer wieder rasant in die deutsche Hälfte trug, zeigte sich die deutsche Mannschaft, dieses so lange so wackelige Gebilde, beeindruckend resilient. Mit Glück, Geschick und Lebensfreude verteidigte man die französischen Versuche weg. Und verdiente sich nach der Führung vor allem in der zweiten Hälfte diesen wichtigen Sieg. Der Verband, das Team und das Fußball-Volk darf sich über mehr als einen kleinen Funken Hoffnung freuen. Die Ansprüche sind ja gering geworden: Nur bitte kein weiteres Desaster.

Hier geht's zum Spielbericht!

Teams & Tore

Frankreich: Samba/Lens (29 Jahre, 1 Länderspiel) - Kounde/Barcelona (25/25) ab 61. Clauss/Marseille (31/11), Pavard/Inter Mailand (27/53), Upamecano/FC Bayern (25/18), Hernandez/Paris (28/37) ab 61. Theo/AC Mailand (26/25) - Tchouameni/Real Madrid (24/30) ab 74. Fofana/Monaco (25/1), Zaire-Emery/Paris (18/2) ab 61. Camavinga/Real Madrid (21/14), Rabiot/Turin (28/43) - Dembele/Paris (26/43) ab 84. Kolo Muani/Paris (25/14) Thuram/Inter Mailand (26/17) ab 61. Giroud/AC Mailand (37/131), Mbappé/Paris (25/76); Trainer: Deschamps
Deutschland: ter Stegen/FC Barcelona (31/39) - Kimmich/FC Bayern (29/83), Tah/Leverkusen (28/22), Rüdiger/Real Madrid (31/67), Mittelstädt/Stuttgart (27/1) - Kroos/Real Madrid (34/107) ab 89. Anton/Stuttgart (27/1), Andrich/Leverkusen (29/2) - Wirtz/Leverkusen (20/15) ab 72. Führich/Stuttgart (26/2), Gündoğan/Barcelona (33/74) ab 72. Müller/FC Bayern (34/127), Musiala/FC Bayern (21/26) ab 80. Füllkrug/Dortmund (31/14) - Havertz/Arsenal (24/43) ab 80. Undav/Stuttgart (27/1); Trainer: Nagelsmann
Schiedsrichter: Jesus Gil Manzano (Spanien)
Tore: 0:1 Wirtz (1.), 0:2 Havertz (49.)
Gelbe Karten: Mbappé, Rabiot - Andrich
Zuschauer: 56.000 in Lyon (ausverkauft)

Was war gut?

Es brauchte nur acht Sekunden, um zu zeigen: Hier läuft etwas anders als im Länderspieljahr 2023. Ein Neuanfang, ein Bruch mit der Vergangenheit. Acht Sekunden, die all das beinhalteten, was Bundestrainer Nagelsmann verbal in den vergangenen Wochen vorbereitet hatte. Der Anstoß, der erste Ball auf Toni Kroos, der spielt den langen Ball auf Florian Wirtz, der trifft sehenswert aus der Ferne. Aufbruchsstimmung. Und genau das setzte sich fort - zumindest in den jeweils ersten 20 Minuten der beiden Hälften: All das, was Nagelsmann angekündigt hatte, war erkennbar. Kroos nahm tatsächlich die Chefrolle ein, an seiner Seite arbeitete Robert Andrich.

Und die DFB-Elf erfüllte zumindest offensiv ihre wichtigste Aufgabe und ließ die beiden Zauberer Wirtz und Musiala ihre Leichtigkeit ausleben. Was das bedeutet, zeigte das 2:0. Der Laufweg von Musiala, der Pass von Wirtz: Das macht tatsächlich Hoffnung - auch, wenn es nur erste Ansätze sind und die Franzosen noch etwas von der EM-Form entfernt sind.

Was war noch gut?

Bei all den magischen Ansätze in der Offensive wäre einer fast vergessen worden: Joshua Kimmich. Beim FC Bayern hat er keine einfachen Monate hinter sich. Von Trainer Thomas Tuchel wurde er erst öffentlich angezählt, dann auch noch wie ein Beamter auf die Rechtsverteidigerposition zwangsversetzt. Aber: Kimmich machte seine Sache wirklich gut - und erinnerte wieder mal daran, dass er einst einer der besten Rechtsverteidiger des Weltfußballs war. Sein ehemaliger Kollege im defensiven Mittelfeld, der nicht-nominierte Leon Goretzka, lobte ihn zuletzt als herausragend.

