Fußball

Mit eigenen Waffen düpiert "Totalausfall" Leipzig entsetzt im RB-Duell

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Schwer enttäuscht von seinen Spielern: Ralf Rangnick.

(Foto: imago/Matthias Koch)

Im Europa-League-Duell der Red-Bull-Klubs spielt RB Leipzig schlecht und zeigt wenig Einsatz. Besonderes Drama: Trainer Ralf Rangnick wird mit dem Fußball geschlagen, den er in seiner Zeit beim FC Salzburg dort einstudierte.

Als RB Leipzigs Spieler noch versuchten, die 2:3 (0:2)-Pleite zum Auftakt der Fußball-Europa-League gegen den Red-Bull-Schwesterklub aus Salzburg in Worte zu fassen, enterten die Gäste johlend den Mannschaftsbus. Das Team des gebürtigen Leipzigers Marco Rose feixte ausgelassen, klatschte sich lautstark ab und schrie die Freude über den Sieg durch die Garage des Leipziger Stadions.

Ein heftiger Kontrast zum ersten und teils auch zweiten Bundesligajahr der Leipziger, als reihenweise Gästeteams konsterniert, weil chancenlos, abgereist waren. Salzburgs knapp 1000 mitgereiste Fans hatten nach Spielschluss im - trotz des brisanten Duells - nur mit knapp 25.000 Zuschauern besetzten Stadion gesungen: "Seht ihr, Leipzig, so wird das gemacht." Zuvor hatten die österreichischen Anhänger ihre Ablehnung für den sogenannten "Bruderklub" bei einem Fanmarsch zum Stadion zum Ausdruck gebracht. Wegen der vielen Wechsel von Salzburg nach Sachsen ist die Atmosphäre zwischen den Fanlagern angespannt.

Es waren Szenen wie diese, die verdeutlichten, wie groß die Genugtuung für die Österreicher war, das Red-Bull-Derby für sich entschieden zu haben. In Worten mochten sie das nur sehr verhalten und nüchtern ausdrücken. Abwehrspieler André Ramalho sagte etwa, dass er Salzburg "nie als kleine Schwester" gesehen habe. Und Trainer Rose bezeichnete den Coup als "eine sehr coole Geschichte, ich freue mich wirklich. Es ist ein spezieller Sieg für mich - keine Frage. Und die Jungs haben sich richtig gefreut in der Kabine."

"Totalausfall auf vielen Positionen"

Zu Recht, denn obwohl dem eingewechselten Stürmer Fredrik Gulbrandsen der Siegtreffer erst eine Minute vor Schluss gelang (89.), war der Sieg des österreichischen Meisters keineswegs glücklich oder zufällig. Vielmehr geriet vor allem die erste Hälfte zu einer eindrucksvollen Machtdemonstration. Amadou Haidara, der im Winter nach Leipzig wechseln soll, und seine Mitspieler kämpften mit dem Messer zwischen den Zähnen und zeigten den staunenden und überforderten Leipzigern mit deren eigenen Mitteln, wer aktuell den besseren Pressingfußball aus dem Hause Red Bull abliefert. "Ich habe drei Jahre lang mit dazu beigetragen, dass heute so eine Mannschaft auf dem Platz stand. Ich wusste, was uns erwartet", sagte RBL-Trainer Ralf Rangnick ernüchtert. "Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass alle auf dem Platz verstanden haben, was da an Dynamik und Wucht auf uns zukommt." Dass der einstige Salzburger und aktuelle Leipziger Sportdirektor mit jenem Fußball geschlagen wurde, den er selbst in der Mozartstadt installiert hatte, entbehrte nicht einer gewissen Komik.

Dem 60-Jährigen war freilich gar nicht zum Lachen zumute. Rangnick lieferte enttäuscht und ratlos ob der Leistung seiner Mannschaft in den ersten 45 Minuten ein halbes Dutzend Umschreibungen für die Leistung: von "unterirdisch" und "nicht akzeptabel" bis "Totalausfall auf vielen Positionen" und: "Der Auftritt in der ersten Halbzeit ging gar nicht." Der erst zur zweiten Hälfte eingewechselte Diego Demme nannte den Auftritt eine "Katastrophe, da gibt es keine Ausreden. Manche Spieler waren heute ganz woanders, aber nicht auf dem Spielfeld, und haben keine Einstellung gezeigt zu dem Spiel."

