Weinzierl? Neues Stadion? Kein Sané So ambitioniert plant RB Leipzig den Aufstieg
08.03.2016, 16:29 Uhr
Beliebt: Mehr als 26.000 Zuschauer sehen sich im Schnitt die Spiele in Leipzig an.
(Foto: imago/Karina Hessland)
Trotz der Niederlage in Freiburg plant RB Leipzig unverdrossen für die Fußball-Bundesliga. Alles scheint perfekt, ein neues Stadion für 80.000 Zuschauer steht zur Debatte. Nur bei der Transparenz bleibt der Eindruck von Hinterzimmer-Politik.
Christian Streich hatte nach der Schneeballschlacht zwischen dem SC Freiburg und dem Tabellenführer RB Leipzig noch ein paar beruhigende Worte für die Gäste übrig. "RB Leipzig wird in der kommenden Saison in der Bundesliga spielen", sagte Freiburgs knorriger Trainer. "Da braucht sich keiner Gedanken zu machen." Im Spitzenspiel der zweiten Fußball-Bundesliga am Montagabend bei dichtem Schneetreiben hatten sich dennoch die Breisgauer mit 2:1 (1:0) gegen den Ligaprimus durchgesetzt. Die Gastgeber hatten sich einen Tick besser an die Bedingungen angepasst, agierten zielstrebiger und nutzten zwei Abwehrpatzer von RB eiskalt aus. "Freiburg ist jetzt an uns dran, aber wir haben immer noch die bessere Ausgangsposition. Es ist noch nichts verloren", sagte RB-Kapitän Dominik Kaiser.
Das klang dramatischer als die Situation für Rasenballsport tatsächlich ist. Noch immer hat der Red-Bull-Klub sechs Punkte Vorsprung auf Relegationsrang drei und den 1. FC Nürnberg); bis zu Nichtaufstiegsplatz vier, den der FC St. Pauli belegt, sind es neun Zähler. Das Team hat inzwischen genug Klasse und Konstanz, auch frustrierende Niederlagen wie jüngst auf St. Pauli wegzustecken und danach spielerisch umso dominanter aufzutreten. Nur folgerichtig also, dass hinter den Kulissen die sportlichen und administrativen Planungen für die Bundesliga laufen:
- Erste Priorität hat in diesen Wochen die Suche nach einem Nachfolger für Trainer Ralf Rangnick, der sich nach der Saison wieder ausschließlich auf das Amt des Sportdirektors konzentrieren will. RBL-Boss Oliver Mintzlaff soll auf der Mitgliederversammlung von Rasenballsport Anfang März gesagt haben, dass der neue Mann in "vier bis sechs Wochen" gefunden sein soll, also Anfang bis Mitte April. Rangnick selbst drückte es jüngst so aus: "Ab dem Moment, in dem wir wissen, in welcher Liga wir spielen, können wir zeitnah sagen, wer Trainer ist." Als heißeste Kandidaten gelten nach wie vor Augsburgs Trainer Markus Weinzierl (Vertrag bis 2019) und Nürnbergs Coach René Weiler (bis 2017). Noch, so Mintzlaff sei keine Einigung erzielt worden. Weinzierls Berater Roman Grill hält sich komplett bedeckt, sagte auf n-tv.de-Anfrage nur, dass er sich dazu nicht äußern könne. Und Mintzlaff sagte: "Wenn alles klar ist, werden wir das auch kommunizieren. Aber in diesem Stadium sind wir noch nicht. Wir wissen, was wir wollen und jetzt schauen wir, dass wir zueinanderfinden."
- Zweitens plant RB den Kader für die kommende Spielzeit. Mintzlaff sprach jüngst von einem "ähnlichen Umbruch wie im vergangenen Sommer". Damals hatte RB elf neue Spieler verpflichtet und 18,6 Millionen Euro investiert. Zudem waren Leistungs- und Hoffnungsträger wie Marcel Sabitzer, Stefan Ilsanker und Massimo Bruno ablösefrei von Schwesterklub Red Bull Salzburg gekommen. Ausgetauscht werden in diesem Sommer wohl vor allem die Ergänzungsspieler. "Dass wir die Mannschaft in größerem Stil verändern, kann ich ausschließen", sagte Rangnick. "Dass wir dem Kern beziehungsweise dem Grundgerüst des Kaders vertrauen, steht für mich außer Frage. Wir haben derzeit einen Stamm von 14, 15 Spielern, die - wenn es nach mir geht, und danach geht es normalerweise - auch in der nächsten Saison noch hier spielen werden."

"Dass wir dem Kern beziehungsweise dem Grundgerüst des Kaders vertrauen, steht für mich außer Frage": Ralf Rangnick.
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Spekulationen über Verpflichtungen wie die des horrend teuren Schalker Topstars Leroy Sané hatte Mintzlaff bereits vor Wochen unmissverständlich dementiert. "Sané für 40, 50 Millionen Euro zu kaufen, ist ausgeschlossen. Das ist nicht unser Weg", hatte der Fußballdirektor von Red Bull jüngst bei einer Podiumsdiskussion gesagt. Der 40-Jährige machte deutlich: "Wir werden in der Bundesliga eine konkurrenzfähige Mannschaft haben, wollen aber auch weiterhin keine verrückten Sachen machen. Dazu gehört, dass wir keine Spieler kaufen, die 40 Millionen Euro kosten. An dieser Philosophie werden wir festhalten." Dass der potente Geldgeber aus Österreich sein Engagement in der Bundesliga plötzlich verdoppele, müsse keiner befürchten. "Wir gehen unseren ambitionierten Weg weiter, werden unseren Etat aber in der Bundesliga nicht extrem nach oben schrauben."
