Kino

300 Meter enttäuschte Liebe "Eiffel in Love" holt "Titanic" nach Paris

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Setzt das Projekt "Eiffelturm" gegen alle Widerstände durch: Gustave Eiffel (Romain Duris).

(Foto: Constantin Filmverleih GmbH)

1886 steht Paris noch ohne Wahrzeichen da. Das soll sich allerdings ändern, als Gustave Eiffel auf seine längst verflossene Jugendliebe trifft. Martin Bourboulon erzählt in "Eiffel in Love" die Geschichte des Eiffelturms, der ohne die On-Off-Beziehung eines jungen Ingenieurs nie entstanden wäre.

Liebe versetzt bekanntlich Berge - erst recht in Filmen. Sie überwindet die konservativen Standesgrenzen der 1950er-Jahre ("The Notebook") und lässt einen kleinen Jungen fast über Nacht zum Schlagzeuger werden ("Actually Love"). Schließlich überlässt Jack seiner geliebten Rose nach dem Untergang der "Titanic" den lebensrettenden Platz auf der Tür im eiskalten Ozean. Auch in Martin Bourboulons neuem Drama "Eiffel in Love" spielt Liebe die treibende Kraft. Sie ist es, die Gustave Eiffel Ende des 19. Jahrhunderts dazu bringt, einen 300 Meter hohen Stahlturm in die Mitte von Paris zu bauen.

Denn das war ursprünglich gar nicht der Plan des jungen Ingenieurs. Der wird 1886 gerade für seine Mitarbeit an der Freiheitsstatue gefeiert und möchte sich nun ganz dem Bau der Metro widmen. Als ihn die französische Regierung bittet, etwas Spektakuläres für die Weltausstellung zu bauen, lehnt Eiffel daher zunächst ab. Das ändert sich jedoch schnell, als er seine Jugendliebe Adrienne Bourgès wiedertrifft. Seine verflossene Liebe ist mittlerweile verheiratet. Trotzdem keimt die Leidenschaft zwischen Gustave und Adrienne wieder auf - und inspiriert ihn schließlich doch zum Entwurf des Eiffelturms.

Über Rückblenden erzählt Bourboulon die frühere Liebesgeschichte des jungen Ingenieurs und des Mädchens aus reichem Hause, was für einen gelungenen Spannungsbogen sorgt. Dem Zuschauer drängt sich gleich zu Beginn die Frage auf, warum es nie zur damals geplanten Hochzeit kam. Beantwortet wird dies jedoch erst zum Schluss. Emma Mackey (Adrienne Bourgès) und Romain Duris (Gustave Eiffel) nimmt man die Sehnsucht nacheinander durchweg ab. Während es Mackey alleine mit Blicken schafft, ein Knistern zu vermitteln, verkörpert Duris den Tatendrang eines jungen Ingenieurs mit großen Plänen auf charmante Weise.

Ein bisschen Jack und Rose

Dem Zuschauer wird es so leicht gemacht, Gustave als modernen Helden zu akzeptieren: Der gutaussehende Ingenieur ist witzig, setzt sich für die Sicherheit seiner Bauarbeiter ein und lehnt die Klassengesellschaft ab. So besteht er darauf, dass der Eiffelturm von allen gleichermaßen zu sehen ist und "keine Gesellschaftsunterschiede" macht. Seine Sympathie entschuldigt auch den Anflug von Größenwahn, den wahrscheinlich jeder Held mitbringt. So erinnert Gustaves zunächst naiv klingende Ambition, mit dem Eiffelturm "Touristen aus aller Welt nach Paris" zu bringen, ein wenig an Jack auf der "Titanic": "Ich bin der König der Welt."

Zwischen Adrienne und Gustave lodert das Feuer wieder auf.

Zwischen Adrienne und Gustave lodert das Feuer wieder auf.

(Foto: Constantin Filmverleih GmbH)

Überhaupt gibt es starke Ähnlichkeiten mit James Camerons Welterfolg: Ein historisches Ereignis wird weitestgehend real nacherzählt und mit einer fiktiven Liebesbeziehung verknüpft. Der Vergleich klingt hochgegriffen, wird jedoch von Bourboulon selbst ins Spiel gebracht. "Großes Kino entsteht eben erst dann, wenn man auch große leidenschaftliche Geschichten erzählt - übrigens, Jack und Rose auf der 'Titanic', die haben ja auch nie existiert", sagte der Regisseur im Deutschlandfunk.

Allerdings liegt da auch die Schwäche von "Eiffel in Love". Während Jack, Rose und das Schiff eine gemeinsame Geschichte verbindet - sie sind immerhin zusammen untergegangen -, wirkt die Verbindung des Liebesdramas zwischen Adrienne und Gustave und dem Bau des Eiffelturms an vielen Stellen erzwungen. Bourboulon nutzt die wiederaufflammende Liebe zwar als Gustaves Antrieb für das Projekt, ansonsten hat die junge, verheiratete Adrienne aber nichts mit dem Turm zu tun. Lediglich am Ende stellt sie ihr gehörnter Ehemann vor die Wahl: Entweder sie bleibt bei ihm oder er nutzt seinen Einfluss, um Eiffels Herzensprojekt zunichtezumachen.

