Fußball

Debakel gegen Tabellenletzten "Sargnagel"-Spiel stürzt den HSV ins große Unglück

Laune im Keller. Aufstieg trotzdem noch drin.

Laune im Keller. Aufstieg trotzdem noch drin.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Der Hamburger SV steht zwar auf dem Relegationsplatz der 2. Bundesliga. Doch die Niederlage gegen Schlusslicht Osnabrück ist ein schwerer Rückschlag auf dem Weg zurück in die Bundesliga. Trainer Steffen Baumgart wählt deshalb klare Worte.

Als die Fußballer des Hamburger SV nach Abpfiff auf ihre Fans zugingen, schlug ihnen ein brutales Pfeifkonzert entgegen. Die Geduld der Tausenden auf der Nordtribüne wirkte arg strapaziert, in Teilen sogar schon aufgebraucht. Die 1:2 (1:1)-Niederlage im heimischen Volksparkstadion gegen den Tabellenletzten VfL Osnabrück befeuerte die Befürchtungen all jener, die den einst unabsteigbaren Bundesliga-Dino in Richtung Unaufsteigbarkeit abgleiten sehen: Wird aus dem HSV wirklich ein Langzeit-Zweitligist?

Mindestens ein resignierender Mann in HSV-Windjacke fasste die 90 Minuten als "Sargnagel-Spiel" zusammen, in dem es die Rothosen kaum einmal fertig gebracht hatten, die Defensive des Schlusslichts in größere Bedrängnis zu bringen. Eine Aussage, aus der auch der Fatalismus spricht, der die Gefühle in der Hansestadt stets zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt changieren lässt. Im schon sechsten Zweitliga-Jahr stehen die Hamburger nach 24 Spieltagen zwar trotz der Nullnummer weiter auf Relegationsplatz 3. Sie verpassten es gegen Osnabrück jedoch, aus den Punktverlusten des Ersten St. Pauli (1:3 beim FC Schalke) und Zweiten Holstein Kiel (2:2 bei Hertha BSC) Kapital zu schlagen. Dabei hatte der Stadionsprecher vor Anpfiff vorfreudig noch darauf hingewiesen, dass das Wochenende bis dahin "kaum besser" hätte laufen können. Allein: Bei bestem Frühlingswetter wussten die HSV-Profis mit diesen Vorlagen nichts anzufangen.

Baumgart hält Auftritt für eine "Katastrophe"

Trainer Steffen Baumgart wurde womöglich auch im Wissen um diese ausgelassene Großchance anschließend grundsätzlich. "Es geht nicht um die Qualität", sagte der Nachfolger von Tim Walter, dem die HSV-Führungsetage den Aufstieg nicht mehr zugetraut hatte: "Sondern darum, dass du gegen einen Gegner, der um die Existenz kämpft, genau das auch tun musst." Unabhängig vom finalen Ergebnis sei der Auftritt "eine Katastrophe" gewesen. So habe er in der Vorbereitung etwa explizit vor den Standards der Osnabrücker gewarnt.

Und trotzdem waren es zwei Freistöße, mit denen die Lila-Weißen zu ihrem ersten Auswärtssieg dieser Saison kamen. In der 6. Minute war es eine Flanke von Michael Cuisance, den Lukas Kunze am langen Pfosten unbedrängt verwandeln konnte. In der 89. Minute war es wieder ein Freistoß, der zur Entscheidung führte. Der flog in den Strafraum, der Ex-Hamburger Robert Tesche brachte seinen Fuß zwischen Ball und Gegner und Schiedsrichter Richard Hempel hatte dann beim Tritt von Ignace van der Brempt keine Wahl. Er zeigte auf den Punkt. Cuisance zielte daraufhin aus elf Metern nach rechts oben exakt unter die Latte und drehte jubelnd zum eindrucksvollen Auswärtsblock ab, als der Ball vom Aluminium auf die Torlinie und ins Netz gesprungen war.

