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Süß, kurzweilig, problematisch "Pikmin 4" drückt die Peitsche in die Hand

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Knuffig ist "Pikmin 4" allemal.

Knuffig ist "Pikmin 4" allemal.

(Foto: Nintendo/Screenshot)

"Pikmin 4" lässt Spieler fremde Welten erkunden. Gestrandet auf einem unbekannten Planeten, müssen sie einen Weg nach Hause finden. Unterstützung holen sie sich dabei von Einheimischen. Doch was erhalten sie im Gegenzug?

Knapp 22 Jahre ist es her, dass Captain Olimar in "Pikmin" auf einem fremden Planeten strandete. Sein Raumschiff schrott, die Umgebung feindselig, sein Leben in Gefahr. Als er planlos durch die ihm unbekannte Umgebung streift, trifft er auf kleine Wesen: die Pikmin, eine Mischung aus Pflanze, Mensch und Luftballon. Rasch bindet er sie ein, lässt sie Teile seines Raumschiffs wie auch Schätze schleppen, Hilfsmittel bauen, gegen Monster kämpfen. Nach knapp einem Vierteljahrhundert sendet Olimar endlich ein Notsignal. Ein Rettungsteam fliegt los, Zeit für "Pikmin 4".

Es ist schon absurd, wie der vierte Ableger von Nintendos Pikmin-Reihe startet. Seit 2001 sitzt Olimar auf dem Planeten fest, umgerechnet seit drei Konsolengenerationen. Damals war Bluetooth noch praktisch und die Menschen kommunizierten via SMS. Die Welt hat sich weitergedreht, Olimar tritt noch immer auf der Stelle. Wie sieht es mit "Pikmin 4" aus?

Die Pikmin sind im Spiel meist Wurfgeschosse.

Die Pikmin sind im Spiel meist Wurfgeschosse.

(Foto: Nintendo/Screenshot)

Erstmal bleibt es dem Scheitern treu. Das Rettungsteam stürzt ab, die Retter müssen nun also auch gerettet werden. Dafür erstellen Spieler eine Figur, setzen sie in eine Raumkapsel, die… ebenfalls abstürzt. Hier trifft Apollo 13 Andy Weirs Marsianer. Und so finden sich die Spieler auf diesen Bermudadreieck-Planeten wieder, der verdächtig an einen spießbürgerlichen Garten auf der Erde erinnert. Mit der Zeit bergen sie weitere Figuren, errichten ein Basiscamp, planen Missionen, sammeln Treibstoff, um anschließend neue Areale zu besuchen. Dabei helfen die namensgebenden Pikmin.

Alles wie gehabt

Die gibt es in verschiedenen Ausführungen für verschiedene Areale, Eis, Feuer, dunkle Höhlen. Da nur eine begrenzte Menge Pikmin mitkommen darf, braucht jeder Ausflug planerisches Geschick, kurz: Bis auf Nuancen spielt sich "Pikmin 4" wie alle anderen Teile, Strategie light eben. Es fordert nicht zu sehr, unterhält für ein paar Stunden und die ganze Spielwelt ist dermaßen drollig gestaltet, man kommt aus den "Awgh"-Ausrufen nicht raus. Dann wären da noch die sammelbaren Schätze, die Millenial-Nostalgierezeptoren genauso kitzeln (Oh, ein Gameboy!) wie die älterer Generationen (oh, eine Taschenuhr). Alle werden belohnt.

Bis auf die Pikmin.

"Los jetzt, ihr Faulpelze!"

"Los jetzt, ihr Faulpelze!"

(Foto: Nintendo/Screenshot)

Die sind zwar Lebewesen, doch werden von den Astronauten zur Ressource verzwergt, womit wir beim eigentlichen Problem des Spiels wären: der Aussage. Die niedlichen Wesen schleppen bis zum Rückenbruch; reißen Mauern ein; bauen Brücken - ohne Pause, ohne Lohn. Sind sie durch, pfeift der Astronaut sie zurück, bis zum nächsten Projekt. Trifft er auf bedrohliche Lebewesen, werden die Pikmin vom Arbeitssklaven zum Soldaten. Wer stirbt, wird ersetzt. Und all das Leid wird als Notwendigkeit dargestellt, die Astronauten wollen schließlich nach Hause. Immerhin warten weitere Raumfahrtmissionen. "Pikmin" hat seit jeher einen kolonialistischen Beigeschmack.

Dass die Pikmin eben nur eine Ressource sind, zeigt sich auch in ihrer Einheitlichkeit. Sie sind Minions mit zwei Augen. Und nichts stimmt sie glücklicher, als eine vermeintlich überlegene Lebensform zu treffen, um ihr zu dienen. Die Verhältnisse sind klar, werden nicht hinterfragt. "Pikmin" deutet dabei auf einen höheren Zweck hin, also der Rettung der Astronauten. Und dieser rechtfertigt die Mittel. Das Spielprinzip erinnert an die Geschäftspraktiken großer Industrie-Konzerne, ohne lästige Gesetze. Elon Musks feuchter Traum, immerhin benötigen die Pikmin keine Gegenleistung.

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Es ist problematisch, was "Pikmin" seit 2001 inhaltlich preisgibt. Vielleicht macht es Spaß, den Planeten zu erkunden, Schätze zu bergen, sich mit dem Team auszutauschen; vielleicht ist es auch fesselnd, Missionen zu planen, übermächtige Gegner zu erlegen, neue Gebiete zu erschließen; vielleicht ist es aber auch nur ein kurzweiliges Spiel, das weit hinter moderneren Strategie-Hybriden wie "Cult of the Lamp" oder "Factorio" zurückfällt. "Pikmin 4" ist letztlich nur eine runtergehungerte Variante durchdachterer Titel. Als Sklaventreibersimulator sticht es aber heraus. Trotzdem: So unterhaltsam es eingangs auch ist, nach ein paar Stunden fühlt sich das Suchen, Schleppen- und Niederknüppeln lassen wie Arbeit an. Nur können Spieler entscheiden, wann sie aufhören. Die Pikmin nicht. Wäre doch schön, wenn sie sich in Teil 5 gewerkschaftlich organisieren. Würde der Reihe neuen Schwung geben.

"Pikmin 4" ist für die Nintendo Switch erhältlich.

Quelle: ntv.de

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