Unterhaltung

Komik-Genie wäre 100 geworden Der Sommer des Louis de Funès

Die wohl berühmteste Rolle von Louis de Funès ist die des Gendarmen Cruchot - hier in "Der Gendarm vom Broadway".

Die wohl berühmteste Rolle von Louis de Funès ist die des Gendarmen Cruchot - hier in "Der Gendarm vom Broadway".

(Foto: imago/United Archives)

Keinem entglitten die Gesichtszüge so wie Louis de Funès. In seinen Filmen glänzte er mit hektischen Bewegungen und cholerischen Wutausbrüchen. Das Publikum liebt ihn dafür bis heute, ob als Gendarm Cruchot oder als furzenden Bauern.

Am Ende dauerte es gerade mal vier Monate. In diesen vier Monaten im Sommer des Jahres 1964 gelang Louis de Funès ein Kunststück: Er drehte drei Filme, die an den Kinokassen allesamt Rekorde brachen. Sie machten den Komiker, der vor 100 Jahren in der Nähe von Paris geboren wurde, unsterblich.

Ab 1964 spielte er dreimal Kommissar Juve, der auf der Jagd nach Fantomas ist.

Ab 1964 spielte er dreimal Kommissar Juve, der auf der Jagd nach Fantomas ist.

(Foto: imago stock&people)

Jene drei Filme - "Der Gendarm von St. Tropez", "Fantomas" und "Louis, das Schlitzohr" (auch bekannt als "Scharfe Sachen für Monsieur") - waren die Blaupause für jene Rollen, mit denen de Funès in den folgenden Jahren große Erfolge feierte. Es waren drei Filme, die den Sohn spanischer Einwanderer in den französischen Kinoolymp katapultierten.

Für de Funès, der in jenem Sommer 50 Jahre alt wurde, war es der lang ersehnte Durchbruch. Jahrelang lebte er von kleinen Nebenrollen und Werbefilmen, schlug sich nebenbei als Zeichner, Dekorateur und Jazzpianist im Pariser Rotlichtviertel durch. In den 50ern gab es bereits ein paar Achtungserfolge, etwa mit "Zwei Mann, ein Schwein und die Nacht von Paris" oder mit Hauptrollen wie in "Fisch oder Fleisch".

Ein Napoleon unter Strom

Doch erst ein Jahrzehnt später stieg de Funès in die erste Riege der französischen Filmkomiker auf. Ihm gelang dies, weil er wie Chaplin mit dem Tramp und Tati mit Monsieur Hulot eine Figur erschuf, die mit seiner Person verschmolz. Eine Figur, die fortan in den unterschiedlichsten Filmen auftauchte, aber immer dieselbe blieb - was man in Deutschland schon am wiederkehren Figurennamen Balduin erkennt.

Ob als übereifriger Polizist Ludovic Cruchot, als Kommissar Juve oder als gefürchteter Restaurantkritiker Charles Duchemin: Louis de Funès spielte stets den hektischen und tyrannischen Choleriker, der durch seine Ausbrüche seine Umwelt ins Chaos stürzt. Er war ein Energiebündel par excellence, ein Napoleon unter Strom. Nie stand er still, nie kamen seine Arme zur Ruhe, nie blieb sein Gesicht, jene lebendige Knautschzone, ausdruckslos.

Auch seine Sprache, die ihre Sätze wie Maschinengewehrfeuer herausratterte, wurde zu seinem Markenzeichen. Wobei diese sprachliche Akrobatik in der deutschen Synchronisation noch verstärkt wurde, weil den Figuren klamaukige Sätze in den Mund gelegt wurden. Beim Publikum kam diese Figur hervorragend an. Wohl auch weil jeder einen dieser pedantischen Spießbürger kennt, die keiner so gekonnt darstellte wie de Funès.

Bestechendes Plädoyer für Toleranz: de Funès in "Die Abenteuer des Rabbi Jacob".

Bestechendes Plädoyer für Toleranz: de Funès in "Die Abenteuer des Rabbi Jacob".

(Foto: imago stock&people)

Der Zeitgeist der 60er-Jahre kam ihm dabei entgegen. Schließlich nahm er in seinen Filmen die Welt der strengen Familienväter und allmächtigen Patriarchen, der peniblen Polizisten, gierigen Industriellen und von Vorurteilen beseelten Bürger gehörig auf die Schippe. Unnachahmlich demontierte er das starre französische Gesellschaftssystem und seine Rangordnung, zeigte dessen Bigotterie.

