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Experten kappen BIP-Prognosen "Tendenz steht auf Flaute"

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Dem Bau werden allmählich die Aufträge ausgehen, prognostiziert das IFO-Institut

Dem Bau werden allmählich die Aufträge ausgehen, prognostiziert das IFO-Institut

(Foto: picture alliance / Franz Neumayr / picturedesk.com)

Immer mehr Wirtschaftsexperten schreiben die Wirtschaftserholung für das zweite Halbjahr ab und streichen ihre Erwartungen für das kommende Jahr zusammen. Immerhin rechnen sie mit sinkender Inflation. Dadurch könnte der Verbraucher als Wachstumstreiber wieder an Bedeutung gewinnen.

Der Reigen gekappter Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft setzt sich fort. Mit dem Münchener IFO-Institut und dem RWI haben zwei weitere Forschungseinrichtungen ihre Konjunkturerwartungen gesenkt. "Die deutsche Wirtschaft tritt seit dem Frühjahr auf der Stelle", sagte IFO-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser mit Blick auf das laufende Jahr. "Die Abkühlung setzt sich fort, in nahezu allen Branchen steht die Tendenz auf Flaute." Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung begründete seine neue Prognose damit, "dass sich konjunkturelle Hemmnisse nur langsam verringern". Der Aufschwung in Deutschland verzögere sich.

Den Bauunternehmen dürften nach Erwartung des IFO-Instituts allmählich die Aufträge ausgehen, da sich die umfangreichen Stornierungen bestehender Aufträge und der Rückgang neuer Aufträge bis zuletzt fortgesetzt hätten. Auch vom verarbeitenden Gewerbe dürften zunächst keine konjunkturellen Impulse ausgehen. Die Nachfrage nach Industriewaren in wichtigen Absatzmärkten werde schwach bleiben und erst gegen Jahresende wieder anziehen.

Lichtblick privater Konsum

Für dieses Jahr erwartet das RWI einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,6 Prozent, wie das Institut mitteilte. Im Juni war es noch von einem Minus von 0,3 Prozent ausgegangen. Für 2024 senkte das RWI seine Prognose von 2 auf 1,1 Prozent, für 2025 geht das Institut von 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum aus. Das IFO erwartet seinerseits für dieses Jahr einen Rückgang um 0,4 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung zudem nur noch um von 1,4 statt der im Juni prognostizierten 1,5 Prozent zulegen. "2025 dürfte die Wirtschaft um 1,2 Prozent wachsen", hieß es weiter. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hatte jüngst seine BIP-Prognose gesenkt und rechnet nun mit einem Rückgang um 0,5 Prozent - und damit fast doppelt so viel wie noch im Frühsommer angenommen.

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erwartet einen BIP-Rückgang im laufenden Jahr um 0,5 Prozent. Für das kommende Jahr wird ein Zuwachs von 0,9 Prozent prognostiziert und für 2025 von 1,2 Prozent. "Hohe Inflation, gestiegene Zinsen, eine schwache Auslandsnachfrage und Verunsicherung unter privaten Haushalten und Unternehmen belasten gegenwärtig die deutsche Wirtschaft", erklärten die Ökonomen. "Die deutsche Wirtschaft ist im Abschwung", stellten sie fest. Für die Inflation sagten sie sechs Prozent in diesem Jahr, 3,0 Prozent im kommenden und 2,3 Prozent im übernächsten Jahr voraus.

Lichtblick dürfte laut IFO-Institut im zweiten Halbjahr der private Konsum sein. "Der Anstieg der verfügbaren Haushaltseinkommen wird kräftig bleiben und bei langsam sinkenden Inflationsraten auch zu einem Kaufkraftplus führen", sagte Wollmershäuser. Laut Prognose dürften die Verbraucherpreise in diesem Jahr mit sechs Prozent vorerst hoch bleiben. Dann werde die Jahresteuerung aber spürbar nachlassen und 2024 bei 2,6 Prozent liegen und 2025 auf 1,9 Prozent fallen.

Außerdem dürfte sich der Arbeitsmarkt laut IFO-Institut weniger robust zeigen als zuvor gedacht. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte mit 2,59 Millionen in diesem und mit 2,58 Millionen im nächsten Jahr hoch bleiben. Mit einem Rückgang auf rund 2,43 Millionen rechnen Forscher nun erst 2025 - und nicht schon für das nächste Jahr.

"Beträchtliche Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft"

Das RWI erinnerte daran, dass es für eine Belebung der Wirtschaft vor allem sichere Investitionsbedingungen für Unternehmen und steigende real verfügbare Einkommen für private Haushalte brauche. Im kommenden Jahr dürfte zunächst der private Konsum die konjunkturelle Erholung tragen, erwartete das RWI.

Größtes Risiko für die exportorientierte deutsche Konjunktur seien "die beträchtlichen Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft", sagte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. Hierzu gehöre, dass sich die Kerninflation als hartnäckiger erweisen könnte als von den Zentralbanken erwartet, weshalb die Zinsen noch länger hoch bleiben könnten.

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Die Inflationsrate dürfte im Durchschnitt dieses Jahres sechs Prozent betragen und in den kommenden beiden Jahren auf 2,5 Prozent und 2,1 Prozent zurückgehen. Die Zahl der Arbeitslosen werde in diesem Jahr bei bei knapp 2,59 Millionen und 2024 bei 2,55 Millionen betragen, bevor sie 2025 auf 2,48 Millionen sinkt. Wegen der demografischen Entwicklung dürfte er Druck auf den Arbeitsmarkt steigen und die Arbeitskräfteknappheit für sinkende Beschäftigungszahlen sorgen.

Doch das RWI weist in seiner Prognose auf weiter etliche Unsicherheiten hin. So könnte die Wachstumsdynamik in China, nicht zuletzt aufgrund von Problemen im Immobiliensektor, geringer ausfallen als angenommen. Zudem sei denkbar, dass die Rohstoffpreise wegen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine steigen. Und schließlich könnten strukturelle Faktoren eine größere Rolle spielen als derzeit absehbar sei. Dann würde die Konjunktur nicht wie erwartet im kommenden Jahr an Fahrt gewinnen, sondern es würden Wettbewerbsanteile verloren gehen und deutlich stärkere strukturelle Reformen notwendig sein.

Quelle: ntv.de, jwu/DJ

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