Redelings Nachspielzeit

"Angekettet auf einem Stuhl" Die spektakulärsten Maulwurf-Fälle der Bundesliga

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War Lothar wirklich an allem schuld?

(Foto: imago sportfotodienst)

Die Bayern und Julian Nagelsmann kommen einfach nicht zur Ruhe: Die Suche nach dem hinterhältigen Maulwurf geht weiter. Doch die Chancen, den internen Spion zu finden, stehen wohl nicht allzu gut. Da hatten Ansgar Brinkmann und seine Mannschaftskameraden früher mehr Glück.

"Wir hatten mal einen Maulwurf in der Mannschaft, der ist nach seinem Verrat Fahrstuhl gefahren. Der saß angekettet auf einem Stuhl, halbnackt, hatte Nutella und Marmelade im Gesicht und ist im Hotelfahrstuhl rauf- und runtergefahren. Bis der Zeugwart ihn erlöst hat." Ex-Profi Ansgar Brinkmann ist natürlich ein Ehrenmann, so dass man auch heute noch nicht von ihm erfahren wird, wer denn damals der arme "Maulwurf" in seiner Mannschaft gewesen ist. Doch der "weiße Brasilianer" wusste in seiner langen Karriere genau, was mit Mitspielern passiert, die "permanent irgendeinen Scheiß nach außen geben".

Zu seinen Zeiten beim VfL Osnabrück waren sie in jedem Fall ebenfalls wenig nachsichtig, als ein Maulwurf aufflog: "Dann kann es auch mal sein, dass er dann öfter mal ausrutscht und gegen einen Spind fällt. Der Maulwurf machte schließlich nähere Bekanntschaft mit Jacek Janiak. Gegen Jacek Janiak ist Thorsten Legat ein Knabe aus dem Kirchenchor! Wenn du mit Jacek Janiak in die Kabine eingesperrt wirst, dann ist das wie die in der Donnerkuppel: Zwei gehen rein, einer kommt raus."

Das hört sich alles andere als nett an, doch wer Julian Nagelsmann die Tage bei der Pressekonferenz zum aktuellen Maulwurf beim FC Bayern München erlebt hat, der kann nachvollziehen, wie sehr dieser interne Vertrauensbruch emotionale Grenzen austestet. Die Kabine als Schutz- und Rückzugsraum ist Sportlern heilig - und wird nur von Zeit zu Zeit ganz bewusst für Filmaufnahmen und Blicke von außen geöffnet.

"Was in einer Kabine gesagt wird, bleibt in der Kabine"

Auch Ansgar Brinkmann, der in seiner Laufbahn viel gesehen und erlebt hat, hat in seinem Buch "Wenn ich du wäre, wäre ich lieber ich" genau wie der Trainer des Rekordmeisters eine klare Meinung zum Thema: "Was in einer Kabine gesagt wird, das bleibt in der Kabine, das ist ein ungeschriebenes Gesetz im Fußball. Da hat nichts und niemand Zutritt, gar nichts. Und wenn ein Teammitglied Interna aus der Kabine verrät, dann wird das intern oft sehr unkonventionell geregelt."

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Der heutige Fußballexperte Brinkmann sagte diese Sätze damals im Jahr 2016, als beim FC Bayern unter Coach Pep Guardiola jemand die Presse mit sensiblen Informationen aus der Kabine des FC Bayern und den E-Mail-Accounts der Spieler versorgt hatte. Unter anderem erfuhren die Medien durch diese heimliche Quelle davon, dass Guardiola seinen Spieler Jérôme Boateng auf den Platz geschickt haben soll, obwohl er wusste, dass Boateng angeschlagen sei. Als sich Boateng daraufhin noch schwerer verletzte, war die Aufregung natürlich dementsprechend groß.

Genau wie damals bei Pep Guardiola und anders als bei Ansgar Brinkmanns Fällen gibt es aktuell für die Bayern ein Problem: Die Person, die die internen Informationen weitergereicht hat, ist noch nicht gefunden. Und so sagt Nagelsmann völlig richtig: "Wenn wir diesen Maulwurf nicht finden, kann es keine Konsequenzen geben." Doch beim Coach des FC Bayern München gerät noch jemand anderes in den Fokus der Kritik: die Medien. Nagelsmann ist irritiert, ob der Berichterstattung der "Sport Bild": "Das ist für mich der völlig falsche Weg und hat mit Sportjournalismus nichts mehr zu tun." Und auch Ansgar Brinkmann hat zu diesem Thema, verständlicherweise, eine klare Meinung: "Da muss man der Presse auch mal sagen: 'Vor der Kabine steht ein Stoppschild, bis hierhin dürft ihr, aber keinen Schritt weiter.'"

