Fußball

St. Paulis Serienrekord endet Umgarnter Hürzeler verzockt sich bei turbulentem Pokal-Abend

Hürzeler kassierte die erste Pleite seit April 2023.

Hürzeler kassierte die erste Pleite seit April 2023.

(Foto: REUTERS)

Die wahnsinnige Ungeschlagen-Serie des FC St. Pauli endet im DFB-Pokal-Viertelfinale. Ein spätes Tor rettet die Hamburger noch ins Elfmeterschießen, doch am Ende jubelt Düsseldorf. Zum wiederholten Mal kochen die Emotionen von Trainer Fabian Hürzeler über - das hat Konsequenzen.

Das rote Tor, das die Fans vom Rasen trennt, schließt sich gerade erst hinter Fabian Hürzeler, da bricht um den Trainer des FC St. Pauli auch schon der Jubelsturm los. In der 120. Minute des Viertelfinales im DFB-Pokal gegen Fortuna Düsseldorf hatte Schiedsrichter Sascha Stegemann Hürzeler mit Gelb-Rot des Rasens verbannt. In der 120.+1 Minute trifft Carlo Boukhalfa aus dem Nichts zum 2:2-Ausgleich für Pauli und rettet seinen Klub ins Elfmeterschießen.

Hürzeler steigt zum Jubel kurz auf den Zaun, wird dann von den Fans umringt und in Ekstase angebrüllt. Doch die Freude hat nicht lange Bestand, St. Pauli verliert und ist raus. Gejubelt wird auf der anderen Seite, bei der Fortuna, die ist im Glück. "Großartig, unfassbar. Ich habe nicht mehr daran geglaubt", sagt Trainer Daniel Thioune und erklärt: "120. Minute - wer da stirbt, der stirbt normalerweise auch im Elfmeterschießen."

Nicht aber Düsseldorf, bei dem Torhüter Florian Kastenmeier zum prägenden Mann wird. Erst hält er den Schuss von Maurides - und glänzt dann sogar doppelt gegen Marcel Hartel. Eben jenem Stürmer, der am Samstag beim Bundesliga-Aufeinandertreffen der beiden Klubs mit seinem Doppelpack noch den 2:1-Sieg für die Hamburger bereitet hatte. Auch an diesem Dienstagabend trifft er, in der 60. Minute gleicht er per Strafstoß zum 1:1 aus. Doch im Elfmeterschießen nach der Verlängerung ist Kastenmeier der Sieger. Weil er beim ersten Elfmeter Hartels mit keinem Fuß mehr auf der Linie steht, wird das Duell wiederholt. Doch wieder ist der Keeper zur Stelle und so kann Christos Tzolis mit seinem anschließend verwandelten Elfmeter alles klar machen für Düsseldorf.

Irre Serie endet mit K.o.

Es ist ein Abend wie eine Achterbahnfahrt mit desaströsem Ende für Hürzeler und seine Hamburger. Es gibt die wettbewerbs- und saisonübergreifend erste Niederlage seit dem 21. April 2023. Damals hatte der Erzrivale Hamburger SV die Stadtnachbarn besiegt. Seitdem hatte es 16 Siege und elf Remis gegeben. Eine unfassbare Serie. Eine, die St. Pauli an die Tabellenspitze der 2. Fußball-Bundesliga führt und eben bis unter die letzten Acht im Pokal.

Es lief nicht bei Sascha Burchert.

Es lief nicht bei Sascha Burchert.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Die Aufstiegsaspiranten waren als Favoriten in das Pokal-Duell gegangen, zumal der Sieg vom Samstag mit selbstbewusster Souveränität erzielt worden war. Doch Hürzeler, der dieses Spiel von der Tribüne aus hatte sehen müssen, weil er eine Gelbsperre absaß, verzockt sich auch mit seinen Wechseln in der Aufstellung. Drei Mann tauscht er aus - zu viel. Die reinrotierten Lars Ritzka und Etienne Amenyido werden aufgrund schlechter Leistungen schon zur Halbzeit wieder vom Platz genommen, Sascha Burchert aber, der das Tor anstelle von Nikola Vasilj hütet, spielt durch. Und das ist folgenschwer.

