Redelings Nachspielzeit

Hoeneß ließ Spieler überwachen Die unrühmliche Spitzel-Affäre des FC Bayern

Sören Lerby, Thomas Gottschalk, Uli Hoeneß.

Sören Lerby, Thomas Gottschalk, Uli Hoeneß.

(Foto: imago images / Kicker/Liedel)

Vor dreißig Jahren strauchelte der Rekordmeister nicht nur in der Tabelle. Auch abseits des Platzes taten sich Abgründe auf. Weil die Bayern-Offiziellen mit dem "unsoliden Lebenswandel" der Spieler nicht zurechtkamen, setzen sie Spitzel auf die Profis an. Eine mehr als umstrittene Aktion!

"Wir wissen haargenau, wann sich welche Spieler wo aufhalten. Wir kennen unsere Pappenheimer jetzt", diktierte Bayerns Manager Uli Hoeneß einem Boulevardjournalisten Mitte Februar 1992 stolz in seinen Notizblock. Einige Wochen zuvor hatten die Münchener die moralische Reißleine gezogen und mit einem Tabu gebrochen. Über viele Jahre war das Privatleben der Spieler tatsächlich privat gewesen - nun sah sich der strauchelnde Rekordmeister gezwungen, zu völlig neuen Methoden zu greifen. Weil Trainer Sören Lerby den "unsoliden Lebenswandel" seiner Profis kritisiert hatte, erfand Uli Hoeneß ein System der Kontrolle. Spitzel durchkämmten ab 22 Uhr alle angesagten Orte - Restaurants, Bars, Diskotheken - der Bayern-Stars. Und der Manager zeigte sich schon kurz darauf sehr zufrieden: "Jetzt hat keiner mehr eine Chance!"

Sportlich lief in dieser Saison 1991/92 für den FC Bayern München schon frühzeitig fast alles aus dem Ruder. Doch dann begab sich der Rekordmeister auch abseits des grünen Rasens auf ganz dünnes Eis. Mit mäßigem Erfolg, wie man heute weiß. Damals jedoch versprachen sich die Bayern-Offiziellen von ihrer mehr als fragwürdigen Aktion eine Verbesserung der sportlichen Lage. Das klappte nicht. Am Ende mussten die Münchener sogar froh sein, überhaupt die Klasse gehalten zu haben. Und das hatte vermutlich in negativer Hinsicht auch mit der dubiosen Hoeneß-Idee zu tun, die eigenen Spieler zu überwachen.

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Konkret bedeutete das damals für die Bayern-Profis: "Von montags bis freitags haben die Spieler um halb elf Uhr zu Hause zu sein. Am Sonntag ist um 24 Uhr Schluss. Nur am Samstag nach dem Spiel ist es egal. Aber es ist sonnenklar, dass kein Spieler das Recht hat, betrunken zu sein." Man kann sich vorstellen, wie die Reaktionen innerhalb der Mannschaft auf diese klare Ansage des Managers ausfielen.

Näher ans Vorbild Italien?

Vor allem, als Trainer Sören Lerby zeitgleich verlauten ließ, dass er im Falle von Zuwiderhandlungen nicht etwa an Geldstrafen dächte, sondern an eine ganz andere, besondere Form der Bestrafung: Er wollte die Spieler sperren und demonstrativ auf die Tribüne setzen lassen - damit jeder die Sündenböcke öffentlich erkennen würde. Für Uli Hoeneß waren das damals völlig legitime Methoden, schließlich würden die Spieler ein "Supergeld verdienen", und: "In diesem Geld ist die Entschädigung für gewisse Entbehrungen mit drin."

Der Bayern-Manager glaubte, mit diesen ungewöhnlichen Wegen, die er da bestritt, nur wieder etwas näher an das Anfang der neunziger Jahre so gerne präsentierte Vorbild "Italien" heranzurücken. Dort sei es beispielsweise einem Lothar Matthäus völlig unmöglich, sich irgendwelche Eskapaden zu erlauben, weil anderntags in "den Zeitungen sofort der Teufel los" wäre, so Hoeneß. Tatsächlich kehrte der Weltmeister von 1990 schon wenige Monate später nach München zurück.

Und so soll Uli Hoeneß auch ihn in der Folge etwas genauer unter die Lupe genommen haben, doch sein damaliger Mannschaftskollege Andreas Herzog meinte erst kürzlich lächelnd über diese wilde, gemeinsame Zeit: "Ob Detektive eingeschaltet wurden, weiß ich nicht. Aber selbst Detektive wären einem Lothar egal gewesen. Er hat sowieso gemacht, was er wollte."

Basler marschiert ins Büro

Das galt in diesen Jahren Ende der Neunziger auch für einen Mario Basler. Denn das Spitzel-System der Bayern wurde offenbar trotz frühzeitiger medialer Entlarvung nicht etwa eingestellt, sondern über die Jahre sogar noch ausgebaut, wie sich Basler einmal im Rückblick auf diese Zeit erinnerte: "Ich war noch keine zehn Meter aus der Garage, da fuhr mir ein blauer Golf hinterher. Ich ging mit meinen Kindern zum Eishockey nach Landshut. Nach dem Spiel war dieser Typ wieder hinter mir. Der musste angesetzt sein, das ging gar nicht anders."

Das ließ sich Basler natürlich nicht bieten und marschierte am Tag darauf ins Büro des Managers: "Ich habe nur gesagt: Das war aber ganz schlau von euch. Da hat der Uli einen roten Kopf gekriegt." Basler schob grinsend hinterher: "Es war der falsche Zeitpunkt. Sie hätten es besser gemacht, wenn ich alleine unterwegs war. Dann hätten sie auch was davon gehabt."

Die Frage jedoch wäre - genau wie vor dreißig Jahren auch - gewesen: Was genau hätten die Bayern davon gehabt, wenn sie einen Spieler auf frischer Tat ertappt hätten? Vertrauen wäre es ja wohl kaum gewesen.

Quelle: ntv.de

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