Emotionales Ende einer TV-Ära So war die letzte Ausgabe von "Wetten, dass..?"


Hat noch einmal bewiesen, dass er es immer noch kann: Moderatoren-Legende Thomas Gottschalk
(Foto: picture alliance/dpa)
Cher, Take That und Helene Fischer: Ein Mal noch waren die ganz Großen gekommen, um auf dem berühmten Sofa mit einem zu plaudern, der sein ganzes Leben lang nie etwas anderes wollte, als die Menschen zu unterhalten. Thomas Gottschalk hat noch einmal allen gezeigt, wie gut er das immer noch kann.
"Das reicht, das reicht!", sagt Thomas Gottschalk, sichtlich gerührt von dem tosenden Applaus des Publikums, der gar nicht mehr abebben will. "Setzt euch hin, Mensch, ich muss anfangen!" Ein Mal noch bebt der ganze Saal für einen, der ganze Generationen vor der Glotze zusammenbrachte und der sein ganzes Leben seine ganz eigene Mission hatte, die er schon immer ganz besonders liebte: Menschen zu unterhalten.
Im perfekt sitzenden bordeauxfarbenen Anzug begrüßt Thommy noch vor seinem ersten Gast seinen Wegbegleiter und "Wetten, dass..?"-Erfinder Frank Elstner, ohne den, wie er selbst sagt, sein Leben ganz anders verlaufen wäre. Und natürlich plärrt auch gleich wieder der erste Nörgler ins Netz, als Gottschalk sich verhaspelt und den Schauspieler Matthias Schweighöfer Matthias Schweinsteiger nennt. Wie Schiedsrichter sitzen ein paar Griesgrame vor ihrer Tastatur und warten nur darauf, dass der Mann einen Fehler macht.
Aber Gottschalk gleitet geschmeidig wie Butter durch die Sendung. Es ist sein Abend. Man merkt, dass er längst aufgehört hat, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ihn die TV-Nation am nächsten Tag abstraft, weil er nicht gegendert hat oder einer seiner flotten Sprüche inzwischen "aus der Zeit gefallen" sei. Sich nicht verbiegen, einfach sein Ding durchziehen: Das hat er immer schon so gemacht.
Schweighöfer, Schweinsteiger, Stappenbeck
Und so begrüßt er nicht nur Matthias Schweighöfer, sondern auch den ehemaligen Fußballspieler Bastian Schweinsteiger und dessen Frau, die einst beste Tennisspielerin der Welt, Ana Ivanović. Irgendwann im Verlauf des Abends nehmen auch die Schauspieler Jan Josef Liefers und Stefanie Stappenbeck auf dem berühmten Sofa Platz. Schweighöfer, Schweinsteiger, Stappenbeck: kleine Schnitzer, nicht der Rede wert.
Nun kann man gerne kritisieren, dass die Show in einigen Teilen etwas Langatmiges hat; das aber dem Moderator zuzuschreiben, wäre vollkommen falsch. Denn tatsächlich hat auch dieser Abend wie viele andere etwas Entschleunigendes, fast Nostalgisches, obwohl Thommy wichtig war, zu betonen, "dass das hier keine öffentliche Andacht wird".
Wir sehen Rassegeflügelzüchter Horst dabei zu, wie er seine Hähne am Krähen erkennen kann, und schwelgen in Erinnerungen an die Neunzigerjahre, als Matthias Schweighöfer über seinen neuen Film "Girl You Know It’' True" über das Pop-Duo "Milli Vanilli" spricht, in dem der 42-Jährige den Musikproduzenten Frank Farian mimt.
Ein kurzer Ruck geht durchs Herz, als Take That ihren Kult-Hit "Back for Good" performen, das Publikum zum Lichtermeer wird und man einen Moment überlegt, ob man den Schnauzer von Mark Owen cool oder irgendwie ulkig finden soll. Die Idole von einst sind zum Teil grau geworden. Mein Gott, sind die wirklich schon Ü50?
In 36 Jahren hat Gottschalk so viele Wettkandidaten begrüßt, aber es ist, wie Frank Elstner sagt: Die Menschen werden sich erinnern. An den kleinen Felix auf seinem Skateboard, an den Hund "Amie", dem sein Frauchen beigebracht hat, Zahlen zu erkennen oder aber an die Kandidatin Julia, die Wetten aus mehreren Jahrzehnten an 216 farbigen Strichcodes erkennen kann.
Dazwischen singen Helene Fischer und Shirin David gemeinsam "Atemlos" und Twitter ist der Meinung, der Schlagerstar habe garantiert eine Wette verloren, denn "anders kann man sich dieses Duett nicht erklären". Einen Augenblick kommt es zu einem leicht hitzigen Schlagabtausch, als Gottschalk nicht umhinkommt, erneut seine Abneigung gegen die sozialen Medien und Influencer kundzutun. Aber die Rapperin erklärt ihm gern das Internet und wie das so ist, wenn man beispielsweise einen Pickel hat und darüber "related". Dann würden sich andere, die auch Pickel haben, gleich besser verstanden fühlen.
Hilfe von der Politik und durch die Zeit mit Cher
Irgendeine Influencerin nimmt dann auch Take That mit hinter die Bühne für "Social Media", das mache man heute so, man sei jetzt eben viel "digital unterwegs". Und da ist es auch ganz cool und lässig, wenn eine 21-Jährige die Weltstars, die Musikgeschichte geschrieben haben, "Jungs" nennt.
Immer wieder beweist Thommy, dass Schlagfertigkeit ihm in die Wiege gelegt wurde, etwa, wenn er frei Schnauze sagt: "Wir brauchen Hilfe von der Politik, dass es in Deutschland bergab geht." Oder aber, wenn er bei einem Plausch mit der legendären Cher sagt, sie sei ja auch "schon ein bisschen länger unterwegs".
Am Ende singen Jan Josef Liefers und Stefanie Stappenbeck für Gottschalk "I Got You Babe" von Sonny & Cher und der Zuschauer denkt: Moment, das klingt ja besser als das Duett von Frau Fischer und dieser rappenden "Feministin"!
Nach seiner 154. Sendung sagt Thommy nun dieses Mal wohl wirklich für immer "Servus". Er wolle nicht, dass es ein trauriger Abschied ist und spricht darauf an, wie die Leute in den sozialen Medien über ihn reden: "Dabei war mein körperlicher und geistiger Zustand nie besonders".
Aber bevor wieder der nächste Shitstorm über ihn hinwegfege, "sage ich gar nichts mehr". Er spreche heute zu Hause anders als im Fernsehen. Kurzum: Gottschalk macht lieber Schluss, als sich den Mund verbieten zu lassen.
Am Ende wird er von einem Bagger, auf dem auch sein guter Kumpel Mike Krüger steht, von der Bühne gefahren. Von hoch oben winkt er und verabschiedet sich dankbar von seinem Publikum, das ihn durch die Zeit getragen hat. 36 Jahre, Thommy, 36 Jahre! Das soll dir erstmal einer nachmachen!
Quelle: ntv.de