Redelings Nachspielzeit

Aus dem Faber-Castell-Kasten Das hässlichste Trikot der Bundesligageschichte

Dariusz Wosz (links) und Peter Peschel präsentieren Bochums Kult-Trikot.

Dariusz Wosz (links) und Peter Peschel präsentieren Bochums Kult-Trikot.

Herrliche Bundesliga-Spielzeit 1997/98: Kaiserslautern marschiert zum Titel, in Dortmund prangert Jungstar Lars Ricken den Kommerz im Fußball an. In Köln verlangt Peter Neururer den "Fußball-Nobelpreis", obwohl der FC absteigt. Und Bochum macht sich zum Gespött der Liga.

Es ist eine dieser Aktionen, die man nicht vergisst - wenn man sie damals abends in der Zusammenfassung der Spiele im TV gesehen hat. Am 5. August der Spielzeit 1997/98 pfiff Schiri Malbranc ein Foul des Münchners Abédi Pelé an Markus Schroth vom Karlsruher SC. Laut und für das gesamte Stadion gut hörbar. Doch Sean Dundee ignorierte den Pfiff und erzielte das 2:2. Auch wilde Proteste der Löwen änderten nichts an Malbrancs seltsamem Sinneswandel: "Ich habe nicht gepfiffen. Das Geräusch muss woanders hergekommen sein." Die Auswertung der TV-Bilder ergab jedoch zweifelsfrei, dass Malbranc sehr wohl gepfiffen hatte, was er angesichts der eindeutigen Lage nun auch zugab: "Ich habe wohl einen Fehler gemacht. Die Situation auf dem Feld wurde von mir falsch eingeschätzt. Das Tor war nicht regelgerecht." Doch das Eingeständnis kam zu spät: Der DFB wertete die Partie mit 2:2, da es sich um eine bedauerliche, aber leider unwiderrufliche Tatsachenentscheidung handelte.

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Im Ruhrgebiet sicherte sich der VfL Bochum den ersten - wenn auch inoffiziellen - Titel in seiner Vereinsgeschichte. Er wurde der Klub mit den hässlichsten Trikots in der Bundesligageschichte. Die Regenbogenjerseys des VfL waren der letzte Schrei in der Liga. Die Kaiserslauterer Fans skandierten bei ihrem Spiel im Ruhrstadion minutenlang: "Ihr habt hässliche Trikots!" Doch das brauchten sie den VfL-Anhängern eigentlich nicht zweimal zu sagen. Bei der Vorstellung der Leibchen während einer Feierstunde aus dem Bochumer Schauspielhaus zum erstmaligen Einzug in den UEFA-Pokal war live im WDR-Fernsehen gut die Stimme eines entsetzten VfL-Fans zu hören, der beim Öffnen des Vorhangs rief: "Boah, wie scheiße sieht das denn aus!"

Bochums Sponsor Norman Faber hatte die Produktion der Trikots in Eigenregie übernommen und dabei die bunte Farbenpracht seiner Lotto-Firma auf den Leibchen verewigt. Man sprach deshalb auch gerne von den "Trikots aus dem Faber-Castell-Kasten". Als die Mannschaft einen Tag nach dem Abend im Schauspielhaus im Bochumer Rathaus empfangen wurde, sangen die Anhänger unten auf dem Vorplatz immer wieder: "Wir wollen blau-weiße Trikots, blau-weiße Trikots, wir wollen blau-weiße Trikots". Der Wunsch wurde nicht erhört. Nein, es kam sogar noch schlimmer. Denn durch die europaweite Präsenz im UEFA-Pokal mit den Spielen gegen Trabzonspor, Brügge und Amsterdam wurden die VfL-Anhänger auch lange nach dieser Saison noch in ihrem Urlaub von Fußballfans auf die "hässlichsten Trikots der Welt" angesprochen.

Das Wunder von Kaiserslautern

In Dortmund sorgte hingegen der "Der Prinz aus dem Pott" ("Sports", Zürich), BVB-Jungstar Lars Ricken, für eine ebenfalls unvergessliche Aktion. In weihevollen Werbeworte sagte er: "Ich sehe VIP-Logen, wo früher Stehplätze waren. Ich sehe Spieler, die öfter mit der Presse reden als mit ihrem Coach. Ich sehe Vereine, die teure Profis kaufen, statt den eigenen Nachwuchs zu fördern. Ich sehe Typen in Nadelstreifen und Geschäftemacherei ohne Ende. Und dann sehe ich, was wirklich wichtig ist." Ein anderer Dortmunder wurde damals durch den Spot fast noch bekannter als Ricken: Busfahrer Horst Kowalski, Borussias treuster Fan, kommentierte in der Werbeaktion eines Sportartikelherstellers die Spiele und Spieler des BVB. Schauspieler und Kowalski-Darsteller Willi Thomczyk stolz: "Ich glaube, es gibt nicht viele Spots, an die man sich nach über zehn Jahren noch erinnern kann. Da ist schon ein Stück Werbegeschichte geschrieben worden." In der Tat!

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In Dortmund und Leverkusen meldete man vor der Saison Ansprüche an. Reiner Calmund und Christoph Daum unisono: "Wir wollen Meister werden!" Und beim BVB äußerte sich Torwart Stefan Klos: "Es ist unser Anspruch, ja unsere Pflicht, Deutscher Meister zu werden. Und das wird auch klappen, wenn wir von Verletzungen verschont bleiben." Niemand rechnete mit dem Aufsteiger Kaiserslautern. Niemand? Nicht ganz. Einer hatte die Erfolgsserie bereits vorher geahnt, Berti Vogts: "Der 1. FCK ist nicht mit den Augen eines Aufsteigers zu sehen. Vom Potenzial her ist der FCK mit sechs aktuellen Nationalspielern eine Bundesliga-Spitzenmannschaft."

Und die Lauterer selbst? "Wir kämpfen nur um den Klassenerhalt. Es wird noch Jahre dauern, bis der FCK den Absturz des Jahres 1996 in die zweite Liga endgültig aufgearbeitet hat." Das waren die Worte von Lauterns Trainer Otto Rehhagel nach dem Auftaktsieg in München bei den Bayern. Nach dem 13. Spieltag und mittlerweile 30 Punkten auf der Habenseite nahm ein Lauterer das erste Mal das Wort "Meisterschaft" in den Mund, wiewohl Trainer Otto Rehhagel eigentlich erst den Klassenerhalt gesichert wissen wollte. Doch Andy Brehme hatte nicht mehr viel zu verlieren; am Ende der Saison hörte er auf: "Und da wäre es natürlich das Größte, wenn ich mit dem Meistertitel abtreten könnte." Es klappte! Der Aufsteiger sicherte sich am Ende mit zwei Punkten vor den Bayern die Meisterschale.

In Köln war hingegen die Trauer groß. Der erste Deutsche Meister der Bundesliga stieg ab. Eine Entwicklung, die absehbar war. Als FC-Trainer Peter Neururer Ende September entlassen wurde, brachte er mit einem beleidigten Unterton das Problem des 1. FC Köln dieser Jahre auf den Punkt: "In Köln rauszufliegen ist keine Schande. Ich habe meinen Vertrag sogar zweimal verlängert - wer hat das denn in Köln sonst noch geschafft. Einen Fußball-Nobelpreis gibt es ja nicht. Aber eigentlich hätte ich ihn verdient!" Ein echter Neururer, dieser Spruch. Und der FC? Der brauchte anschließend tatsächlich etwas länger, bis er sich wieder erholt hatte.

Quelle: ntv.de

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