"Intensiver spielen als sie"

Die schlechtesten Leipziger in der Defensive waren sicher Innenverteidiger Ibrahima Konaté, der die Salzburger mit anfängerhaftem Stellungsspiel und diversen Ausrutschern zu Torchancen einlud, und Stefan Ilsanker. Der Defensivallrounder sollte das Spiel strukturieren, war aber in der Rolle des alleinigen Sechsers überfordert. Rangnick hatte seine Elf genau wie Salzburg überraschend mit Raute im Mittelfeld aufgestellt. "Unser Ansatz war, dass wir den Gegner spiegeln wollten", erklärte Rangnick den Matchplan. "Wir wollten über die Einstellung zeigen, dass wir mehrheitlich besser besetzt sind als der Gegner."

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Diego Demme hat für das schlechte Spiel "keine Ausreden".

(Foto: imago/opokupix)

Das funktionierte nicht ansatzweise. Ebenso wenig wie Rangnicks Personalauswahl an diesem Abend - ohne Demme und Emil Forsberg in der Startelf. Beide Klubs trugen zwar den gleichen Sponsor auf der Brust - Geldgeber Dietrich Mateschitz war nicht im Stadion - agierten aber mit einer völlig unterschiedlichen Einstellung zum Spiel. Rose konnte sein Team nur loben: "Wir wollten intensiver spielen als sie. In den richtigen Momenten waren wir aufmerksamer und handlungsschneller."

Ein haarsträubender Fehlpass von Ilsanker führte zum 1:0 durch Munas Dabbur (20.); und auch drei Minuten später ließ Ilsanker die Salzburger gewähren, als er einen Pass in die Nahtstelle der Abwehr nicht verhindern konnte. Das Innenverteidiger-Duo Dayot Upamecano und Ibrahima Konaté ließ sich überlaufen, trabte nur lustlos hinterher und sah zu, wie Haidara das 2:0 (23.) erzielte. Mit Galgenhumor sagte Rangnick: "Die Salzburger waren sich ja uneins, welcher von den Dreien den Ball ins Tor schießen soll."

Die eklatante Defensivschwäche zieht sich wie ein roter Faden durch die bisherige Saison. In seinen elf Pflichtspielen bislang kassierte Leipzig nur zwei Mal keinen Gegentreffer. Seit dem Bundesligastart vor einem Monat in Dortmund musste Rangnicks Team zwölf Gegentreffer in fünf Spielen hinnehmen. Eine desaströse Quote, die zeigt, dass sich die Mannschaft im Vergleich zur Abwehrschwäche in der Vorsaison unter Ralph Hasenhüttl derzeit sogar noch zurückentwickelt hat. Doch schlecht war nicht nur die Leipziger Defensive, wo es seit Wochen lichterloh brennt, auch offensiv brachte das Team in der ersten Hälfte nichts zustande, spielte Fehlpässe im Spielaufbau und ließ sich die Bälle von den aggressiven Salzburgern abnehmen. Jean-Kévin Augustin oder Bruma etwa waren nicht wahrzunehmen. Die Beobachter in Leipzig fragten sich, wann sie zuletzt eine so kopf- und hilflose Leistung gesehen hätten.

"Hätten heute fünf oder sechs Stück kassieren können"

Angesprochen darauf, warum seine Mannschaft derzeit nicht zu null spiele, antwortete Rangnick lakonisch: "Zu null? Sie machen Witze! Wir hätten heute fünf oder sechs Stück kassieren können. Ich wäre heute schon zufrieden gewesen, wenn es nur zwei gewesen wären." Und an seine Abwehrspieler schickte Rangnick noch hinterher: "Das hat etwas damit zu tun, wie ich Zweikämpfe bestreite und wie sehr ich sie gewinnen will."

Mit gleich drei Wechseln zur Pause ("habe ich erst zwei oder drei Mal in meiner Karriere gemacht") setzte Rangnick ein Signal, das von Mentalitätsspielern wie Demme und Yussuf Poulsen, der nach Flanke von Kevin Kampl per Kopf zum 2:2 traf (82.), auch aufs Feld getragen wurde. Der gute Konrad Laimer, der bislang letzte aus Salzburg nach Leipzig gewechselte Spieler, hatte zuvor einen Patzer von Andreas Ulmer zum 1:2 ausgenutzt (70.). Doch wie Salzburg dann mit zwei Hackenablagen erneut Upamecano und Konaté düpierte, hatte Klasse und entblößte Leipzigs Hilflosigkeit in der Rückwärtsbewegung. "Wie wir beim 2:3 verteidigen, ist ganz traurig", sagte Marcel Sabitzer konsterniert. "Das müssen wir abstellen, sonst holen wir ganz wenig. Das zieht sich seit Längerem durch bei uns." Sabitzer, ebenfalls mit Salzburger Vergangenheit, sagte: "Von Salzburg müssen wir uns 'ne Scheibe abschneiden."

Quelle: ntv.de

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