War's der Lothar?

Doch zu der Geschichte gehören natürlich auch immer zwei Seiten. Die eine, die die Informationen durchsteckt und die andere, die diese aufgeschnappten Interna gerne verwertet. Als Dieter Hoeneß damals bei der Hertha in Berlin anfing, war die Presse zu seiner großen Verwunderung stets gut über alle Schritte bei der alten Dame unterrichtet. Kein Wunder, wie sich kurz darauf herausstellte: Im Präsidium saß nicht ein einzelner Maulwurf, nein, das gesamte Team glich eher einem Rasen mit ganz vielen Maulwurfshügeln. Hertha-Manager Dieter Hoeneß machte sich schließlich während der Sitzungen große Sorgen um die Mitglieder seines Vereins: "Alle paar Minuten mussten sie austreten. Blasenschwäche? Muss ich einen guten Arzt empfehlen? Bis ich herausfand, dass diese Herren von der Toilette der Geschäftsstelle aus mit Journalisten telefonierten."

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Wahrscheinlich hat sich damals Dieter Hoeneß von seinem Bruder Uli noch ein paar wertvolle Tipps im Umgang mit Maulwürfen geben lassen, denn wie ein nicht aufgefundener interner Spion eine Mannschaft an den Rand des Zusammenbruchs bringen kann, musste der damalige Bayern-Manager 1997 hautnah bei seinem Team miterleben. Mitte März kam es vor einem Heimspiel gegen den FC Schalke 04 zu einer legendären Aussprache, die Lothar Matthäus in seinem kurz darauf veröffentlichten "Tagebuch" festgehalten hat.

Jürgen Klinsmann sagte damals zum Rekordnationalspieler: "Lothar, du bist an allem schuld. Du gibst alle Interna an deinen Spezi weiter, diesen Journalisten." Matthäus meinte später, er wäre von seinen Kollegen "an die Wand genagelt worden". Nachdem Franz Beckenbauer gepoltert habe, was das Team für eine "Scheißmannschaft" sei, habe sich anschließend Uli Hoeneß hinter Matthäus gestellt und gesagt: "Ihr seid auf dem falschen Dampfer. Lothar war's nicht!" Bis heute ist tatsächlich nie ganz geklärt worden, wer in dieser Zeit der Informant der Presse war. Das "Tagebuch" hat Matthäus allerdings damals zusammen mit einem Chefreporter der "Bild"-Zeitung und dem stellvertretenden Sportchef des Pay-TV-Senders "Premiere" veröffentlicht.

Auch Middendorp war schon betroffen

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Übrigens: Nicht immer muss der Maulwurf aus den eigenen Reihen sein. Als Bielefelds Trainer Ernst Middendorp kurz vor dem Saisonstart 2007 einen auffälligen Mann mit tiefsitzender Baseballkappe, einer Kamera in der linken und dem "Kicker"-Sonderheft in der rechten Hand auf dem Trainingsplatz erblickte, stellte der Arminia-Coach die sichtlich verstörte Person zur Rede und fragte ihn: "Hast du alles, was du brauchst? Sonst schreibe ich es dir auf!" Anschließend richtete Middendorp noch schöne Grüße an den Trainer des ersten Gegners der Saison, Felix Magath vom VfL Wolfsburg, aus und verabschiedeten den verdutzten Mann anschließend vom Übungsgelände der Arminia.

Aktuell weiß man noch nicht, ob die Bayern ihren Maulwurf finden werden. Die Chancen sind wohl nicht allzu hoch. Doch wenn es tatsächlich zum Aufspüren der undichten Stelle kommen sollte, darf man gespannt sein, wie Julian Nagelsmann reagieren wird. Seine emotionalen Worte in den letzten Tagen zum Thema lassen allerdings auf wenig Gnade schließen. Man kann nur hoffen, dass Ansgar Brinkmann und seine Mannschaftskameraden dann kein Vorbild bei den Methoden der Bestrafung sein werden.

Quelle: ntv.de

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