Unterhaltung

Revolutionär, weil klein Leica - die Kamera-Legende aus Deutschland

Die Ausstellung "Augen auf! 100 Jahre Leica-Fotografie" läuft in den Hamburger Deichtorhallen noch bis Mitte Januar 2015, danach wandert sie weiter nach Frankfurt am Main, Berlin, Wien und München.

Die Ausstellung "Augen auf! 100 Jahre Leica-Fotografie" läuft in den Hamburger Deichtorhallen noch bis Mitte Januar 2015, danach wandert sie weiter nach Frankfurt am Main, Berlin, Wien und München.

(Foto: Andrea Beu)

Aus dem Studio auf die Straße: Durch die Leica, vor 100 Jahren entwickelt, wurde die Fotografie Teil des Alltags. Klein und handlich, passte sie in jede Tasche. Nun kann man sich auf einen spannenden Gang durch die Geschichte der ersten Kleinbildkamera der Welt begeben.

Viele große, weltberühmte Fotografen haben mit ihr gearbeitet und sie gerühmt - Barbara Klemm meinte, die Leica sei "wie ein kleines Juwel", der kürzlich verstorbene Rene Burri nannte sie "ein grandioses Schießwerkzeug" und Henri Cartier-Bresson sagte: "Fotografieren mit einer Leica ist wie ein langer, zarter Kuss, wie das Feuern mit einer Maschinenpistole, wie eine Stunde auf der Couch eines Psychiaters". Die Leica, die Weltmarke aus Wetzlar, ist mehr als nur eine Kamera, sie hat die Fotografie revolutioniert – ihre Entwicklung vor 100 Jahren haben die Deichtorhallen in Hamburg zum Anlass für eine große, umfassende Ausstellung genommen: "Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie".

Eins von mehreren Jubiläen – im Jahr 2014 heißt es auch: 175 Jahre Fotografie, am 9. November vor 25 Jahren wurden die Deichtorhallen als Ausstellungsräume eröffnet und im Januar 2015 feiert das Haus der Photographie seinen 10. Geburtstag. Die am 24. Oktober eröffnete Ausstellung nimmt nun die Kamera-Legende Leica zum Ausgangspunkt und beleuchtet, wie ihre Entwicklung die Fotografie grundlegend verändert hat. Der große Unterschied zu den vorher üblichen großen, schweren Plattenkameras: die Leica war viel kleiner und handlicher und passte – mit ihrem damals schon versenkbaren Objektiv! - in jede Handtasche. Das machte sie interessant für Amateure und auch für moderne, selbstbewusste Frauen, denn Fotografie war zuvor fast ausschließlich eine Männerdomäne.

Moderne Zeiten

Die Ur-Leica von 1914 - die erste Kleinbildkamera der Welt.

Die Ur-Leica von 1914 - die erste Kleinbildkamera der Welt.

(Foto: © Leica Camera AG)

Oskar Barnack, Feinmechaniker bei Ernst Leitz in Wetzlar, hatte im Frühjahr 1914 das erste funktionstüchtige Modell der Kleinkamera, die damals noch keinen Namen hatte, fertiggestellt. Der Erste Weltkrieg unterbrach dann für mehrere Jahre die Entwicklung; Ernst Leitz II entschied sich erst 1924 für die Serienproduktion der "Leitz Camera", kurz Leica. Die Markteinführung auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1925, in krisengeschüttelten Zeiten, war ein wirtschaftliches Wagnis – und wurde mit Erfolg gekrönt. Der Absatz der Leica übertraf alle Erwartungen und stieg ständig: 1925 wurden 900 Kameras produziert, 1929 waren es schon 16.000. Der Bauhaus-Lehrer László Moholy-Nagy, Maler und Fotograf, war einer der ersten Kunden.

Die Leica, ihre Handhabung und ihr Format, entsprachen der modernen, temporeichen Zeit und ihrer Dynamik. Zuvor, mit den schweren Plattenkameras, konnte man nur fotografieren, was stillhielt – mit der Leica konnte man ohne Stativ arbeiten, auf die Straße gehen, Bewegung festhalten, Schnappschüsse machen. Und, wie Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen bei der Pressekonferenz anlässlich der Ausstellungseröffnung sagte, "durch die Leica konnte man unbeobachtet beobachten". Der leisere Schlitzverschluss (statt des lauteren Klappverschlusses) ermöglicht ein unauffälliges, unaufdringliches Fotografieren – was die Leica vor allem für Pressefotografen, etwa bei Politikerrunden, interessant macht.

Erst Skepsis, dann Begeisterung

Andreas Feininger, Sohn des Malers Lyonel Feininger: "Der Fotojournalist" 1951.

Andreas Feininger, Sohn des Malers Lyonel Feininger: "Der Fotojournalist" 1951.

(Foto: Andreas Feininger/Deichtorhallen)

Bei Profifotografen war die Leica allerdings anfangs nicht so beliebt – sie wurde als kleines "Spielzeug" belächelt, ihre Verwendung wurde von den Auftraggebern zum Teil sogar verboten – die Fotografen sollten "richtige Kameras" benutzen. So kam es, dass bis in die 1930er-Jahre hinein von Pressefotografen immer noch die schweren Glasplattenkameras benutzt wurden. Erst als die Leica sich bei den Amateuren durchgesetzt hatte, entdeckten auch die Profis die Vorteile der Kleinkamera für sich. Aus anfänglicher Skepsis wurde oft Begeisterung – sie wurde laut Hans-Michael Koetzle, Kurator der Ausstellung, geradezu zu einem "Glaubensbekenntnis". Man zeigte sich gern mit ihr, um zu demonstrieren: ich bin modern, ich arbeite mit einem guten, fortschrittlichen Werkzeug. Das führte zu so vielen Selbstporträts von Fotografen mit ihrer Leica , dass man "damit eine eigene Ausstellung füllen könnte", so Intendant Luckow. Einige davon sind auch in den Deichtorhallen zu sehen.