Der zwischenzeitliche Ausgleich von Robert Glatzel kurz vor der Halbzeit hatte die Hamburger indes kaum beflügelt. Auch, weil Osnabrücks Trainer Uwe Koschinat seiner Mannschaft für den zweiten Abschnitt erfolgreich aufgetragen hatte, "dass es nur noch darum ging, das Spiel des HSV zu zerstören". Insbesondere nach dem Platzverweis für Kapitän Maxwell Gyamfi, der erst Gelb fürs Foul zum Elfmeter sah und dann in der 76. Minute an der Mittellinie ein weiteres Mal im Zweikampf zu spät kam. Gelb-Rot. "Maximal ein Punkt" sei damit eigentlich noch möglich gewesen, sagte Koschinat. Trotzdem war seine Elf wenig später zum erst dritten Mal in dieser Saison als Sieger vom Platz gegangen. Zum zweiten Mal übrigens gegen den HSV, auch das Hinspiel endete 2:1 für den VfL.

Der HSV bekommt die Qualität nicht auf den Platz

Steffen Baumgart vermisste eben jene "Leidenschaft" und jenes "Herz", das der Tabellenletzte gezeigt hatte. Allein mit schönem Fußballspielen sei der Aufstieg unerreichbar, resümierte der 52-Jährige: "Sondern nur mit klarer Arbeit und einer Mentalität, die allen da draußen zeigt, dass du aufsteigen willst". Baumgart stimmte also in eine Mentalitätsdebatte ein, wie sie auch Borussia Dortmund in schöner Regelmäßigkeit führt. Auch beim HSV scheint die Qualität der Einzelspieler zu oft höher als das, was sie gemeinsam auf den Rasen bringen.

"Was mir fehlt, ist eine gewisse Klarheit im Spiel", bemängelte Baumgart das seiner Meinung nach zu behäbige Offensivspiel der Hamburger. 68 Prozent Ballbesitz und 14:3 Torschüsse lassen eine deutliche Überlegenheit vermuten, richtig gefordert wurde Osnabrücks Keeper Philipp Kühn aber nur selten. Bei der Zweikampfquote lagen die Lila-Weißen vorn. Angeführt von Dauerläufer Michael Cuisance und dem ebenso unermüdlichen Abräumer Dave Gnaase gelang es ihnen so, nach dem überraschenden Heimsieg gegen Hannover in der Vorwoche, auch auf fremdem Platz ein Topteam niederzuringen.

Baumgart will alles hinterfragen

Baumgart kündigte deshalb "eine Analyse und ein Hinterfragen", das auch seine eigene Leistung umfassen sollte. Es gehe darum, die Mannschaft "dahin zu kriegen, wo sie stark sind" - also in die Situationen und Aktionen, die die Qualitäten des Kaders nutzbar machen. Gegen Osnabrück habe es zwar viele Ballgewinne gegeben. "Aber die Frage ist, was machen wir mit dem Ballgewinn?", so Baumgart. Gegen den defensiv stabilisierten Tabellenletzten habe es darauf keine zukunftsträchtige Antwort gegeben.

Dennoch wollte Baumgart nach seinem zweiten Spiel als HSV-Coach nicht zu pessimistisch in die Zukunft schauen. "Wir haben es selbst in der Hand", sagte er mit Blick auf die verbleibenden zehn Spiele, darunter auch das direkte Duell mit den Kielern, die derzeit zwei Punkte vor Hamburg auf dem direkten Aufstiegsplatz liegen. "Da gibt's noch eine Menge Arbeit, wie wir heute gesehen haben." Oder wie es ein Fan kurz nach dem Umstieg vom Stadion-Shuttlebus in die U2 Richtung Jungfernstieg hoffnungsvoll formulierte: "Es sind noch 30 Punkte zu vergeben."

Quelle: ntv.de

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