So wie einst Frank Mill Silva produziert unglaublichen Fehlschuss
11.12.2021, 19:35 Uhr
André Silva, Pechvogel.
(Foto: imago images/Picture Point LE)
André Silva ist ein Kandidat für alle Jahresrückblicke des Fußballs. Nicht, weil der portugiesische Stürmer so oft oder so wunderschön trifft, sondern weil er so spektakulär nicht trifft. Im Bundesliga-Spiel gegen Borussia Mönchengladbach liefert der Profi von RB Leipzig eine kuriose Szene.
Das deutsche Europameisterschafts-Aus im Sommer und das Ende der langen und lange schillernden Ära von Bundestrainer Joachim Löw, der Moment, in dem Robert Lewandowski den als ewig geltenden Torrekord von Gerd Müller nach knapp 40 Jahren aus den Geschichtsbüchern des deutschen Fußballs löschte, endlos viele wunderschöne Tore und bittere Momente, große Sekunden und leere Stadien: Die Jahresrückblicke des Fußballs können sich aus einem reichen Fundus unvergessener Szenen bedienen. Und irgendwo zwischen all diesen wird sich André Silva einreihen. Unfreiwillig. Denn der Stürmer von RB Leipzig leistete sich am Spieltag der Fußball-Bundesliga einen schlimmen Fehlschuss in der Tradition von Frank Mill.
Mill war im Sommer 1986 in seinem ersten Spiel für Borussia Dortmund ganz alleine auf das Tor des FC Bayern zugelaufen, Torwart Jean-Marie Pfaff war schon geschlagen und Mill musste nur noch einschieben. Doch irgendwie verhedderte sich der Ball zwischen den Beinen Mills, der Stürmer bugsierte den Ball irgendwie noch an den Pfosten. Eine Szene, die sich ins kollektive Gedächtnis des deutschen Fußball-Publikums eingebrannt hat.
"Ich vermute, er hat in der Situation mit mehreren Gedanken gespielt, wollte es besonders ästhetisch vollenden oder war nach den 40, 50 Metern, die er ja allein unterwegs gewesen war, auch ein bisschen müde. Sein Schuss am Ende dieser langen Strecke war scharf, vielleicht zu scharf", erinnerte sich Pfaff später an die Szene. "Das alles kann eben geschehen. Als Resultat - und das ist doch das Wichtigste - bleibt ein Stück deutsche Sportgeschichte. Großes Fußballentertainment, ein Moment für die Ewigkeit."
Das kann nun auch André Silva für sich reklamieren. Der scheiterte gegen Borussia Mönchengladbach ebenfalls am leeren Tor. In der 52. Minute hatte Gladbachs Torwart Yann Sommer weit vor dem Strafraum den Ball Christopher Nkunku vertändelt, der Silva bediente. Der Portugiese wurde nicht mal leicht bedrängt, chippte den Ball aber aus 14 Metern lediglich an die Latte des leeren Gehäuses. Eine Szene, die für Fassungslosigkeit sorgte.
Tedesco "hätte ihn reingemacht"
"Es ist schade, aber nicht nur diese Szene. Am Ende ist es gut gegangen. Ich glaube, dem Spieler ging die Szene noch länger durch den Kopf", sagte der neue RB-Coach Domenico Tedesco bei Sky. Für 23 Millionen Euro war Silva im Juli nach Leipzig gewechselt, mit der Empfehlung von 28 Treffern in der Vorsaison - einem mehr als Erling Haaland. Bei seinem neuen Klub tat er sich lange schwer: Nur zwei Tore waren ihm bis zum 12. Spieltag in der Bundesliga gelungen, inzwischen sind es immerhin vier.
Weil der 26-Jährige am Samstag nicht nur eine bittere, sondern auch eine gute Szene hatte: In der 33. Minute hatte er für das 2:0 gesorgt. Am Ende war sein kurioser Fehlschuss folgenlos geblieben, RB siegte nach zuletzt drei Bundesliga-Pleiten in Serie mit 4:1 gegen überforderte Gladbacher. Auch deshalb wurde die Szene von den Kollegen nicht überdramatisiert: "Das ist für ihn extrem bitter. Aber er hat sein Tor gemacht und wird auch weiter Tore schießen. Da gibts keine Kritik", sagte Mittelfeldspieler Kevin Kampl.
Frank Mill erging es da nicht so gut: Am Ende seines Bundesliga-Debüts stand, auch bedingt durch den schlimmen Patzer des Angreifers, lediglich ein 2:2. "Auf einmal lag der Ball genau zwischen meinen Beinen. Ich konnte ihn nicht mehr richtig kontrollieren. Pfaff kam wieder herangestürmt. Ich musste abschließen", sagte Mill Jahre später. "Und so kam dieser Kunststoß zustande. Statt den Ball zu versenken, schoss ich ihn tatsächlich an den kurzen Pfosten. Unfassbar. Es war die Lachnummer schlechthin." André Silva äußerte sich noch nicht. Sein Trainer Domenico Tedesco verriet in der "Sportschau" auf Nachfrage: "Ja, ich hätte ihn reingemacht." Und begann zu lachen. Alles noch mal gut gegangen.
Quelle: ntv.de, ter