In der 35. Minute foult der 34-Jährige Düsseldorfs Vincent Vermeij, der frei auf sein Tor zuläuft. Aus einem zunächst angezeigten Abseits wird dann doch Gelb und ein fälliger Strafstoß, den Vermeij verwandelt. In der Verlängerung lässt er einen vergleichsweise harmlosen Schuss von Christoph Daferner abprallen, der Ball fällt Ao Tanaka vor die Füße, der in der 99. Minute die erneute Führung herstellt. "Vor dem Elfmeter ist es für mich ein freier Ball, wo ich hinmuss", sagt Burchert nach der Partie, "beim zweiten Gegentor rutscht mir der Ball wieder raus, den muss ich halten. Es war eine Achterbahnfahrt, und meine Achterbahn ist jetzt im Keller."

Sein Trainer nimmt ihn in Schutz: "Fehler passieren. Und auch Sascha speziell mache ich keinen Vorwurf, weil er alles versucht hat. Ich glaube nicht, dass er den Ball prallen lassen will." Und ergänzt: "Er ist so wichtig für mich, er bekommt mein vollstes Vertrauen. Er kriegt meine totale Unterstützung, weil er nicht nur als Spieler enorm wichtig ist für mich, sondern auch als Mensch. Wir werden noch weiterhin von seiner Erfahrung profitieren."

Hürzeler zürnt über Schiedsrichter

Hürzeler selbst hat nach seiner Gelbsperre aus der Bundesliga offenbar noch keine Erfahrung angewendet. Erst regt er sich in der 51. Minute vehement auf und wird verwarnt, dann gehen kurz vor Ende der Verlängerung die Nerven mit ihm durch. Weil Stegemann einen Angriff der Düsseldorfer laufen lässt, Tzolis sogar trifft - und es aber glasklares Abseits ist. Die Zeit läuft gegen St. Pauli, zu viel für Hürzeler. Einsicht zeigt der 30-jährige Coach nicht: "Ich weiß nicht, weshalb ich die Karten bekommen habe, es gab keine Kommunikation." Und legt nach: "Ich habe nicht gemeckert, aber der pfeift auch einen Blödsinn. Der pfeift in manchen Situationen ins Blaue."

Nach seiner Gelbsperre in der Bundesliga hatte der junge Trainer betont, lernfähig sein zu wollen. Auf Kosten der Authentizität dürfe das nicht geschehen, "das ist mir ganz wichtig". Mit seinem neuerlichen Meckern und dem Verweis stellt er das unter Beweis. Es rückt ihn aber auch in ein Licht, das nicht mehr nur positiv ist.

St. Pauli ist die erste Profistation des einstigen Mittelfeldspielers, der es auf dem Platz aber nie zur großen Karriere schaffte. Seit er am 29. Januar sein erstes Spiel der Hamburger absolviert hat, hat er sich längst einen Nimbus erschaffen. Längst wird er mit größeren Klubs in Verbindung gebracht, beim Geraune um Dortmunds Edin Terzic fiel etwa sein Name. Auch, weil sich Hürzeler sehr zum Leidwesen von St. Pauli bislang nicht auf eine Verlängerung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrags eingelassen hat. Dem Vernehmen stellt Hürzeler als Bedingung, eine Ausstiegsklausel zu erhalten, das lehnt der Klub aber ab.

Hürzeler sagte dazu: "Das Gefühl muss stimmen." Ein Abgang scheint also durchaus möglich. Die Fans, die beim 2:2 zum Ende der Verlängerung noch mit ihm feiern, dürfte das nicht erfreuen. Denn er ist der Mann, der sie seit dem Abstieg in der Saison 2010/11 und nach zuletzt zwei guten, aber eben nicht für den Aufstieg ausreichenden fünften Plätzen in der 2. Bundesliga wieder ernsthaft träumen lässt vom deutschen Fußball-Oberhaus.

Quelle: ntv.de

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