Fußball

Vinicius Jr. ohne Ballon d'Or Der Mann, für den Real Madrid den Eklat provoziert

Es ist zum Verzweifeln: Vinicius Junior verpasst den Ballon d'Or knapp.

Es ist zum Verzweifeln: Vinicius Junior verpasst den Ballon d'Or knapp.

(Foto: picture alliance / abaca)

Real Madrid rechnet eigentlich fest damit, dass ihr Angreifer Vinicius Junior in diesem Jahr den Ballon d'Or gewinnt. Doch der Brasilianer wird nicht gekrönt, sondern Man Citys Rodri. Die Madrilenen boykottieren daraufhin die Veranstaltung, ihr "Vini" bleibt damit eine Reizfigur.

Noch am Wochenende war sich Vinicius Junior sicher. Klar, der geschichtsträchtige Clasico gegen den FC Barcelona ging mit 0:4 verloren. Doch das Heimdebakel in der spanischen Fußballliga rückte in den Hintergrund. Denn am Montag, da sollte er nach Paris fliegen und als der Beste seiner Zunft geehrt werden. Und so hatte der 24-Jährige für Barças Gavi nur einen Satz übrig, als der ihm gegen Ende der Partie vier Finger entgegenstreckte, die die vier Tore symbolisierten, die Real Madrid im heimischen Santiago Bernabeu kassiert hatte: "Ja, ja, aber am Montag gewinne ich den Ballon d'Or."

Bekanntlich kam es anders. Obwohl dieses Jahr, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, bei der Auszeichnung besonders auf die Geheimhaltung geachtet wurde, sickerte vorab schon durch, dass Vinicius Jr. die Trophäe nicht bekommen würde. Der Ex-Fußballer Toni Kroos (selbst neunter Platz) sagte während der Übertragung seiner "Icon League", dass sich die Königlichen relativ sicher gewesen seien, dass ihr Flügelstürmer die Trophäe holen würde. Kroos sei auch gefragt worden, ob er nicht bei den Madrilenen mitreisen wolle. Er lehnte ab.

Weder Kroos noch "Vini" gewannen den Preis, sondern der 28-jährige Rodri war es, der erst als bester Spieler der Europameisterschaft und nun zum "Weltfußballer des Jahres" ausgezeichnet wurde. Der Mittelfeldstratege von Manchester City hatte seinen Klub zur erneuten englischen Meisterschaft und seine Nationalelf zum EM-Titel in Deutschland geführt. Zuletzt machte er auf die Überlastung der Fußballprofis aufmerksam, die in immer mehr aufgeblähten Wettbewerben auflaufen müssen, ehe er sich selbst das Kreuzband riss.

Im Starensemble die größte Attraktion

Und dennoch rückte der Gewinn des Spaniers in den Hintergrund. Schließlich war es Real Madrid, das die Veranstaltung plötzlich komplett boykottierte. Der eigens gecharterte Flieger wurde wieder gecancelt, aus Madrid trat niemand die Reise an. Es folgte ein Statement, das wenig nach großem Sportsgeist klingt. "Wenn die Kriterien für die Verleihung Vinicius nicht zum Sieger erklären, sollten die gleichen Kriterien Carvajal zum Sieger erklären", hieß es. "Da dies nicht der Fall war, ist es offensichtlich, dass der Ballon d'Or und die UEFA Real Madrid nicht respektieren. Und Real Madrid ist nicht dort, wo sie nicht respektiert werden."

Es passt ein wenig, dass sich Real Madrids Boykott ausgerechnet an Vinicius Junior aufhängt. Denn die Reizfigur der Madrilenen wird gleichermaßen verflucht wie verehrt. "Natürlich bin ich kein Heiliger. Manchmal rede ich zu viel, manchmal dribble ich auf eine Weise, die nicht nötig ist", sagte er vor einiger Zeit schon. Er hat den Trash Talk perfektioniert. In den sozialen Medien flattert vor allem ein Video immer wieder durch die Timelines, eine Szene aus dem Champions-League-Halbfinale der vergangenen Saison gegen die Bayern: Dort warf er einen Ball des um Eile bemühten Joshua Kimmich einfach wieder zu Boden.

Kein Zweifel: Die Reizfigur Vinicius polarisiert - und wird von erschreckend vielen Nicht-Madridistas angefeindet. Grenzen gibt es dabei keine. Dem Brasilianer schlägt in Spanien offen Rassismus entgegen, in Sprechchören wurde er in den vergangenen Monaten häufig als "Mono", also "Affe", beleidigt. Längst hat er sich im Kampf gegen den Hass einen Namen über den Fußball hinaus gemacht, immer und immer wieder prangert er Zustände an. "Ich möchte, dass wir in naher Zukunft mehr Gleichberechtigung und weniger Rassismus haben, dass schwarze Menschen ein normales Leben führen können", sagte Vinicius zuletzt.

Ein teures Investment

Mittlerweile ist "Vini" wohl der aufsehenerregendste Fußballer, der auf den grünen Bühnen der Welt unterwegs ist. Dass er im madrilenischen Starensemble um Jude Bellingham und Kylian Mbappe aktuell die Hauptattraktion ist, ist Indiz genug. Seine Dribblings sind schnell, brillant, gefährlich. Seine Auftritte können spektakulär sein: Beim 5:2-Erfolg in der Champions League gegen Borussia Dortmund erzielt er gleich drei Treffer. Die Kombination seiner Fähigkeiten zeigte sich eindrucksvoll vor seinem zweiten Tor: Den Ball erhält er in der eigenen Hälfte, anschließend zieht er wie ein ICE an BVB-Kapitän Emre Can vorbei, der seinen Sprint hoffnungslos beenden muss, und trifft von der Sechszehnerkante aus.

"Vini" zahlt das zurück, was Real in ihn investiert hat. Heute ist er laut dem Portal transfermarkt.de gemeinsam mit Tormonster Erling Haaland der wertvollste Spieler der Welt. Vor sechs Jahren wechselte er nach nur zwölf Profi-Monaten als Teenager vom brasilianischen Traditionsverein Flamengo Rio de Janeiro nach Madrid - mit einem Preisschild von 45 Millionen Euro mit 16 Jahren. Eine große Bürde.

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Anfangs kommt er damit nicht zurecht, braucht seine Zeit. Erst Real-Trainer Carlo Ancelotti formt ihn zu dem heutigen "Vini". Bei Real sparen sie auch deshalb nicht an Superlativen. "Er erinnert mich an Pelé", sagte Reals Ikone Emilio Butragueno. "Marca", das Hausblatt der Königlichen, schrieb nach dem BVB-Spiel bereits: "Der Brasilianer erschien, als seine Teamkollegen ihn am meisten brauchten, um der Welt zu zeigen, warum er den Ballon d'Or mehr verdient als jeder andere."

Nur, da war ja noch der eigentliche Gewinner. Rodri, der den Ballon d'Or mindestens genauso verdient. Was sagt der eigentlich? "Sie haben ihre Entscheidung getroffen, sie wollten daher nicht hier sein. Ich konzentriere mich nur auf meinen Klub und meine Teamkollegen", sagte der in Madrid geborene ehemalige Atletico-Profi. Immerhin diplomatisch.

Quelle: ntv.de, ses

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