Wirtschaft

Arbeitgeber lehnen Pflicht ab Im Büro ist der Impfstatus geheim

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Rund ein Drittel der Unternehmen mit Betriebsarzt planten eigene Impfangebote für ihre Mitarbeiter.

(Foto: picture alliance/dpa)

Amerikanische Tech-Riesen lassen nur noch geimpfte Mitarbeiter ins Büro. Ganz anders hierzulande: Unternehmen wollen nicht länger Tests für ihre Mitarbeiter bezahlen und lehnen eine Impfpflicht ab. Die rechtlichen Hürden für eine Pflicht sind hoch - zumindest bis jetzt.

Beinahe täglich verkünden US-amerikanische Unternehmen eine Impfpflicht für ihre Mitarbeiter. Nach den Tech-Giganten Google, Facebook, Microsoft und Uber verlangen zum Beispiel McDonald's oder auch der Pharmakonzern Gilead Sciences, der das Medikament Remdesivir zur Behandlung von Covid-19-Patienten herstellt, einen Impfschutz gegen das Coronavirus. Die US-Regierung ermunterte Arbeitgeber nun sogar ausdrücklich, ihre Angestellten zum Piksen zu verpflichten. Neben Unternehmen verdonnerten in den USA auch Bundesstaaten, Kommunen, Universitäten und Krankenhäuser bereits Dutzende Millionen Amerikaner zur Spritze. Es liege in der Macht der Arbeitgeber, "dabei zu helfen, die Pandemie zu beenden", sagte der Corona-Koordinator des Weißen Hauses, Jeffrey Zients. In Deutschland hingegen herrscht unter den Arbeitgebern Zurückhaltung beim Impfdruck. Auch die Gesetzeslage ist hierzulande eine andere.

"Jedem Beschäftigten ist es freigestellt, sich impfen zu lassen oder nicht", betonte Hans-Jürgen Völz gegenüber ntv.de, Chefvolkswirt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMV). Der Mittelstand setze vor allem auf Anreize und damit Freiwilligkeit. Neben Informationen über die Impfung und kurzfristiger Freistellung dafür seien Impfprämien, Kantinen-Gutscheine oder Urlaubstage denkbar. Alternativ zum Impfen werde durch Tests und mobiles Arbeiten sichergestellt, dass keine Ansteckungsgefahr besteht.

Die Sorge davor scheint nicht allzu groß zu sein. Die Abstands- und Hygieneregeln würden in den Unternehmen penibel beachtet, so Völz. Außerdem hätten Betriebsärzte, "wo immer es möglich und gewünscht war", geimpft. "Sie tun also alles, um Ansteckungen weitgehend auszuschließen."

Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt eine Impfpflicht ab. "Als Arbeitgeber setzen wir weiter auf Freiwilligkeit", teilte der Verband der "Rheinischen Post" mit. Unternehmen selbst geben sich ebenfalls zurückhaltend. "Es besteht keine Impfpflicht", stellte ein VW-Sprecher auf ntv.de-Anfrage klar. Der Autobauer hatte eigene Impfzentren eingerichtet. Ein Sprecher von Mediamarkt-Saturn erklärte: "Hinsichtlich der Einhaltung der drei Gs setzen wir auf die Selbstverantwortung und Solidarität unserer Kolleginnen und Kollegen." Die Mitarbeiter sollten nur in die Hauptverwaltung kommen, wenn sie geimpft, genesen oder negativ getestet sind. Die unternehmenseigenen Test- und Impfangebote würden sehr gut angenommen. Außerdem werde weiterhin Homeoffice ermöglicht.

Hohe rechtliche Hürden für Impfpflicht

Nach Auffassung der meisten Juristen wäre eine Impfpflicht in deutschen Unternehmen im Moment gar nicht erlaubt, wie Horst Call gegenüber ntv.de erklärte, Professor für Arbeitsrecht und privates Wirtschaftsrecht an der Ostfalia-Hochschule. Zwar habe ein Arbeitgeber das Recht auf einen ungestörten Betriebsablauf und müsse außerdem seine Mitarbeiter vor gesundheitlichen Risiken schützen. Doch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und vor allem das Recht auf körperliche Unversehrtheit wiegen Call zufolge schwerer. "Ein Arbeitgeber kann zwar Weisungen erteilen, aber die müssen im Einklang mit den Wertungen der Grundrechte stehen." Anders sähe es laut dem Arbeitsrechtler aus, wenn der Gesetzgeber eine Impfpflicht einführen würde - dann könnten Unternehmen ebenfalls darauf pochen.

