Wirtschaft

Hilfe, die Inflation ist zurück! Wann treten die Notenbanken auf die Bremse?

Laufen die Volkswirtschaften wegen der Corona-Hilfspakete heiß? Wie sehr schürt das die Inflation?

Laufen die Volkswirtschaften wegen der Corona-Hilfspakete heiß? Wie sehr schürt das die Inflation?

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

Die Finanzmärkte zucken nervös. Die Feuerkraft billionenschwerer Corona-Pakete treibt die Inflation. Müssen Fed und EZB ihre ultralockere Geldpolitik zurückfahren? Erinnerungen an die Zeit nach der Finanzkrise werden wach.

Die Inflationsgespenster sind geweckt. Bei manchen sorgen sie bereits für Angst und Schrecken. Erinnerungen an die 1970er-Jahre werden wach. In der Corona-Krise wurde viel Geld in die Realwirtschaft gepumpt. Die Wirkung ist nicht zu übersehen: Alle Wirtschaftsräume weltweit wachsen, und zwar synchron, was ungewöhnlich ist: Laut dem neuen OECD-Wirtschaftsausblick, der diese Woche veröffentlicht wurde, wird die Weltwirtschaft 2020 um 5,6 Prozent zulegen. Noch im Dezember war man von 1,4 Prozentpunkten weniger ausgegangen.

Am stärksten korrigierten die Volkswirte die Prognose für die USA nach oben, um 3,3 Prozentpunkte auf 6,5 Prozent. So ein Plus des Bruttoinlandsprodukts schaffen in der Regel nur Schwellenländer wie China, aber nicht die entwickelten Industrienationen. Die USA werden zur Lokomotive für die Weltwirtschaft. Die Wirtschaft der G20-Staaten wird im gleichen Zeitraum um 6,2 Prozent und die der Eurozone um 3,9 Prozent zulegen.

Eine Lehre aus der Lehman-Krise

Die Kehrseite der Medaille ist die dadurch steigende Inflation. Die USA kleckern nicht, sie klotzen, um die Wirtschaft zu stützen. Erst am Vorabend winkte der US-Kongress ein knapp zwei Billionen Dollar schweres Corona-Paket durch. Sein Umfang entspricht fast zehn Prozent der jährlichen US-Wirtschaftsleistung. Das Geld soll die Wirtschaft anschieben und Bürger entlasten. In den USA haben Arbeitslose zum Teil mehr Geld als vor der Pandemie, als sie noch gearbeitet haben. Die Frage, die sich viele Beobachter nun stellen, ist: Lässt sich dieses Inflationsmonster bändigen oder wird es unkontrolliert sein Unwesen treiben? Sollten die Alarmglocken bei den Notenbanken schrillen?

An den Finanzmärkten wird das derzeit heftig diskutiert. Die Hoffnungen auf den schnellen und anhaltenden Aufschwung spiegeln sich bereits unmittelbar in den gestiegenen Rohstoffpreisen. Die Preise für Öl und Kupfer haben in der Annahme, dass die Nachfrage steigen wird, bereits deutlich angezogen. Hinzu kommt: Ölkonzerne und Minengesellschaften haben in den zurückliegenden Jahren ihre Investitionen stark zurückgefahren und kaum neue Vorkommen exploriert und erschlossen. Das alles treibt die Preise.

Experten loben einerseits die Entschiedenheit, mit der Regierungen in der Krise vorgehen. "Die Lage ist erheblich besser als nach der Finanzkrise 2009", sagte zum Beispiel die OECD-Chefökonomin Laurence Boone diese Woche. Die Regierungen hätten schnell mit großen Konjunkturpaketen reagiert und damit die Lehren aus den Fehlern von 2009 beherzigt. Andererseits warnen aber auch skeptische Stimmen, das Geld könnte die Volkswirtschaften heiß laufen lassen.