Von Kritikern gehasst

Als Gendarm Cruchot tritt er seine Untergebenen, buckelt aber gegenüber Autoritäten. In "Die Abenteuer des Rabbi Jacob" - seinem vielleicht politischsten Film - muss er als Antisemit und Rassist in die Rolle eines Rabbis schlüpfen. In "Der Querkopf" spielt er einen Bürgermeister und Industriellen, der durch die Gier nach mehr Gewinn sein Haus und seine Ehe demoliert. In "Brust oder Keule" nimmt er die Fast-Food-Industrie aufs Korn, karikiert aber gleichzeitig die abgehobene französische Feinschmeckerwelt.

De Funès, der privat als still und zurückhaltend galt, wurde vielfach geehrt: 1973 wurde er Ritter der Ehrenlegion, hinzu kam etwa ein Ehren-César.

De Funès, der privat als still und zurückhaltend galt, wurde vielfach geehrt: 1973 wurde er Ritter der Ehrenlegion, hinzu kam etwa ein Ehren-César.

(Foto: imago/ZUMA/Keystone)

Dass jene bürgerlichen Gestalten am Ende geläutert werden und sich eines Besseren besinnen, versteht sich von selbst. Sie brechen aus dem Leben, aus der Position aus, die ihnen die Gesellschaft vorgibt. Besonders schön ist das in "Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe" - dem Furzfilm schlechthin - dargestellt. Der alte Bauer, der sich gegen den Abriss seines Hofes wehrt, wird am Ende samt Haus von Außerirdischen gerettet.

Vielleicht sehnten sich auch de Funès' Zuschauer nach solch einer Flucht aus einer komplizierter werdenden Welt. Sie liebten diese Filme und bescherten de Funès immer neue Rekorde an den Kinokassen. Die Kinokritiker seiner Zeit konnten mit dem "Grimassenclown", wie sie ihn schimpften, dagegen nichts anfangen. Er war ihnen zu grell, zu grotesk, zu klamaukig. "Das Publikum sollte die Kritiken schreiben", entgegnete de Funès.

"Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe" war einer der letzten Filme des Franzosen (hier mit Jacques Villerent).

"Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe" war einer der letzten Filme des Franzosen (hier mit Jacques Villerent).

(Foto: imago/United Archives)

Der Erfolg gab ihm recht, selbst wenn einige seiner Filme nicht mehr als routiniert heruntergedreht waren und nur von seinem Können lebten. Zuerst in Frankreich, später in ganz Europa wurde er zum Star. Sein Humor war so universell, dass er selbst hinter dem Eisernen Vorhang ins Kino kam. Erste Mitte der 70er-Jahre, nach mehreren Herzinfarkten, drehte er weniger Filme, verblasste sein Ruhm, bevor er am 27. Januar 1983 starb.

Was bleibt?

Heute sind seine Werke, die jahrzehntelang unter kuriosen Namen feste Sendeplätze am Sonntagnachmittag hatten, seltener zu sehen. Vielleicht, weil das Bürgertum, wie es de Funès symbolisierte, kaum noch existiert. Die Mittelschicht treibt heute eher die Angst vor dem Verlust des Jobs um als die Furcht vor dem Verlust des Ansehens. An eine heile bürgerliche Welt glaubt wohl keiner mehr.

Was bleibt, sind ein paar Komödien, die heute etwas angestaubt wirken. Doch es gibt auch Filme, die zum Klassiker gereift sind. "Der Gendarm von Saint Tropez" und "Fantomas" gehören dazu, "Rabbi Jacob" und "Louis' und seine außerirdischen Kohlköpfe" ebenfalls. Auch die Idee zu "Balduin, der Sonntagsfahrer", in dem de Funès mit zwei Trampern auf einer Pinie über einem Abgrund festsitzt, hat nach wie vor ihren Reiz.

Doch selbst in schwächeren Filmen gibt es noch genügend legendäre Szenen. De Funès' "Nein! Doch! Ohhh!" (zum Vergleich die Originalversion) ist unvergessen. Oder seine großartige Hitler-Parodie in "Das große Restaurant" und die Prüfungsszene aus "Balduin, der Heiratsmuffel". Diese Szenen kann nicht mal eine misslungene Synchronisation zerstören. Sie sind de Funès in Reinkultur.

Quelle: ntv.de

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