Doch aktuell sieht der Professor nicht einmal für bestimmte Jobs wie etwa in der Pflege eine Chance für eine Impfpflicht. "Das ginge nur, wenn die Impfung eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung der Tätigkeit wäre." Bei den meisten Arbeitsplätzen sei das nicht der Fall, nicht einmal auf einer Intensivstation, erläuterte Call. Der Schutz vor Corona könne auch durch Abstand und Schutzkleidung gewährleistet werden. Wenn hingegen ein Mitarbeiter zum Beispiel in ein Land reisen muss, das einen Impfnachweis verlangt, wäre die Lage anders. Allerdings könne dies meist ein geimpfter Kollege übernehmen, falls ein Mitarbeiter sich nicht impfen lassen will.

Unternehmen dürfen nach dem Impfstatus nicht einmal fragen, solange es keine allgemeine Impfpflicht gibt, wie Call ausführte - beziehungsweise nur, wenn ein Mitarbeiter der Abfrage freiwillig zustimmt. "Das darf nicht an Vor- oder Nachteile gekoppelt sein", stellte der Arbeitsrechtler klar. Auch zu Tests dürften Unternehmen hierzulande nicht verpflichten, obwohl sie ihren Mitarbeitern diese zurzeit zweimal pro Woche anbieten müssen. Manche Bundesländer machten hier bei körperlichem Kontakt zu Kunden eine Ausnahme, doch das sei umstritten.

Auf einen Test bestehen dürfte ein Arbeitgeber laut Call höchstens bei einem begründeten Verdacht auf eine Covid-19-Infektion, beispielsweise wenn Mitarbeiter eng mit einem Infizierten zusammengearbeitet haben. Würde ein Angestellter einen Test trotzdem ablehnen, dürfte das Unternehmen ihm den Zugang zu Büro oder Fabrik verwehren - das Gehalt müsste es aber weiter zahlen.

Arbeitgeber wollen Tests nicht länger bezahlen

Das Interesse am regelmäßigen Testen hält sich bei den Unternehmen aber ohnehin in Grenzen. Der Arbeitgeberverband BDA fordert, dass spätestens im Oktober die Pflicht der Betriebe endet, ihren Beschäftigten kostenlos Schnelltests anzubieten. Wenn der Staat sich aus der Finanzierung zurückzieht, müsse die Pflicht der Arbeitgeber ebenfalls enden. So sieht es auch der Mittelstandsverband BVMV: "Mit zunehmendem Impffortschritt besteht keine Notwendigkeit, dauerhaft kostenlose Tests durch Arbeitgeber anzubieten, insbesondere auch deshalb nicht, weil Impfungen ohne jeglichen Eigenanteil möglich sind", erklärte Völz.

Impfungen boten nur ein Viertel der deutschen Betriebe, die einen Betriebsarzt haben, ihren Beschäftigten an. Weitere zwölf Prozent hatten dies vor, wie eine repräsentative, Anfang Juli veröffentlichte Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergab. Vor allem größere Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten impften selbst. Allerdings kritisierten auch manche Unternehmen, sie seien zu spät in die Impfkampagne einbezogen worden. Die Politik habe damit die Chance vertan, mehr zögernde Ungeimpfte zu erreichen, monierten etwa die Arbeitgeber-Verbände Baden-Württemberg.

VW zum Beispiel machte laut Sprecher allen rund 140.000 Beschäftigten der deutschen Standorte ein Impfangebot. Bis Anfang August habe der Autobauer rund 35.000 von ihnen vollständig geimpft; daneben hätten sich Mitarbeiter in Impfzentren oder bei Ärzten impfen lassen. Da inzwischen genug Impfstoff vorhanden sei, könnten sich nun auch Angehörige von Angestellten bei VW impfen lassen.

Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa/rts

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