Das Bauwerk ist der eigentliche Star

Die Geschichte um die Entstehung des Eiffelturms ist somit neben dem frühen und späten Liebesdrama die dritte Handlung des Films - und die eindrucksvollste. Bourboulon schafft es, die Dramatik der Planung und des Baus eines Turms, der zu jener Zeit alles andere überschattet, rüberzubringen. Dafür sorgen zum einen die Kulissen, die dem Zuschauer die düsteren, dreckigen Gassen eines Paris, das erst am Anfang des industriellen Zeitalters steht, genauso greifbar machen wie die pompösen Wohnungseinrichtungen der Reichen.

Alles begann mit einem Modell.

Alles begann mit einem Modell.

(Foto: Constantin Filmverleih GmbH)

Vor allem die Bilder der Entstehung des gigantischen Stahlkonstrukts brennen sich in die Erinnerung. Dass der "halbe" Eiffelturm so real wirkt, liegt daran, dass er teilweise aus einem echten Nachbau und teilweise aus Spezialeffekten besteht, wie der Regisseur im Interview mit dem Deutschlandfunk verriet.

Zudem mutet Bourboulon dem Zuschauer genau die richtige Menge an Details über Hydraulik, Fundamente und Technik zu, um zu verstehen, dass Eiffel mit dem Turm inmitten der Hauptstadt Grenzen des bis dahin Möglichen überwinden musste. Der Einfallsreichtum und die Ingenieursleistung beim Bau des Eiffelturms sind die Kernbotschaften von "Eiffel in Love" - wenn man die parallel laufende Liebesgeschichte außer Acht lässt.

"Wir kommen Gott halt näher"

So innovativ die Baupläne für das 300 Meter hohe Bauwerk damals waren, so gefährlich gestaltete sich auch seine Umsetzung - auch das kommt im Film nicht zu kurz. So hängt ein Arbeiter Gustaves in schwindelerregender Höhe völlig ungesichert im Gerüst, als er versucht, zwei Teile des Eiffelturms miteinander zu verbinden. Von Momenten zum Mitfiebern wie diesem hätte "Eiffel in Love" jedoch durchaus mehr vertragen können.

Die dunklen Gassen in Paris Ende des 19. Jahrhunderts.

Die dunklen Gassen in Paris Ende des 19. Jahrhunderts.

(Foto: Constantin Filmverleih GmbH)

Denn alle Probleme, die beim Bau des Eiffelturms auftreten, handelt Bourboulon in gerade einmal einer Szene ab: Als der Turm droht, im weichen Boden abzusacken, kostet es Gustave keine zwei Handumdrehungen und die Situation ist wieder unter Kontrolle. So ist es für den Zuschauer fast irritierend, dass die Geldgeber kurzfristig abspringen, da der weitere Bau "zu gefährlich" sei. Auch das ist allerdings kein Problem - dann zahlt Gustave es eben selbst.

Ein Arbeiterstreik könnte das Projekt lahmlegen. Allerdings kann eine kurze pathetische Ansprache Gustaves alle Zweifel aus dem Weg räumen. Nun fühlt sich der Vatikan durch den Bau des riesigen Turms "gedemütigt". Das lächelt der Ingenieur einfach weg: "Wir kommen Gott halt näher." Schließlich regt sich Widerstand aus der Bevölkerung gegen den Bau des Turms. Das wiederum sitzt Gustave einfach aus.

Gustave und Adrienne verliebten sich bereits, als die junge Frau noch bei ihren Eltern wohnte.

Gustave und Adrienne verliebten sich bereits, als die junge Frau noch bei ihren Eltern wohnte.

(Foto: Constantin Filmverleih GmbH)

Bevor der Zuschauer also verstanden hat, dass der Bau des Eiffelturms durch Widerstände aus der Gesellschaft oder das Abdrehen des Geldhahns ernsthaft gefährdet sein könnte, gibt es die Probleme schon gar nicht mehr. Ein wenig mehr Ausdauer hätte sich gelohnt und der Spannung dieser Handlung gutgetan.

"Eiffel in Love" hat ein paar Schwächen, überzeugt jedoch durch großartige Bilder, eine tolle Besetzung und die interessante Geschichte über das damals höchste Bauwerk der Welt. Bourboulon hat damit ein sehenswertes Drama im Stil von "Titanic" geschaffen. An die Liebesgeschichte von Jack und Rose kommt die rund 100-minütige Romanze zwischen Gustave und Adrienne allerdings nicht heran.

"Eiffel in Love" läuft ab dem 18. November im Kino

Quelle: ntv.de

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