Redelings Nachspielzeit

Kuhglocken für die Spieler Als Udo Jürgens mit dem Club die Meisterschaft feierte

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Udo Jürgens sitzt bei Max Merkel auf der Clubberer-Bank.

(Foto: imago/Horstmüller)

Saison 1967/68: Ein Trainer mit ungewöhnlichen Methoden treibt eine Mannschaft mit Zuckerbrot und Peitsche zur deutschen Meisterschaft. Und als Belohnung erscheint ein gefeierter Sänger zum Titelgewinn. Ein anderer Star möchte hingegen "Bierzapfer" werden, um endlich glücklich zu sein.

"Das viele Geld ruiniert den Fußball." Ein Satz, der auch vor knapp 60 Jahren schon die Schlagzeilen bestimmte. Von Jahr zu Jahr wurde die Bundesliga damals populärer und populärer. Da war es klar, dass das Thema Geld irgendwann in den Vordergrund rücken würde. Bisher wurde es stets nur am Rande diskutiert, zumeist im Rahmen von Skandalen, nun stand es im Fokus einer hitzigen Debatte. Angestoßen von Sepp Herberger. Der ehemalige Bundestrainer schaute sorgenvoll auf die Liga: "Ist nicht die Art, wie mit dem Geld umgegangen wird, auch ein Grund dafür, dass viele Leute wegbleiben? Der kleine Mann spürt doch, dass er das alles bezahlen soll!"

Erstmals wurde auch das Thema Börse diskutiert, doch Wirtschaftsfachmann Dr. Franz Ziegler nahm den Spekulationen den Wind aus den Segeln. Er glaubte nicht an Fußballklub-Aktien: "Das halte ich für unmöglich! Sollte eine solche Entwicklung eintreten, dann glaube ich, dass dorthin die sportbegeisterten Zuschauer nicht mehr gehen werden." Für Nürnbergs Jugoslawen Zvezdan Cebinac war das viele Geld, das im Umlauf war, auf alle Fälle ein großes Übel: "Deutschlands Fußball ist zu kommerziell ausgerichtet. Vom Verein über Fernsehen und Presse bis zum Zuschauer. Es fehlt die Seele. Was ist schon ein Spieler? Eine Sache, Material, Handelsware. Er muss Geld bringen, anstatt Freude und Begeisterung zu wecken."

1. FC Nürnberg überrascht die Liga

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Abseits der Debatte um die kalte Kohle überraschte der 1. FC Nürnberg die Liga. Im Vorjahr noch Tabellenzehnter, wurden die Clubberer nun Meister. Schon im Sommer-Trainingslager trieb Erfolgscoachs Max Merkel seine Mannschaft zu Höchstleistungen an. Das Team zog mit, auch wenn es knüppelhart war, wie sich Franz Brungs einst erinnerte: "Wir glaubten oft, wir würden zusammenbrechen. Wir hatten das Gefühl, jetzt ist es aus, jetzt geht es einfach nicht mehr. Es war die Hölle."

Als es zwischenzeitlich in der Saison eng wurde und die Tabellenführung flöten zu gehen drohte, rief Trainer Merkel sein Team zu sich. Todernst fragte er seine Mannschaft, ob sie wisse, warum Kühe auf der Alm Glocken um den Hals tragen würden. Irritierte Blicke und dann des Übungsleiters Antwort: "Damit sie nicht im Stehen einschlafen. Übrigens, ich habe gerade ein Dutzend für euch bestellt."

Max Merkel mit "Zuckerbrot und Peitsche"

Doch Max Merkel konnte auch anders. Er war der strenge Vater des Teams, der sein Erfolgskonzept von "Zuckerbrot und Peitsche" auch in Nürnberg durchzog. In einer schwierigen Phase sagte er zu seiner Mannschaft: "Ihr müsst rennen, bis ihr umfallt. Dann trage ich euch auf meinen eigenen Armen vom Platz!" Und seine Elf gehorchte. Trotz der neuen Auswechselregel standen im Kern nur zwölf Mann in der Saison für den Club auf dem Rasen: Wabra, Leupold, Popp, L. Müller, Wenauer, Ferschl, Cebinac, Strehl, Brungs, H. Müller, Volkert, Starek. Hinzukamen mit wenigen Einsatzzeiten noch Hilpert, Toth und Schöll. Autor Peter Handke widmete dieser Elf (plus 1) sogar das Gedicht "Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968".