"Als wenn man Regen erbittet und einen Monsun bekommt"

10-jährige US-Anleihen
10-jährige US-Anleihen 105,27

Vor allem die US-Notenbank Fed könnte bald unter Druck geraten. "Wenn die Rakete des US-Präsidenten Joe Biden zündet, kann es zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft kommen", sagt der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr: Das massive Konjunkturprogramm könnte nicht nur einen Boom in den USA auslösen, sondern "auch auf den Weltmärkten für Preissteigerungen sorgen".

IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard hält das Hilfspaket der US-Regierung für klar überzogen. "Das ist ein bisschen so, als wenn man Regen erbittet und einen Monsun bekommt." Seiner Ansicht nach könnten die USA zwar mehr Schulden vertragen. "Aber allein deswegen muss man es nicht unbedingt tun", sagte er dem "Handelsblatt". Das Konjunkturpaket der US-Regierung sei "ungefähr das Dreifache dessen, was nötig wäre, um die Unterauslastung der US-Wirtschaft zu beheben". Wenn die Wirtschaft überhitze, steige die Inflation, und die Fed müsse einschreiten und bremsen, so der renommierte Ökonomieprofessor weiter.

Ist der Zeitpunkt für die Fed oder auch die EZB deshalb nun gekommen, zumindest zu überlegen, aus ihrer ultralockeren Geldpolitik auszusteigen und die Anleihekäufe zurückzufahren? Ein Vorgang, den die Angelsachsen übrigens "Tapering" nennen, mancher erinnert sich vielleicht. Unmittelbar scheinen die Währungshüter dafür keinen Anlass zu sehen. Bislang beteuern sie, dass sie eine höhere Inflation tolerieren werden. Die Fed will ihre Geldpolitik explizit nicht korrigieren. Die Entwicklung sei nicht "ungeordnet" und bedürfe daher keiner Intervention, stellte US-Notenbankchef Jerome Powell kürzlich klar.

10-jährige Bundesanleihen
10-jährige Bundesanleihen 112,91

Tatsächlich ist der Preisauftrieb auf beiden Seiten des Atlantiks noch gedämpft, doch das könnte sich auch sehr bald ändern. Mit 1,4 beziehungsweise 0,9 Prozent liegt die Inflation sowohl in den USA als auch in der Euro-Zone noch weit von der Notenbanken-Wunschmarke von etwa 2 Prozent entfernt, aber sie steigt kontinuierlich. Zumindest kurzfristige Teuerungsraten von etwa 3 Prozent halten Experten für durchaus möglich.

Sollten die Zinsen deutlich über das Ziel von zwei Prozent hinausschießen, wächst der Druck - zunächst auf die Fed und perspektivisch auch auf die EZB. Die in der Krise angesammeltem Spargelder in Billionenhöhe, die darauf warten, ausgegeben zu werden, könnten die Inflation übrigens noch zusätzlich schüren.

Anstieg der Renditen macht nicht nur Anleger nervös

An den Anleihemärkten wird das Inflationsszenario bereits durchgespielt. Die Renditen sind zuletzt gestiegen. Die richtungweisenden Staatsanleihen aus den USA und aus Deutschland notierten so hoch wie vor rund einem Jahr. Wenn ihre Renditen steigen, ziehen sie auch die Zinskosten für Unternehmen mit nach oben. Das zehrt an den Margen der Unternehmen und belastet die wirtschaftliche Entwicklung. Kein Wunschszenario in der Krise.

Eine Erklärung für den auffällig schnellen Anstieg der US-Renditen ist, dass es durch das billionenschwere Corona-Paket auch viele Anleihen gibt, die der Staat zur Finanzierung emittieren, also verkaufen muss. Je mehr Anleihen auf den Markt kommen, desto niedriger sind die Kurse - umgekehrt steigen (zumindest normalerweise) die Zinsen. Was wiederum ein Zeichen von Inflation ist, denn Zinsen sind der Preis für geliehenes Geld.

