Zwischen Gewalt und Bockigkeit Volleyballer werden zu Kubas Chaos-Clan

Javier Jimenez führt das krisengeschüttelte Team an.

Javier Jimenez führt das krisengeschüttelte Team an.

(Foto: REUTERS)

Sie waren die Lieblingskinder von Fidel Castro und der Stolz der Nation. Doch das Ansehen der kubanischen Volleyballer leidet. Sportlich abgestürzt, wird das Team von Vergewaltigungsvorwürfen und dicken Egos erschüttert.

Javier Jimenez ist nicht zu beneiden um seine Aufgabe bei den Olympischen Spielen. Mit 26 Jahren ist er Kapitän der kubanischen Volleyball-Männer, die in Rio mit einer Rasselbande junger Spieler angetreten sind, in deren Stammsechs vier Akteure unter 20 Jahre jung sind. Jimenez tut alles, um sie zu führen. "Das ist mein Job", sagt er nach der dritten Vorrunden-Niederlage gegen Iran. Jimenez hat das Amt erst vor gut einem Monat übernommen, zwangsweise, denn bei Weltligaspielen im finnischen Tampere sorgten sechs kubanische Nationalspieler für einen Skandal.

Wegen des Vorwurfs einer schweren Vergewaltigung wurden sie am 3. Juli verhaftet, sie sitzen noch in Haft und werden wohl allesamt angeklagt. Unter den Verhafteten sind Leistungsträger wie Angreifer Osmany Uriarte und Ex-Kapitän Rolando Abreu. In Folge des Skandals wurden Trainer Rodolfo Sanchez entlassen und sechs junge Spieler neu in den Rio-Kader berufen. Über die schreckliche Geschichte will Jimenez nicht reden, darauf angesprochen dreht er sofort den Kopf zur Seite: "Ich fokussiere mich nur auf meinen Sport und mein Team. Reden Sie mit unseren Bossen darüber."

Trost statt Jubel...

Trost statt Jubel...

(Foto: REUTERS)

Ariel Sainz Rodriguez soll das tun, der ist in Rio als Co-Trainer dabei, führt aber auch den kubanischen Volleyball-Verband als dessen Präsident an. Seine Reaktion ist ähnlich schmallippig wie die von Jimenez: "Dazu sage ich nichts." Im Wegdrehen sagt er noch: "Im Übrigen bin ich gerade lieber Co-Trainer als Präsident." Rodriguez und Jimenez erleben keine guten Zeiten. Die Volleyballer waren einst der Stolz der Nation. Die Frauen holten drei olympische Goldmedaillen in Serie, 1992, 1996 und 2000. Die Männer waren Vizeweltmeister (1990, 2000), Weltligasieger (1998) und 1976 gewannen sie Olympia-Bronze. Der frühere Staatschef Fidel Castro liebte die Schmetterartisten; wenn sie nach einem großen Titelgewinn wieder in Havanna auf dem Flughafen landeten, empfing er sie persönlich und gestaltete ihnen einen Triumphzug durch die Hauptstadt.

Immer noch in den Schlagzeilen, aber...

Das ist lange her, in den letzten Jahren tauchten kubanische Spitzenvolleyballer eher mit Schlagzeilen auf wie: "Geflohen - gesperrt für zwei Jahre - endlich wieder mit Spielerlaubnis". Wie die Superstars Robertlandy Simon und Wilfredo Leon. Simon war 2010 bester Mittelblocker der WM, entschied sich, in Italien zu bleiben, statt in die Heimat zurückzukehren, wurde zwei Jahre für internationale Einsätze gesperrt, und ist heute Topverdiener nach Engagements in Italien, Korea und aktuell in Brasilien.

Wilfredo Leon tauchte als 14-Jähriger mit Kuba bei der Olympia-Qualifikation in Düsseldorf 2008 auf, vier Jahre später war er wieder dabei in Berlin. Beide Male schnappten sich die deutschen Volleyballer das Olympia-Ticket und spätestens da reifte in Leon der Entschluss, ins Ausland zu gehen. Der einfachste Weg war der über eine Heirat. Ein polnischer Spielervermittler war nach Berlin gereist in Begleitung von vier polnischen Frauen für vier kubanische Spieler. Wer Böses will, bezeichnet das als Schleusermachenschaften, allerdings haben sie eine legale Basis. Leon heiratete seine polnische Freundin auf Kuba, wurde zwei Jahre gesperrt, lebte und trainierte in dieser Zeit in Rzeszow in Polen und heute ist er ein Superstar, um den sich alle reißen. Mittlerweile hat er die polnische Staatsbürgerschaft und würde gern für Weltmeister Polen spielen.

Es gibt also Mittel und Wege, sich eine Zukunft zu erarbeiten und zu erspielen. Kubas wirtschaftliche Öffnung erlaubt dem Volleyball-Verband zunehmend, seine besten Kräfte ins Ausland ziehen zu lassen. In der Vergangenheit hielten Verband und Staat immer gern die Hand auf und kassierten Abgaben von den Profigehältern. Die sechs in Tampere verhafteten Spieler haben jedenfalls alles falsch gemacht, nicht nur die vorgeworfene Tat ist schrecklich, sie haben auch ihr eigenes Leben ruiniert, sollten sie verurteilt werden. Auf der Volleyball-Bühne würden sie nicht mehr auftauchen, glaubt Richard Baker, Pressesprecher des Weltverbandes FIVB: "Sie haben dem Ruf Volleyballs geschadet."

Javier Jimenez lässt seine Enttäuschung über die einstigen Teamkollegen nicht spürbar werden. "Ich muss mich hier um andere Dinge kümmern." Der Außenangreifer hat in den letzten beiden Jahren in Griechenland gespielt. Dort ist er ein Publikumsliebling wegen seinen spektakulären Jubelaktionen auf dem Feld. In der Maracanazinho-Arena, dem Austragungsort des olympischen Hallenturniers, hat er noch nicht viel jubeln dürfen. In den letzten Vorrundenspielen gegen Argentinien (13. August) und Polen (15. August) wird es nicht viel anders sein. "Nach Rio fahre ich erst einmal nach Hause", sagt er, "dann will ich den Kopf wieder frei kriegen." Und sicher nicht über die schweren Zeiten reden wollen.

Quelle: ntv.de

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