Ein Akteur hatte es Max Merkel ganz besonders angetan. In den höchsten Tönen schwärmte er von seinem wichtigsten Spieler Luggi Müller: "Zehn von Luggis Sorte müssten wir haben. Hart gegen sich und den Gegner. Der ist aus dem richtigen Holz - da zittern die anderen schon, wenn sie hören, dass sie gegen den Luggi spielen müssen."

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Nach einer langen Saison wurde der Titel dann entsprechend tüchtig in Nürnberg gefeiert. Beim letzten Spiel saß auch Max Merkels Landsmann und Freund Udo Jürgens auf der Trainerbank. Der Österreicher hatte zwei Jahre zuvor mit seinem Lied "Merci, Chérie" den Eurovision Song Contest in Luxemburg gewonnen. Der Hit hatte Jürgens zur Verwirklichung des Traums vom internationalen Durchbruch geholfen. Nun hofften die Nürnberger mit dem Titelgewinn im Rücken und dem aktuellen Song von Udo Jürgens "Und immer wieder geht die Sonne auf" im Herzen von weiteren Höhenflügen. Doch erst einmal hielten Fans Plakate hoch, auf denen die Verdienste des österreichischen Erfolgscoachs gepriesen wurden: "Nicht nur Neckermann, auch Max Merkel macht's möglich!" Im Rausch der zünftigen Feierlichkeiten fragte Horst Leupold: "Wer soll das denn aushalten?" Ein Empfang jagte den nächsten. Doch einer war sich sicher, dass seine Spieler fit genug seien. Trainer Max Merkel prostete mit einem Augenzwinkern den Journalisten zu: "Auch dafür ist in meinem Trainingsprogramm schon Vorsorge getroffen!"

Erwin Kostedde verlässt Duisburg unglücklich

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Der MSV erspielte sich einen guten siebten Tabellenplatz, doch nach Feiern war den wenigsten zumute - denn ein Profi bereitete den Meiderichern Sorgen. Duisburg verknackte seinen Spieler Erwin Kostedde zu einer hohen Geldstrafe und zu einer Sperre. "Aus Duisburgs schwarzer Perle wurde das schwarze Schaf", schrieb der "Kicker". Und Kostedde? Der reagierte trotzig: "Ich werde Bierzapfer oder Schweißer. Dann bin ich wenigstens glücklich!" Der Profi kündigte seine Wohnung zum 1. April und verkaufte die gesamte Wohnungseinrichtung, obwohl diese dem MSV gehörte. Das kam gar nicht gut an. Kostedde wechselte schließlich zu Standard Lüttich und spielte bis zum Jahre 1983 Fußball an den unterschiedlichsten Orten. Unvergessen unter Fußballfans ist sein Spruch: "Ich möchte nie mehr arbeiten, sondern nur noch am Tresen stehen und saufen."

Für eine Kuriosität sorgte am 19. Spieltag 1860-Torwart Radenkovic. Nach der 0:1-Niederlage zu Hause gegen Köln griff Radi nach der Fahne des Linienrichters Homeier und warf diese im hohen Bogen durch die Luft. Der Torhüter hatte jedoch Glück. Schiedsrichter Sturm: "Die Fahne ist Eigentum von 1860 München. Es war also nichts dabei, dass Radenkovic sie nach dem Spiel an sich nahm." Auch der Torwart sah keinen Grund für eine Bestrafung: "Als ich auf den Linienrichter zuging, hielt dieser mir die Fahne hin. Und da nahm ich sie eben." Alles ganz einfach und wahrlich kein Grund, um über eine Strafe für Radenkovic nachzudenken, wäre da nicht noch ein weiteres Nachspiel im Kabinengang gewesen. Vor der Tür der Kölner trat der bitterböse Torhüter gegen einen Korb mit Porzellangeschirr - und die Teller und Tassen flogen im hohen Bogen unter die Decke und zerschellten auf dem Boden in einem Scherbenmeer. Das einzig Positive an diesem total verkorksten Radenkovic-Nachmittag: Es kam niemand ernsthaft zu Schaden!

Quelle: ntv.de

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