Im Spiel gegen Frankreich machte Kimmich deutlich, wieso: Der absurd schnelle und dribbelstarke Kylian Mbappé hatte nur selten eine Chance gegen ihn. Und: Kimmich nahm auch offensiv am Spiel teil, setzte selbst Musiala in der ersten Hälfte in Szene. In dieser Form, auf dieser Position dürfte sich Fußball-Deutschland schnell mit dem immer besonders kritisch gesehenen Anführer versöhnen.

Wo war noch Luft nach oben?

Ohne Frage, vieles war gut. Deshalb sangen die etwa 950 mitgereisten deutschen Fans, die in ihrem Block, der unter dem Dach mit einem Netz verhängt war, schon in der 75. Minute: "Oh, wie ist das schön?" Aber, noch ist nicht alles schön. Zwar steht das erste Mal seit März 2023 (2:0 gegen Peru) die Null beim DFB-Team, dennoch wirkte die Abwehr das ein und andere Mal doch wackelig. Bislang war es das große Problem der DFB-Elf gewesen, alleine gegen die Türkei und Österreich gab es im November fünf Gegentreffer.

Und die Franzosen, die auch nicht in absoluter Bestbesetzung antraten und wirklich nicht ihre beste Leistung ablieferten, stressten die Defensivreihe der Nationalelf gleich mehrfach. In der ersten Hälfte verhinderte ter Stegen, der gegen Mbappe fast Neuer-artig mit einer Hand hielt, das Gegentor. Und während Kimmich souverän verteidigte, bekam Debütant Maximilian Mittelstädt das ein oder andere Mal seine Probleme mit dem Franzosen Ousmane Dembélé, der ihn einfach aussteigen ließ. Aber, das sollte in die Bewertung einfließen: Nach einer aufregenden Saison beim VfB Stuttgart war es für Mittelstädt auch das erste Spiel im DFB-Dress.

Wer ist der Gewinner des Abends?

Der deutsche Fußball? Julian Nagelsmann? Toni Kroos? Alle dürfen sich freuen, ja. Ein großer Gewinner des erfreulichen Spiels stand aber gar nicht auf dem Platz. EM-Organisationschef Philipp Lahm dürfte sich gewaltig darüber gefreut haben, dass die deutsche Mannschaft vielleicht, vielleicht doch noch ein bisschen Euphorie in sein Turnier mitbringt. Und nicht bloß die Angst, dass man sich nach der WM in Russland 2018, der bestenfalls enttäuschenden EM 2021 und dem Desaster von Katar wieder vor den Augen der Welt blamiert.

Lahm hat mit seinem Turnier Großes vor: Der Ticketvorverkauf war ein gigantischer Erfolg, klar, aber die EM soll auch Botschaften über den Fußball hinaus transportieren. Es geht um Nachhaltigkeit, natürlich. Aber das Turnier solle "wieder mehr Zusammenhalt zu schüren - in Deutschland, aber auch in Europa", sagte der Weltmeister von 2024. Die traurige Wahrheit ist: Zusammenhalt und schöne Bilder und frohe Botschaften gibt's nur im Erfolg. Liefert das DFB-Team ab Juni keine sportliche Erfolgsgeschichte ab, wird die EM 2024 nicht für die Botschaft stehen, die man sich erhofft.

Stimmen:

Julian Nagelsmann (Bundestrainer): "Großes Kompliment an die Mannschaft. Die ersten 25 Minuten waren sehr, sehr gut. In der zweiten Halbzeit haben wir uns nochmal gesteigert. Ich bin sehr, sehr zufrieden auch mit der Art und Weise, wie wir uns reingehauen haben. Das war ein Topspiel. Toni Kroos war unfassbar. Er war Taktgeber, hat unglaublich viel gearbeitet. Er gibt den anderen Spielern so viel Sicherheit."

Rudi Völler (DFB-Sportdirektor): "Das hat schon nach ein paar Sekunden unglaublichen Spaß gemacht. Das war mit das Beste, was wir in den letzten Jahren gespielt haben. Dieser Sieg war verdient. Wir waren in der zweiten Halbzeit souverän. Das hat richtig gut getan. Die Rückkehr von Toni Kroos war wichtig, er hat das von Anfang an unglaublich gemacht."

Toni Kroos: "Wir können sehr zufrieden sein. Wir haben einen guten und wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Es war eine Chance, sich Richtung EM ein gutes Gefühl zu holen. Es wurde einiges geändert. Es war die Frage, ob diese Veränderungen so schnell Früchte tragen. Wir hatten eine gute Trainingswoche und konnten das super mitnehmen in das Spiel. "

Quelle: ntv.de

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