Kampf gegen Epidemien Dr. Malaria wird 150
01.11.2007, 12:03 Uhr1892 wütet in Hamburg eine Choleraepidemie, die von Seeleuten eingeschleppt wurde. 9000 Menschen sterben. Auch Malaria taucht plötzlich im Hafen auf - eine Krankheit, die bisher unbekannt war. Auf der Elbe einlaufende Schiffe müssen kontrolliert werden, viele Matrosen schleppen infektiöse Krankheiten nach Hamburg ein. Die Globalisierung des Seehandels und der Kontakt zu Kolonien in Tropenländern erfordern eine schnelle Reaktion der Medizin. Der junge Marinestabsarzt Bernhard Nocht aus Wilhelmshaven macht mit seinem Wissen auf sich aufmerksam. Der Gründer des ältesten Tropenmedizin-Instituts in Deutschland wurde am 4. November vor 150 Jahren geboren.
Angst vor einer Epidemie
Er leitet während der Cholera-Epidemie die Kontrollstation entlang der Elbe im Hamburger Innenstadtbereich. Als Schüler des Medizin-Nobelpreisträgers Robert Koch hat der am 4. November 1857 im schlesischen Landshut geborene Nocht früh Erfahrungen mit exotischen Krankheiten gesammelt. Nach der Eindämmung der Cholera wird Nocht vom Hamburger Senat angeboten, das neu geschaffene Amt des Hafenarztes zu übernehmen. Die Politiker haben Angst vor einer Epidemie, die die Wirtschaft lahmlegt und ein Massensterben in der Bevölkerung auslöst.
Der Arzt quittiert den Dienst bei der Marine und tritt am 1. April 1893 seine neue Stellung an. Er kontrolliert Schiffe, untersucht Matrosen und sorgt dafür, dass Menschen mit Infektionen in Quarantäne kommen. Unter den medizinischen Exoten taucht eine Form immer häufiger auf der Elbe auf: Malaria. Schnell erwirbt sich der Mediziner mit den raspelkurzen weißen Haaren und der hohen Stirn einen internationalen Ruf als Malaria-Mediziner.
Mehr Wissen über Malaria nötig
Nocht wühlt sich in die Thematik ein. Schnell wird ihm klar, dass in Deutschland das Wissen über Malaria verbessert werden muss, um die fiebrige, tödlich verlaufende Infektion und andere Tropenkrankheiten bekämpfen zu können. Am 1. Oktober 1900 gründet er das Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten (ISTK) in Hamburg. Robert Koch wollte die Institution nach Berlin in die Reichshauptstadt holen, doch der Hamburger Mediziner kann sich durchsetzen.
"Forschen, heilen, lehren", lautet das Mantra Nochts für die Instituts-Aufgaben. Am Institut wird unter Nochts Federführung erfolgreich an einer Verbesserung der Chinin-Therapie zur Behandlung von Malaria gearbeitet. Aufgrund der Resistenzen gegen neuere Mittel erlebte dieses älteste Malaria-Mittel in den vergangenen Jahren eine Renaissance.
Guter Ruf der deutschen Wissenschaft
Nach dem Ersten Weltkrieg sorgt Nocht dafür, dass die deutsche Wissenschaft im Ausland wieder an Renommee gewinnt: Von 1927 bis 1934 ist er Vizepräsident der Hygienekommission des Völkerbundes, dem Vorläufer der Weltgesundheitsorganisation WHO. Aus Anlass seines 85. Geburtstages wird noch zu seinen Lebzeiten das ISTK in Bernhard- Nocht-Institut (BNI) umbenannt. Während des Nationalsozialismus dominiert im BNI die Hoffnung auf die Eroberung neuer Kolonien. Direktor Peter Mühlens strebt bei der Organisation des Gesundheitswesens in neuen Kolonien die Führungsrolle des BNI an.
Bernhard Nocht hatte sich zu diesem Zeitpunkt zurückgezogen. Am 5. Juni 1945 nahm er sich mit seiner Frau im Alter von 87 Jahren das Leben. Nach dem Einmarsch der Alliierten hatten sie ihre Wiesbadener Villa verloren und fühlten sich dem Wiederaufbau nicht gewachsen, wie sie ihren Kindern in einem rührenden Abschiedsbrief mitteilten.
Heute ist das BNI mit 280 Mitarbeitern und einem Etat von rund 11 Millionen Euro das größte deutsche Tropenmedizinische Institut. "Bernhard Nocht ist es zu verdanken, dass das junge Hamburger Tropeninstitut heute seinen Platz unter den großen Tropeninstituten der Welt gefunden hat", sagt der heutige Direktor Bernhard Fleischer.
Von Georg Ismar, dpa
Quelle: ntv.de