Redelings Nachspielzeit

Geplantes Ablenkungsmanöver? Die bizarre Matthäus-Nebelkerze des Uli Hoeneß

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Uli Hoeneß und Lothar Matthäus führen eine komplizierte, oft öffentliche Beziehung.

(Foto: imago images/Lackovic)

Nicht nur Lothar Matthäus zeigt sich über die neuste Attacke von Uli Hoeneß auf den Rekordnationalspieler und Ex-Bayern-Profi überrascht. Ohne aktuellen Anlass fährt der langjährige Offizielle des FC Bayern seinem ehemaligen Spieler medienwirksam in die Parade. Doch was bezweckt Uli Hoeneß eigentlich damit?

"Für den Ärger, den ich mit Bayern habe, müsste ich Schmerzensgeld bekommen." Kurz nachdem Uli Hoeneß im Frühjahr 2003 diesen Satz gesagt hat, kam es für den damaligen Bayern-Manager noch ärger. Sein früherer Spieler Lothar Matthäus hatte knapp drei Jahre nach seinem Abschiedsspiel, das der FC Bayern München damals ausgerichtet hatte ("Hier haben sich 120 Menschen den Arsch aufgerissen, sein Abschiedsspiel so perfekt wie möglich zu machen. Wir haben keine Briefmarke in Rechnung gestellt, keinen Angestellten. Wir haben zum Teil gearbeitet wie die Ochsen für Null Mark Gegenwert", Karl-Heinz Rummenigge) die Vermutung geäußert, dass die Veranstaltung "unkorrekt abgerechnet" worden sei. Matthäus' Anwälte forderten damals die Herausgabe aller Unterlagen, um sie auf mögliche Unregelmäßigkeiten zu prüfen. Am Ende einigte man sich vor Gericht zwar gütlich - doch das Kind war da schon längst in den Brunnen gefallen.

Uli Hoeneß war vor zwanzig Jahren maßlos enttäuscht von seinem ehemaligen Spieler: "Ich verspüre zum ersten Mal seit langem den Wunsch, einen Namen komplett aus meinem Gedächtnis zu streichen: Lothar Matthäus. Ich bin so gekränkt von alledem, was der uns angetan hat. Was glauben Sie, wie oft wir Franz Beckenbauer gebeten haben: Red' mal mit deinem Freund. Es hat alles nichts geholfen. Gar nichts. Jetzt ist es vorbei." Und auch Karl-Heinz Rummenigge stellte klar, dass die Tür für Matthäus bei den Bayern für immer zugeschlagen sei: "Wir haben die Schnauze voll. Lothar ist ab sofort eine Persona non gratissima."

"Was der losgelassen hat ..."

Bevor es im Frühjahr 2003 zu diesem Showdown in aller Öffentlichkeit gekommen war, war das Tischtuch zwischen den Bayern und Lothar Matthäus allerdings eh schon zerschnitten. Uli Hoeneß hatte sich, ähnlich wie heute, daran gestoßen, wie der Rekordspieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in den Medien mit seinem Ex-Verein umgegangen war. In einer "Doppelpass"-Sendung im November 2002 kam es dann zu der legendären und bis heute oft zitierten "Greenkeeper"-Aussage von Hoeneß über Matthäus: "Was der losgelassen hat, da hat man den Eindruck, der hat alles gewonnen und nie ein Spiel verloren. Der will ja, der wollte beim FC Bayern was werden. Aber so lange ich und der Kalle Rummenigge etwas zu sagen haben, wird der nicht mal Greenkeeper im neuen Stadion." Später sprachen sich alle Beteiligten aus und pflegten in den letzten Jahren zumeist ein recht harmonisches Verhältnis.

Umso überraschender ist nun Hoeneß' Angriff auf Matthäus via der Münchener "Abendzeitung". Auch Matthäus selbst zeigte sich irritiert, als er fragend feststellte: "Weil ich den Grund nicht finde, warum Uli Hoeneß wieder eine Attacke gegen mich gefahren hat." Grundsätzlich gilt natürlich immer noch ein alter Satz der "Frankfurter Rundschau", die einst schrieb: "Der Bayern-Manager Uli Hoeneß kann es nicht lassen: Er muss sein Würstchen in jeden Topf hängen, obwohl doch niemand nach Senf gerufen hat."