Die Ausstellung vollzieht in 14 Abschnitten, von den Anfängen in den 1920er-Jahren bis heute, die Entwicklung der Kleinbildfotografie nach. Gezeigt werden etwa 550 Bilder, ergänzt durch Filme, Nachbauten von Kameras, Plakate, Magazine, Zeitschriften, Skizzen und Bücher. Alle wichtigen Strömungen, Positionen und Aspekte der Kleinbildfotografie der letzten 100 Jahre sind vertreten – etwa die Avantgarde, der Bildjournalismus, der Neoliberalismus, die Modefotografie oder auch "Die Kamera im Krieg". So gehörte die Leica, neben Contax, für die deutschen Propagandafotografen "zur offiziell verordneten Ausrüstung". Auch Leni Riefenstahl fotografierte zum Teil mit der Leica, etwa bei den Olympischen Spielen 1936 und bei den Nuba in Afrika in den 1960er-Jahren - sie bekam sie 1936 von Ernst Leitz senior persönlich geschenkt.

Weltberühmtheiten und Neuentdeckungen

Weltberühmt: Alfred Eisenstaedt, "VJ Day" (Victory over Japan Day) auf dem Times Square in New York am 14. August 1945.

Weltberühmt: Alfred Eisenstaedt, "VJ Day" (Victory over Japan Day) auf dem Times Square in New York am 14. August 1945.

(Foto: © Alfred Eisenstaedt, 2014)

In den Deichtorhallen zu sehen sind weltberühmte Fotos, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind, bekannte Namen wie Rene Burri, Robert Capa, F.C. Gundlach, Barbara Klemm, Sebastião Salgado und Robert Lebeck. Aber auch Schätze unbekannter Fotografen wurden gehoben. Besonders stolz sind die Ausstellungsmacher auf die Fotografien aus Spanien und Portugal 1945-1960, da diese damals und bis heute international kaum bekannt waren und daher auch kaum ausgestellt wurden. Auch "Leica in Japan" ist ein spannendes Kapitel – dort, im Land von Canon und Nikon, hat die deutsche Kamera bis heute einen Sonderstatus und ist Sammlerobjekt.

Nach allen Höhen und Tiefen, die die Leica in den letzten Jahrzehnten erlebt hat: sie ist jetzt "in ordentlicher Verfassung", wie Andreas Kaufmann, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Leica Camera AG, stolz bei der Ausstellungseröffnung konstatierte. Die Firma stehe international für deutsches Design und sei "ein bisschen wie Asterix" – sie sei der letzte Kamera-Hersteller diesen Umfangs in Europa. Und am 5. September 2014 sagte Alfred Schoph, Leica-Vorstandschef, in einem Zeitungsinterview: "Uns geht es gut. Vergangenes Jahr brach der gesamte Kameramarkt ein, statt 90 Millionen Fotoapparaten verkaufte die Branche nur noch 60 Millionen. Wir dagegen sind um 5 Prozent gewachsen." Eine Erfolgsstory also, deren Anfänge und gesamte Entwicklung man auf der Schau nachvollziehen kann. Sie erlaubt einen umfassenden Blick auf die Fotografiegeschichte, aber auch auf die Entwicklungen und Ereignisse in diesen Jahrzehnten.

Freiluftgalerie am Jungfernstieg.

Freiluftgalerie am Jungfernstieg.

(Foto: Andrea Beu)

Neben der Ausstellung in den Deichtorhallen gibt es noch bis zum 31. Oktober auf dem Hamburger Jungfernstieg, direkt an der Binnenalster, eine Freiluftgalerie – hier geben 17 Straßenbilder von Leica-Fotografen eine Kostprobe der großen Schau. Aus der "torkelt man wie besoffen heraus", schwärmte begeistert Deichtorhallen-Intendant Luckow bei der Eröffnung und vermutete, viele Besucher würden ein zweites Mal kommen, da die Schau so großartig und so umfangreich sei. Dem kann ich nur zustimmen.

Gewichtiger Katalog

Andreas Kaufmann, Leica-Aufsichtsratschef, und Hans-Michael Koetzle, Kurator der Ausstellung, mit dem frisch eingetroffenen Katalog.

Andreas Kaufmann, Leica-Aufsichtsratschef, und Hans-Michael Koetzle, Kurator der Ausstellung, mit dem frisch eingetroffenen Katalog.

(Foto: Andrea Beu)

Die Ausstellung in Hamburg läuft noch bis zum 11. Januar 2015 – wer sie dort verpasst hat: sie wandert danach nach Frankfurt am Main, Berlin (ins C/O Berlin, das am 30. Oktober am neuen Standort wieder öffnet), Wien und München.

Zu "Augen auf! 100 Jahre Leica-Fotografie" ist ein prachtvolles Begleitbuch erschienen, das neben den Fotos der Ausstellung noch andere zeigt – es enthält etwa 1200 Abbildungen und 576 Seiten (und wiegt um die 6 Kilogramm). bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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