"Wie aus Handbuch des Raubtiers" R. Kelly soll Minderjährige für Sex rekrutiert haben
18.08.2021, 21:40 Uhr
Bei einer Verurteilung in allen Punkten droht dem Sänger R. Kelly eine Haftstrafe von zehn Jahren bis lebenslang.
(Foto: AP)
Um junge Mädchen, Frauen und Jungen für seine sexuelle Befriedung auszubeuten, konnte der einstige Superstar R. Kelly auf ein "Netzwerk" von Helfern zurückgreifen. Das erklärt die Staatsanwaltschaft zu Beginn des Missbrauchsprozesses gegen den Sänger.
Mit schweren Anschuldigungen der Anklage hat in New York der Missbrauchsprozess gegen den berühmten R&B-Musiker R. Kelly begonnen. Kelly werden vor dem Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn unter anderem die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger, Kidnapping und Bestechung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung in allen Punkten droht dem Sänger eine Haftstrafe von zehn Jahren bis lebenslang, hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Vortag erklärt. Staatsanwältin Maria Cruz Melendez warf dem Sänger des Welthits "I Believe I Can Fly" vor, über Jahrzehnte seinen Ruhm genutzt zu haben, um "junge Mädchen, Jungen und Frauen für seine sexuelle Befriedigung auszubeuten".
Der 54-Jährige habe "jeden Trick aus dem Handbuch des Raubtiers" genutzt, um sich Minderjährigen zu nähern, ihnen und ihren Familien Versprechungen zu machen und seine Opfer dann sexuell zu missbrauchen, sagte die Staatsanwältin vor dem Bundesgericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Er habe sich dabei auf ein "Netzwerk" von Helfern gestützt, die Mädchen für Sex mit ihm rekrutiert und seine Verbrechen vertuscht hätten.
Kelly habe Zugang zu "jungen Fans" gehabt und seine Opfer wie "Objekte" gesammelt. Von ihnen habe er absoluten Gehorsam verlangt, bis hin zur Erlaubnis für Toilettengänge, hieß es weiter. Der Sänger soll Opfer, die sich seinen Wünschen widersetzten, mit "grausamen und erniedrigenden Strafen" gepeinigt und sie unter anderem verprügelt haben. Auch filmte und fotografierte er seine Opfer demnach beim Sex und drohte dann mit einer Veröffentlichung.
Kelly, der im Gerichtssaal einen grauen Anzug und eine lilafarbene Krawatte trug, verfolgte die Ausführungen der Staatsanwältin schweigend und teilweise mit gesenktem Kopf. Fernsehkameras waren im Gerichtssaal nicht zugelassen. Kelly soll laut Anklage jahrzehntelang erwachsene Frauen, genauso wie Minderjährige und mindestens in einem Fall auch einen Jungen für Geschlechtsverkehr rekrutiert haben, fasste die britische BBC die Vorwürfe zusammen.
Laut US-Medien beziehen sich die Vorwürfe konkret auf den Missbrauch von fünf Frauen, drei davon minderjährig. Außerdem soll er versucht haben, 1994 einen Beamten in Illinois zu bestechen, damit dieser falsche Papiere für die Sängerin Aaliyah ausstellt. Sie sollten angeben, dass die damals 15-Jährige bereits 18 Jahre alt ist, damit der zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre alter Sänger sie heiraten konnte. Die Ehe der beiden wurde bald darauf annulliert. Aaliyah starb 2001 bei einem Flugzeugabsturz.
Frauen eingesperrt, um zu isolieren und finanziell abhängig zu machen
Laut der Anklage wurden den Betroffenen auch eine Geschlechtskrankheit Kellys verschwiegen. Wenn Kelly auf Tour war, sollen die Opfer in Hotelzimmern eingesperrt worden sein. Ziel sei gewesen, die Mädchen und jungen Frauen zu isolieren und finanziell abhängig zu machen. Gegen den Sänger und Komponisten waren bereits vor rund 25 Jahren erste Vorwürfe laut geworden. Ein Prozess 2008 endete jedoch mit Freispruch, andere Verfahren wurden außergerichtlich beigelegt.
Verteidigerin Nicole Blank-Becker entgegnete laut Medien, dass Kelly und die Anklägerinnen zunächst "wie eine Familie" zusammengewachsen seien. "Er musste sie nicht rekrutieren, sie waren Fans." Als die Beziehungen sich verschlechterten, seien die Frauen dann wütend geworden und hätten auf Rache gesinnt, habe Blank-Becker erklärt.
Die 2019 veröffentlichte Dokumentationsserie "Surviving R. Kelly" führte dann zu neuen Ermittlungen, zu Kellys Festnahme - und jetzt zu dem Prozess in New York. "Nach zwei Jahrzehnten beginnen die Menschen endlich zu reden, und ich bin dafür demütig dankbar", sagte Jonjelyn Savage, deren Tochter Missbrauchsvorwürfe gegen Kelly erhoben hat, vor dem Gerichtsgebäude.
Der Sänger mit dem bürgerlichen Namen Robert Sylvester Kelly weist alle Vorwürfe zurück und hat auf nicht schuldig plädiert. Der Prozess begann wegen der Corona-Pandemie mit mehr als einem Jahr Verspätung und dürfte rund einen Monat dauern. Das Verfahren soll mehrere Wochen dauern, bis zu 3500 Beweisstücke könnten eingebracht werden. Über Kellys Schicksal entscheidet eine Jury aus zwölf Geschworenen, sieben Männern und fünf Frauen. Kelly droht auch in Chicago ein Prozess.
Quelle: ntv.de, ysc/AFP/dpa