Doch im aktuellen Fall steckt vermutlich mehr dahinter. Denn es ist schon auffällig, wie häufig der Mann ohne Amt im Tagesgeschäft bei den Bayern in den letzten Wochen in den Medien präsent war. Es erinnert an die alten Zeiten, als Uli Hoeneß in schwierigen Phasen beim Rekordmeister die "Abteilung Attacke" mit griffigen Themen bediente, um den Druck von Klub und Mannschaft wegzunehmen und auf sich selbst umzuleiten. Dass ihm das immer noch vorzüglich gelingt, zeigen alleine die Schlagzeilen aus der jüngeren Vergangenheit.

Denn seitdem Hoeneß (mal wieder) öffentlich über die finanzielle Konkurrenzfähigkeit der Liga nachgedacht hat ("Wenn die Bundesliga - das gilt nicht für Bayern München - nicht darüber nachdenkt, die 50+1-Regel aufzulösen, werden wir große Probleme haben, international auf Dauer mithalten zu können"), ist er zur Zielscheibe der eigenen Fans geworden ("Unser Metzger schlachtet den langen Arm von Katar"). Ein Ablenkungsmanöver zur besten Zeit - denn die öffentliche Kritik am FC Bayern vor dem Rückspiel gegen Paris Saint-Germain hatte gerade an Fahrt aufgenommen. Ein einziges Interview von Uli Hoeneß reichte, um die Schlagzeilen umzuschreiben.

Hoeneß macht Matthäus ratlos

Und nun diese Attacke auf den Sky-Experten Lothar Matthäus ("Aber manchmal vergisst er, dass er mal für diesen Verein gespielt hat. Wenn ich manchmal seine Vorschläge höre - das verstehe ich nicht"). Im Grunde sind die Worte von Hoeneß eher harmloser Natur - vor allem, weil sie aus dem Nichts kommen und keinen konkreten Anlass haben -, aber der langjährige Bayern-Funktionär weiß natürlich ganz genau, wie die Medienwelt funktioniert.

Erstens musste es zu einem verbalen Konter von Matthäus kommen und zweitens sprach Hoeneß ein sensibles, emotionales Thema an, als er an die Verbundenheit von Matthäus zu seinem Ex-Verein erinnerte. Denn zu Hoeneß gehört es auch, dass er von seinen ehemaligen Profis indirekt etwas einfordert, was er selbst bereit ist zu geben: "Wer beim FC Bayern war und sich seriös verhalten hat, hat auf Lebenszeit eine Carte blanche der Hilfe."

Es ist tatsächlich diese persönliche Kränkung von Uli Hoeneß, die ihn immer wieder in die identische Lage gegenüber früheren Angestellten des FC Bayern bringt. Schon vor vielen Jahren wollte er dem alten Münchener Meistertrainer Udo Lattek das ehrliche Wort über den FC Bayern untersagen. Lattek reagierte damals deutlich und bestimmt, als er Hoeneß öffentlich zurechtwies: "Ich erwarte nicht viel von dir, aber bitte Respekt. Ich bin unabhängig, habe meine freie Meinung und lasse mir nicht den Mund verbieten, auch nicht von dir." Doch nur wenige Minuten später stellte Lattek auch etwas anderes klar: "Wenn ich schwer krank wäre und würde Uli anrufen, er würde helfen."

"Warum ruft er mich nicht an?"

  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
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  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Lothar Matthäus beschwerte sich nun gestern darüber, dass Hoeneß immer "gleich ins Persönliche" gehen würde. Vermutlich aus den gleichen Gründen wie damals bei Lattek - aus persönlicher Enttäuschung. Doch da es dieses Mal offensichtlich keinen aktuellen Anlass für die Hoeneß' Kritik an Matthäus gibt, erscheint noch ein anderes Detail auffällig. Denn der Rekordnationalspieler fragte sich zurecht: "Warum ruft er mich dann nicht selbst an? Das hat er ja schon ein paar Mal gemacht."

Vermutlich weil Uli Hoeneß genau das mit seiner Attacke bezweckte, was er nun auch erreicht hat: Das Zünden einer Nebelkerze, um weiterhin Druck von der Mannschaft und seinem Trainer zu nehmen. Denn ganz offensichtlich rumort es beim FC Bayern intern auch nach dem Sieg in der Champions League über Paris Saint-Germain weiter und tiefer, als es Fans und Öffentlichkeit erfahren sollen. Und damit: Glückwunsch an Uli Hoeneß! Die Klaviatur der Medien beherrscht er immer noch wie kaum ein anderer.

Quelle: ntv.de

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