"Wird behindert, das ist Fakt" Wie ein Amt den Windkraft-Ausbau in MV verhindert
03.05.2024, 16:16 Uhr Artikel anhören
Es sind nicht immer die Anwohner, die Windparks verhindern - im Gegenteil.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bereits in diesem Monat soll das umstrittene Flüssiggasterminal im Hafen von Mukran auf Rügen seinen Regelbetrieb aufnehmen. Vom Bekanntwerden der Pläne bis zur vollständigen Fertigstellung sind keine zwei Jahre vergangen. Davon können viele Solar- und Windprojekte nur träumen - speziell in Mecklenburg-Vorpommern. Deutschlandweit sind gut 30 sogenannte Untätigkeitsklagen wegen verschleppter Genehmigungen für den Bau von Windkraftanlagen bekannt. Der Nordosten sticht mit 19 Klagen hervor. "Neue Windparks stoßen gerade in Westmecklenburg nicht nur auf Sympathie", sagt Thomas Banning im "Klima-Labor" von ntv. Der Geschäftsführer von NaturEnergy spricht aus eigener Erfahrung: Seit mehr als zehn Jahren versucht er, mit der Gemeinde Wöbbelin fünf Windräder zu bauen. An den beteiligten Ämtern lässt Banning kein gutes Haar. Die Untere Naturschutzbehörde verweigert die Mitarbeit, das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umweltschutz nutzt seine Macht lieber für fossile Projekte. Nachdem auch für Wöbbelin Klage eingereicht wurde, liegt die Genehmigung inzwischen vor. Die Windräder können trotzdem nicht gebaut werden, das Verfahren beginnt von vorn.
ntv.de: Sie planen und bauen Wind- und Solarparks. Wie viele davon konnten Sie bisher innerhalb von zwei Jahren in Betrieb nehmen?

Gerade bei Windenergie gebe es in manchen Ämtern sehr viele Vorbehalte, sagt Thomas Banning.
(Foto: picture alliance / ZB)
Thomas Banning: Bei den Windparks noch keinen. Bei 25 bis 30 Solarparks hat es bei einem geklappt.
Dann schauen Sie wahrscheinlich neidisch nach Rügen, wo keine zwei Jahre nötig waren, das Flüssiggasterminal in Mukran fertigzustellen.
Einerseits neidisch auf die Geschwindigkeit, andererseits skeptisch darauf, ob das überhaupt nötig ist.
Woran liegt es denn? Haben Sie die falschen Flächen für Ihre Projekte ausgewählt? Ihre Hausaufgaben nicht gemacht?
Ja, das muss an uns liegen. (lacht) Es sind schon sehr komplexe Genehmigungsverfahren und wenn man sie sauber einhält, braucht es eine gewisse Zeit. Das gehört sich auch so - für die Bürger und für die Natur. Es geht nicht darum, Dinge durchzuprügeln. Trotzdem sollten Genehmigungsverfahren zügig abgewickelt werden und zu einem Ergebnis kommen. Das klappt leider nicht immer gut. Man kann sogar sagen, in vielen Ecken der Bundesrepublik läuft es schwach.
Wie lange dauern die Genehmigungsverfahren bei Ihren Projekten in der Regel?
Sie brauchen für Solarparks im Normalfall zweieinhalb bis vier Jahre, also im Schnitt drei. Für einen Windpark benötigen wir eher acht bis zehn Jahre.
Welche Zeitrahmen fänden Sie angemessen?
Einen Solarpark kann man ohne Weiteres in anderthalb Jahren reif haben für eine Bauentscheidung, dazu gehört auch die Genehmigung. Mit einer Gemeinde in Franken haben wir es sogar noch schneller geschafft. Gerade bei Windenergie gibt es aber sehr viele Vorbehalte. Auch Personen, die in den Ämtern tätig sind, haben nicht unbedingt ein Interesse daran, solche Prozesse zügig zu bewegen.
Es sind nicht die Anwohner, die sich querstellen?
Es gibt sicherlich Projekte, bei denen viele Diskussionsrunden mit Anwohnern notwendig sind und auch Klagen eingereicht werden. Das kann ein Projekt verschleppen. Aber in Wöbbelin, wo wir seit mehr als zehn Jahren einen Windpark bauen wollen, wollen die Gemeinde und die Bürger. Die Bürgermeisterin ist Ende 2012 sogar auf uns zugekommen und hat gesagt: Ein gemeinsamer Windpark wäre genau das Richtige! Seitdem arbeiten wir daran, haben vielfach Genehmigungsunterlagen eingereicht. Aber neue Windparks stoßen in Mecklenburg-Vorpommern und gerade in Westmecklenburg nicht nur auf Sympathie, um es mal vorsichtig zu formulieren. Wir sind behindert worden.
Von wem?
Oft legen uns die Unteren Naturschutzbehörden (UNB) Steine in den Weg. Das ist leider auch in Westmecklenburg der Fall. Das ist Fakt. Das geht vielen anderen genauso. In der UNB wird wirklich versucht, Windparks zu verhindern. Man sieht sie als nicht vereinbar mit dem Naturschutz an.
Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland mit den mit Abstand meisten Untätigkeitsklagen wegen verschleppter Genehmigungsverfahren von Windprojekten. Gleichzeitig wird ein Flüssiggasterminal wie in Mukran nicht nur in ganz kurzer Zeit, sondern auch noch ohne Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt. Ein Kollege von ihnen sprach in dem Zusammenhang von einem "sehr bitteren Beigeschmack". Stimmen Sie zu?
