
Hans Meyer hat klare Ansichten.
(Foto: imago sportfotodienst)
Vor fünfzehn Jahren muss Trainer-Legende Hans Meyer auf seinen letzten Metern vor der Rente noch einmal ein Abenteuer überstehen. Mit Borussia Mönchengladbach steckt er mitten im Abstiegskampf - und das bringt ihn auf seltsame Art und Weise aus der Fassung. Doch die Rettung naht.
"Ihr wisst ja, beim Geschlechtsverkehr dürft ihr mich immer stören, aber bei der Fresserei ist es einfach scheiße." Normalerweise hatte Hans Meyer immer einen lockeren Spruch wie diesen für die Fans parat, aber im Februar vor fünfzehn Jahren war auch dem legendären Trainer der Humor vergangen. Seine Borussia aus Mönchengladbach lag trotz eines mühsam erarbeiteten 3:2-Heimsiegs über Hannover 96 nach dem 22. Spieltag noch immer auf dem 18. Tabellenplatz.
Das zerrte an den Nerven des Mannes aus dem früheren Osten der Republik. Und nicht nur die Medien fragten sich: Sollte Hans Meyer im Spätherbst seiner Karriere tatsächlich noch einmal das Missgeschick eines Abstiegs widerfahren? Im trüben Februar 2009 sah alles danach aus - und das setzte dem Trainer der Borussia sicht- und hörbar zu.
"Dann bleiben Sie doch zuhause!"
"Es gibt ein paar unter euch, die die Totengräber des Vereins sind." Hans Meyer war kaum mehr zu beruhigen. Wild gestikulierend raunzte er den irritiert schauenden Trainingsplatzkiebitzen - allesamt ältere Herren mit grauen Haaren - einige deutliche Sätze entgegen. Dabei hatten die neugierigen Männer den Coach ihrer Lieblingsmannschaft nur gefragt, warum das Training an diesem Tag nicht öffentlich sei. Sie fühlten sich ausgeschlossen. Doch anstatt die Situation in gewohnt souveräner Weise abzumoderieren, verlor Hans Meyer die Fassung und rief einem der Herren einen weiteren knallharten Satz zu: "Wenn es Ihnen nicht passt, dann bleiben Sie doch zu Hause!"
Der Abstiegskampf seiner Mannschaft bekam dem Trainer der Borussia in diesen Tagen des auch sportlich kühlen Februars 2009 offensichtlich ganz und gar nicht. Im Nachhinein weiß man: Hans Meyer spürte dies auch selbst am allermeisten. Denn obwohl Borussia Mönchengladbach am Ende mit einem Punkt Vorsprung auf den 16. Tabellenrang die Klasse halten sollte und sein Vertrag eigentlich noch ein weiteres Jahr beim Klub vom Niederrhein lief, bat er den Verein, den er schon einmal zwischen 1999 und 2003 betreut hatte, um die vorzeigte Auflösung seines Kontrakts. Und er wusste auch ganz genau, warum nun - mit 66 Jahren - endgültig Schluss sein sollte als Trainer: "Wenn du Fußball machst, dann lässt dich der Beruf nicht mehr frei. Man entwurzelt sozial ein bisschen. Geh mal abends ins Theater, wenn du dreimal verloren hast. Da bist du ein Laune-Schreck."
"Was für eine blöde Frage!"
Einen Tag nach dem Disput mit den Kiebitzen wollte nun ein Ordner von Hans Meyer wissen, ob es denn heute erlaubt sei, dass Zuschauer das Training der Borussia direkt vor Ort beobachten dürften. Der Coach des Tabellenschlusslichts stoppte, drehte sich zu dem älteren Mann mit der gelben Warnweste um und schüttelte den Kopf: "Was ist das für eine blöde Frage? Natürlich dürfen die Fans rein!" Der Ordner nickte und schwieg. Als ihn anschließend ein Reporter fragte, ob dies der normale Umgang miteinander sei, antwortete er lächelnd: "Ob ich ihn frage oder nicht - einen Anschiss gibt es sowieso." Die Nerven lagen eben blank bei der Borussia im Frühjahr 2009.
Doch für Hans Meyer, dem Mann der direkten und nicht selten auch derben Worte, war die Situation im Abstiegskampf zwar nicht schön, aber er kritisierte auch die Medien dafür, dass sie aus jeder noch so kleinen Lappalie direkt eine Story machen würden. Und so meinte er entschuldigend: "Die Presse sieht einen normalen Anpfiff unter Fußballern gleich als Angriff auf die Menschenrechte."
Und obwohl Meyer das Spiel mit den Medien nicht nur beherrschte, sondern auch genoss, war er schließlich froh, als er mit dem Nichtabstieg der Borussia seinen Start ins Rentenleben feiern konnte - auch wenn er damals noch nicht einmal erahnen konnte, wie schön ein Leben ohne den Stress als Bundesligatrainer sein würde.
"Ich bin auch nur ein Passant ..."
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Doch das fand er anschließend schnell heraus, wie er später einmal erzählte: "Ich habe eine Weltreise gemacht und bin mit einem Schiff von Tahiti nach Französisch-Polynesien gefahren. Nicht so ein Luxusdampfer, auf dem alle schon den Totenschein in der Tasche haben, sondern ein ganz normales Versorgungsschiff. In meiner Kabine habe ich in den Spiegel geschaut und mich gefragt: Mensch, Hans, warum nicht eher?"
Seit diesen nervenzehrenden Tagen auf der Bank der Borussia hat Hans Meyer nie wieder an der Seitenlinie gestanden. Der Abstiegskampf - und das, was er aus ihm machte - hat den legendären Coach zum Umdenken und zu seinem Abschied vom Trainerleben bewegt. Hans Meyer hat einmal über die Zeit bei der ehemaligen Fohlenelf gesagt: "Ich bin auch nur ein Passant, der den Verein ein Stück begleitet." Doch nun ist er schon seit fast 25 Jahren (mit Unterbrechungen) in verschiedenen Positionen ein fester Bestandteil seines Klubs, der Borussia aus Mönchengladbach.
Quelle: ntv.de