- Drittens befasst sich RB aktuell mit einem Stadionaus- oder Neubau. Bis Anfang Mai soll Abteilungsleiter Ulrich Wolter prüfen, ob ein Neubau für 80.000 Zuschauer am Stadtrand generell realisierbar sei. "Wir wollen das Thema auch für uns intern entscheiden, wollen wissen, wo mögliche Standorte in Richtung Messe oder Flughafen sein können", sagte Mintzlaff. Nach dieser grundsätzlichen Prüfung der Option Neubau, sagte Mintzlaff, "gilt für mich das, was in der 1. Liga passiert. Sind wir bei jedem Spiel ausverkauft und müssen wir etwas tun, um die Nachfrage bedienen zu können? Oder sind wir mit 43.000 Zuschauern erst einmal happy?" Die tatsächliche Entscheidung, ob die Red-Bull-Arena in Zentrumsnähe auf bis zu 57.000 Plätze erweitert wird oder tatsächlich eine neue Spielstätte am Stadtrand entsteht, hängt auch von infrastrukturellen Fragen ab, fällt frühestens im Frühjahr 2017. Tendenz: RB bleibt im früheren Zentralstadion im Stadtzentrum.
- Viertens, so preist es Mintzlaff bei jeder Gelegenheit an, stehe hinter all den Überlegungen ein Spar- und Effizienzkurs. Der Bonner begreift seinen Job wie ein Unternehmensberater - und setzt beim Red-Bull-Klub den Rotstift an. Neben dem Energy-Drink-Fabrikanten sowie den bestehenden vier Sponsoren sollen weitere neue Geldgeber ins Boot geholt werden. Hintergrund: Wenn RB eines Tages an Uefa-Wettbewerben teilnimmt, muss laut Financial Fair Play der Etat-Anteil von Investor Red Bull von derzeit etwa 70 auf 30 Prozent gesenkt werden. "Wir möchten jeden Euro so sinnvoll wie möglich ausgeben", hatte Mintzlaff im Trainingslager in Belek gesagt. RB habe bislang eine "effiziente Unternehmenskultur" gefehlt. "Wir haben in der Vergangenheit einen gewissen Anschub genossen, um Prozesse ins Laufen zu bringen. Jetzt erwarte ich von jedem einzelnen noch viel mehr unternehmerisches Handeln – von der Servicekraft bis zum Abteilungsleiter", forderte Mintzlaff. "Da haben wir noch Nachholbedarf." Auch eine indirekte Kritik an den bisherigen Hauptverantwortlichen, unter anderem den Ex-Geschäftsführern Ulrich Wolter und Frank Zimmermann (verlässt den Verein Ende März). Generell glaubt Mintzlaff, "durch diesen Effizienzprozess siebenstellige Summen" einsparen zu können. Im Verein ist von einer hohen Millionensumme die Rede. "Wir müssen deutlich aktiver werden", forderte Mintzlaff. Bis spätestens zum 1. Juli werden in diesem Zuge entscheidende Positionen wie die des neuen Geschäftsführers, neuen Marketingchefs und des künftigen Finanz-Abteilungsleiters vorgestellt.
- Fünftens würde dem Marketingklub auch weiterhin mehr Transparenz in den Führungsgremien guttun. Zwar öffnete sich die einstige Auster RB in den vergangenen Monaten unter Federführung des neuen Kommunikationschefs Florian Scholz bereits ein gutes Stück. Doch was Einblicke in die Entscheidungs- und Führungsstrukturen angeht, hat Rasenballsport noch immer ein merkwürdiges Verständnis von Öffentlichkeit und Fanteilhabe. Bis auf Mintzlaff, Vereinsvorstand und Interimsgeschäftsführer in Personalunion, äußert sich keiner der mittlerweile 17 stimmberechtigten Mitglieder des Klubs - allesamt Funktionsträger - öffentlich. Neu hinzugekommene Akteure wie Wolfgang Altmann, seit einem Jahr einziger Vertreter aus der Fanbasis in den Gremien, sind nicht zu sprechen. Von zwei weiteren, neuen Mitgliedern will RB weder Namen, noch deren Funktion preisgeben. So bleibt der Eindruck von Hinterzimmer-Politik bei RBL bestehen.
Zwar hat der Verein mittlerweile 227 Fördermitglieder (Mitgliedsbeitrag je nach Engagement 100 bis 1000 Euro), die seit den Lizenzierungsverhandlungen 2014/2015 bei den Mitgliederversammlungen immerhin das Recht haben, zuzuhören und sich zu Wort zu melden. Doch Mintzlaff machte nach der jüngsten Mitgliederversammlung Anfang März die Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Mitgliederstruktur von RBL deutlich: "Ein ordentliches Mitglied ist bei uns keiner, der einmal im Jahr zur Mitgliederversammlung kommt, eine Dose Red Bull trinkt, ein paar Schnittchen isst und sich informativ abholen lässt, was es so Neues gibt", sagte der Multifunktionär. "Sondern für uns ist einer ordentliches Mitglied - das auch mitbestimmt -, wenn er sich inhaltlich in den Verein einbringt. Zu dieser Philosophie stehen wir, und daran werden wir festhalten." An dieser Maxime, so Mintzlaff weiter, werde sich auch in der ersten Liga nichts ändern.
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Quelle: ntv.de