Powell hat sich in seiner Wortwahl zu Recht zurückgenommen, wenn man bedenkt, wie die Märkte Ex-Fed-Chef Ben Bernanke in einer ähnlichen Situation nach der Finanzkrise abgestraft haben. Er verscherzte es sich gründlich mit den Märkten, weil er 2013 in einer Anhörung - beiläufig - die Bemerkung fallen ließ, die Fed könnte bei anhaltend positiven Wirtschaftsdaten ihre Wertpapierkäufe allmählich zurückfahren. Die Folge war ein Börsen-Beben, das als "Taper Tantrum" in die Geschichte einging. Eine Art Wutanfall ("Tantrum"), weil Anleger das Zurückfahren der Anleihekäufe befürchteten. Powell wollte so ein Szenario sicherlich nicht riskieren.

Die Frage ist aber: Was macht die Fed, wenn die Inflation tatsächlich über die Zwei-Prozent-Zielmarke schießt? Vielleicht sogar über die drei Prozent hinaus? Kann und will sie dann die Zinsen trotzdem niedrig halten? Ob es den Notenbanken auf diesem Niveau dann gelingen wird, die Zinsen zu drücken, ist unklar. Das wird nur ein Markttest zeigen. Ein mögliches Szenario ist, dass die Märkte dann gegen die Notenbanken wetten. Zumindest ist es aber denkbar, dass die Währungshüter ihre ultraexpansive Geldpolitik zurückfahren. Manche Investoren erwarten eine erste US-Zinserhöhung bereits Mitte 2022 statt wie von der Fed bislang signalisiert gegen Ende 2023.

"Hohe Inflation frisst Staatsverschuldung auf"

Klar gegen einen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik sprechen die angehäuften Schuldenberge. Die Inflation "sprießt wie der Spargel im Frühling", sagt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse der Baader Bank ntv. Nur "eine hohe Inflation frisst Staatsverschuldung auf".

Die Notenbanker der EZB haben am Donnerstag ihre Inflationserwartungen angehoben. Die Währungshüter schraubten die Rate auf 1,5 Prozent für dieses Jahr hoch. Im Dezember waren sie von einem Anstieg von nur 1 Prozent ausgegangen. Es sei auch deutlich möglich, dass die europäische Teuerungsrate zum Jahresende vorübergehend auf 2 Prozent steigen werde, sagten die Euro-Hüter. Trotzdem signalisierten sie eine klare Bereitschaft, weiter Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Einem unerwünschten weiteren Rendite-Anstieg will man mit verstärkten Bond-Käufen entgegentreten - die Kreditkosten sollen niedrig bleiben. Deshalb wird das Tempo der Anleihenkäufe jetzt erhöht.

Mehr zum Thema

Durch technische Effekte wie das Ende der deutschen Mehrwertsteuersenkung und den steigenden Ölpreis werde man "hindurchschauen", begründete EZB-Chefin Christine Lagarde das Vorgehen. Der Zinsanstieg an den Märkten sei "ein Risiko", "umfassende geldpolitische Lockerung" geboten. Die Finanzmärkte reagierten umgehend, die Renditen fielen. "Die Märkte freuen sich, dass die EZB etwas mehr machen wird im nächsten Quartal. Aber sie hat wenig Klarheit geliefert, was sie längerfristig tun will", kommentierte Konstantin Veit vom Vermögensverwalter Pimco bei ntv. Die Inflationsprognose deute darauf hin, dass die EZB davon ausgehe, dass sie wohl über die nächsten drei Jahre ihr Ziel von zwei Prozent Inflation deutlichst verfehlen wird. Mit einer Zinserhöhung sei "wohl nicht vor 2025 zu rechnen".

Die weitere Marktreaktion werde spannend, kommentierte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert die EZB-Entscheidung. Es könne durchaus sein, dass einige Akteure die Entschlossenheit der EZB nun testen wollten, sodass noch ein weiterer Renditeanstieg zu sehen sein werde. "Aber letztlich sitzt die Zentralbank am längeren Hebel, weil sie über unbegrenzte Munition verfügt."

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen