
Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer führten den FC Bayern zurück zu alter Größe.
Vor dreißig Jahren freuten sich die Bayern über die Rückkehr ihres Idols Franz Beckenbauer ins Münchener Olympiastadion. Als Trainer kehrte der Kaiser zum Rekordmeister zurück - und mit ihm alte Träume vom internationalen Ruhm. Und auch Uli Hoeneß konnte endlich wieder länger schlafen!
"Trainer, Sie sind der Einzige hier im Verein, der von Fußball nichts versteht." Als der niederländische Nationalspieler Jan Wouters mitten in einer Mannschaftssitzung zu seinem Coach bei den Bayern, Erich Ribbeck, diesen legendären Satz sagte, wussten die Verantwortlichen des Rekordmeisters eigentlich schon, dass es mit diesem Trainer nicht mehr lange gutgehen würde. Doch es dauerte schließlich noch bis zur Winterpause der Saison 1993/94, dass es mit Erich Ribbeck tatsächlich nicht mehr weiterging.
Damals entschlossen sich die Männer um Bayern-Manager Uli Hoeneß, die naheliegendste Lösung auszuprobieren und ihren Freund Franz Beckenbauer zu einem Interimsabenteuer zu überreden. Denn ab Sommer, da waren sich damals alle sicher, sollte dann der französische Erfolgstrainer des AS Monaco, Arsène Wenger, zum FC Bayern kommen. Dass es später dann doch schließlich Giovanni Trapattoni wurde, ist noch einmal eine ganz andere Geschichte mit unvergesslichen Erlebnissen.
"Schämt euch", polterte der "Kaiser"
Denn erst einmal übernahm tatsächlich Franz Beckenbauer das sportliche Ruder bei den Bayern. Knapp siebzehn Jahre nach seinem Abschied als Spieler kehrte der Kaiser an den Rand des Rasens des Münchener Olympiastadions zurück. An einem frostig kalten Sonntagabend im Februar stand die Partie des FC Bayern zu Hause gegen den VfB Stuttgart an.
Und wie es der Zufall so wollte, feierte auf der Gegenseite mit Jürgen Röber ein anderer ehemaliger Bayern-Spieler sein Debüt als Trainer des VfB Stuttgart. Es sollte sein Abend werden! Nach Toren von Guido Buchwald, Fritz Walter und Andreas Buck, bei einem zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer von Lothar Matthäus, siegten die Schwaben mit 3:1 bei den Bayern. Vorerst schien das Ziel Beckenbauers, die 13. Deutsche Meisterschaft der Münchener, in weite Ferne gerückt. Doch mit diesem Rückschlag hatte der "Kaiser" insgeheim vorher schon gerechnet gehabt.
Denn nur drei Wochen zuvor hatten die Spieler des FC Bayern München bei einer Testpartie in Nizza ihren neuen Trainer das erste Mal so richtig kennenlernen dürfen. Beckenbauer schimpfte damals bereits zur Halbzeit in seiner ihm typischen Art: "Fußball soll das sein? Das ist nicht einmal weitläufig verwandt damit, was ihr da spielt. Das wäre sogar für die letzten Amateure eine Beleidigung. Schämt euch!" Doch den Bayern ging es damals, im Frühjahr vor dreißig Jahren, gar nicht einmal so sehr um die kurzfristige Verbesserung der Ergebnisse in der Meisterschaft. Viel mehr sehnte sich die Führung des Rekordmeisters nach den alten, glorreichen Zeiten der siebziger Jahre zurück. Denn nach Beckenbauers Abgang 1977 in die USA zu Cosmos New York hatten die Bayern international keinen einzigen Titel mehr errungen.