Ja, hinter dieser Aussage können Sie ein Ausrufezeichen setzen. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umweltschutz (Stalu) die verfahrensführende Behörde für solche Projekte. Dort werden die Unterlagen eingereicht, das Stalu muss die Meinung von allen Betroffenen einholen. Hat die Bundeswehr ein Problem? Hat der Naturschutz ein Problem? Das gehört dazu. Es kommt vor, dass dabei ein Problem entdeckt und gesagt wird: Das Projekt geht hier nicht. Dann ist das für uns geklärt. Im Fall Wöbbelin war es aber so, dass die Untere Naturschutzbehörde als einer der Träger der öffentlichen Belange auf die Anfragen des Stalu nicht oder nur mit extremer Verzögerung geantwortet hat. Die konstruktive Mitarbeit wurde verweigert.
Und damit hat sich die Sache?
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Das Stalu darf das Einvernehmen als verfahrensführende Behörde prinzipiell ersetzen. Es muss dann selbst prüfen, ob unsere Argumente vollständig und schlüssig sind und kann sagen: Akzeptiert. Ihr bekommt die Genehmigung. Das ist Standard in Deutschland und im Baurecht so verankert. In Westmecklenburg ist das aber trotz vieler Bemühungen unsererseits nicht passiert.
Das Stalu könnte sagen, ich regle das, macht genau das aber nicht?
Genau. Bevor man Unterlagen einreicht, trifft man Ämter und Behörden in der Regel zu Vorgesprächen, um zu klären, was man beachten muss. Schon dazu konnte die Untere Naturschutzbehörde nur mit Druck bewegt werden. Als wir später die Unterlagen eingereicht haben, hat sie einfach nicht geantwortet. Entsprechende Aufforderungen des Stalu wurden ignoriert. Erst als das Stalu Druck gemacht und Termine festgelegt hat, hat die Naturschutzbehörde in allerletzter Sekunde ein Pamphlet mit ganz vielen Forderungen geschickt: Das müsste noch geprüft werden, das und das auch. Sachen, die vorher nie diskutiert wurden.
Wir haben uns trotzdem hingesetzt, wochen- und monatelang Informationen aufbereitet. Es ging um Klassiker wie die Gefahren von Windkraftanlagen für Greifvögel. Es wurden Konzepte erstellt, Pachtverträge mit Landwirten geschlossen, um Ausweichflächen für die Vögel anzulegen. Das ist ein Riesenprozess. Dann haben wir wieder alles eingereicht, das Stalu hat gefragt: Liebe Untere Naturschutzbehörde, ist das jetzt in Ordnung für euch? Dann herrschte wieder Schweigen. Das zog sich über Jahre so hin.
Haben Sie sich in der Politik darüber beschwert?
Ich habe mit den zuständigen Ministern in Mecklenburg-Vorpommern geredet und gebeten, dafür zu sorgen, dass die Ämter sich koordinieren und Fakten auf den Tisch bringen, die jeder nachvollziehen kann. Die Minister haben genickt, aber gesagt: Das ist Sache unserer Ämter, wir mischen uns nicht ein. Dann schaut man sich allerdings das Flüssiggasterminal in Mukran an, wo eigentlich alle Betroffenen sagen: Um Gottes Willen, bitte nicht hier vor Rügen mit Themen wie Umwelt und Tourismus. Und siehe da: Dort ist das Stalu sehr wohl in der Lage, Einvernehmen zu ersetzen und dafür zu sorgen, dass es läuft.
Und nun?
Wir haben irgendwann gesagt, dass wir eine Untätigkeitsklage einreichen. Damit wird einem Amt sozusagen mitgeteilt: Ihr müsst handeln, dazu seid ihr gesetzlich verpflichtet! Denn wir haben damals sogar schon eine Bürgerenergiegesellschaft gegründet, weil wir fest mit der Genehmigung gerechnet haben und in die Ausschreibung gegangen sind. Dafür muss man Sicherheiten bei der Bundesnetzagentur hinterlegen. Aber wenn sie nicht innerhalb von dreieinhalb Jahren bauen, ist das Geld weg. Wir und die Bürger haben gut 300.000 Euro verbrannt, weil es nicht weiterging. Da geht bei den Bürgern, der Gemeindechefin und auch bei uns der Puls hoch. Ich möchte keine Behörde in die Pfanne hauen, aber so geht es nicht weiter.
Wie ist der aktuelle Stand? Haben Sie schon etwas vom Gericht gehört?
Die Klage ist noch gerichtsanhängig, wie man so schön sagt. Das heißt, es gibt noch keine Entscheidung, aber Gespräche. Sie kennen das, der Richter sagt: Könnt ihr nicht miteinander reden?
Wie ironisch.
Das Gericht hat dem Stalu wirklich ins Gewissen geredet, endlich was zu tun. Seitdem sind schon wieder zwei Jahre vergangen, aber seit dem Überfall der Russen auf die Ukraine haben wir politisch natürlich ein ganz anderes Verständnis davon, wie wertvoll Energie aus erneuerbaren Quellen vor Ort sein kann. Das ist in der Bundespolitik aufgegriffen worden. Dieser Druck wird an die Länder weitergegeben. Auch Mecklenburg-Vorpommern muss gewisse Dinge herbeiführen, da kommt es nicht drumherum. Das hat dazu geführt, dass wir im Herbst letzten Jahres wahrhaftig eine Genehmigung für drei der insgesamt fünf Windenergieanlagen, die wir bei Wöbbelin bauen wollen, erhalten haben. Das Problem ist: Diese genehmigten Windanlagen kann man nicht mehr kaufen. Genau das ist das Ziel solcher Verhinderungsstrategien. Kein Amtsmitarbeiter oder Amtsleiter darf sagen, ich will keine Windenergie. Dann wären sie angreifbar. Stattdessen werden Dinge so lange verzögert, bis der Projektierer wieder von vorne anfangen muss.
Mit Thomas Banning sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.
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Quelle: ntv.de