"Weil er selbst alles konnte"
Beckenbauer erinnerte ganz bewusst an diese Tage, als er nun beim FC Bayern das Traineramt übernahm: "Seit 1976 ging es eigentlich nur noch abwärts. Drei Europacup-Triumphe hintereinander. Die Mannschaft hatte sich totgesiegt. Die Mönchengladbacher waren auch über ihren Zenit. Es gab seitdem nur noch den HSV unter Zebec und Happel. Dann kamen zwar die Bayern wieder. Aber mehr als zu nationalen Ehren hat es nicht gereicht." Ein Dorn im Auge der Münchener Offiziellen, die gerade erst mit dem 10. Platz in der Abschlusstabelle der Saison 1991/92 einen neuen Tiefpunkt verdaut hatten. Nun musste ganz dringend an die alten Zeiten angeknüpft werden - und wer sollte diese neue Epoche besser begründen als Franz Beckenbauer? So wenigsten das Kalkül damals des Präsidenten Fritz Scherer, des Managers Uli Hoeneß und des Vizepräsidenten Karl-Heinz Rummenigge.
Die Niederlage zu Hause gegen den VfB Stuttgart im ersten Spiel des Kaisers hielt ihn in jedem Fall nicht auf. Im Gegenteil: Sie bestärkte Franz Beckenbauer darin seinen Weg mit aller Macht weiterzugehen. Ein Teil dieses Weges war es von Anfang an, der Jugend eine echte Chance zu geben. Und so liefen bereits in der zweiten Partie seiner Amtszeit auswärts bei Lok Leipzig eine Reihe von Spielern Anfang 20 auf den Platz. Namen, die man auch heute noch kennt wie Christian Nerlinger, Markus Münch, Mehmet Scholl, Michael Sternkopf oder Christian Ziege. Es stand damals in Leipzig die jüngste Bayern-Elf seit mehr als drei Jahrzehnten auf dem Platz - und sie versprach viel Potential für eine bessere Zukunft des Rekordmeisters.
Und Beckenbauer tat dieser jungen Mannschaft sofort gut. Mehmet Scholl, dem der Kaiser mit auf den Weg gegeben hatte, er solle machen, was er wolle - "Ich möchte nur eins sehen, dass dir der Fußball Spaß macht" - blühte endlich richtig auf und meinte glücklich: "Bei Beckenbauer habe ich das Gefühl: Der weiß, was ich denke, wenn ich etwas mit dem Ball mache. Weil er selbst alles gemacht hat und alles konnte."
"Dank Franz gibt's keine Probleme mehr"
- Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
Jüngst ist das Buch "Ein Tor würde dem Spiel guttun. Das ultimative Buch der Fußball-Wahrheiten" frisch in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschienen!
Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.
Und auch wenn die Frankfurter Eintracht und andere Mannschaften lange Zeit in diesem Jahr harte Konkurrenten für die Bayern waren, überraschte es am Ende niemanden, dass die Münchener unter ihrem Trainer Franz Beckenbauer zum Schluss die Meisterschaft an die Säbener Straße holten. Bis zum nächsten internationalen Titel, dem UEFA-Cup-Sieg 1996, dauerte es dann zwar noch einmal zwei weitere Jahre - aber auch daran war Franz Beckenbauer schließlich wieder in Interimsfunktion beteiligt.
Im Frühjahr 1994 war aber erst einmal noch wer anderes froh, dass der Kaiser den Job von Erich Ribbeck übernommen hatte. Denn nicht nur Jan Wouters hatte mit dem silberlockigen Trainer gehadert, auch Uli Hoeneß. Und als Ribbeck weg war, konnte auch der Bayern-Manager endlich wieder ruhiger und vor allem länger am Morgen schlafen.
Hoeneß erklärte es damals den Journalisten so: "Dank Franz Beckenbauer gibt es keine Probleme mehr. Die Spieler mucken nicht auf. Und da der Franz alles absorbiert, gibt es auch kein Thema mehr mit der Presse. Beim Erich Ribbeck hatten wir jeden Freitag eine halbe Stunde Sitzung, was die Spieler nun gesagt haben oder was nicht." Siebzehn lange Jahre hatte es gedauert, bis Franz Beckenbauer beim FC Bayern München wieder auf dem Platz stand. Doch am Ende geriet seine Rückkehr zu einem echten Triumphzug.
Quelle: ntv.de