Kino

Hausfrau im Porno-Gästezimmer Gleißendes Glück für alle

Martina Gedeck und Ulrich Tukur sehen in der Wirklichkeit um einiges attraktiver aus als im Film. Zum Glück.

Martina Gedeck und Ulrich Tukur sehen in der Wirklichkeit um einiges attraktiver aus als im Film. Zum Glück.

(Foto: imago/Future Image)

Martina Gedeck strippt und Ulrich Tukur muss im Bad verschwinden. Kann das gut gehen? Es kann. Beide sind großartige Schauspieler, die zeigen, dass Sex und Trieb bei den Biedermanns von nebenan nicht nur Blümchensex bedeutet.

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Wer sagt eigentlich, dass eine biedere Mutti nicht davon träumen darf, ein paar Klapse auf den Popo zu bekommen? Und dass ein leicht verschroben wirkender Autor und Forscher es nicht dreckig und hart braucht? Wer sagt das? Nach diesem Film wahrscheinlich keiner mehr, denn hier müsste dem Zuschauer langsam klar werden, dass sowohl das Grauen als auch die Lust hinter der nächsten Tür auf unserer Etage im Altbau-Eigenheim lauert.

Helene Brindel (Martina Gedeck) ist schlaflos. Jeden Morgen steht sie in aller Herrgottsfrühe - oder auch zu nachtschlafender Zeit - auf und macht ihrem Mann das Frühstück. Dann setzt sie sich vor den Fernseher, wo sie regelmäßig einschläft. Ihr Mann nimmt jeden Morgen das eingetupperte Frühstück und schleicht sich aus seinem Vorort davon. Helene wird irgendwann wach und schleppt sich durch den Tag. Sie hat keine Freunde, keinen Job, keine Kinder, keine Lust. Auf gar nichts. Ihr Gesichtsausdruck ist fade, ihr Teint teigig, ihre Frisur - welche Frisur? Auf Kleidung scheint sie auch nicht zu stehen, denn wie sonst ließe sich der biedere Look erklären? Arm sind sie nicht, die Brindels, der Gatte (Johannes Krisch) geht ja täglich schuften, und so wirkt er denn des Abends auch: ausgelaugt, genervt. Ebenfalls lustlos. Wenn Sex, dann auf die lieblose Tour. Er macht, sie erträgt.

Die Vorstadt-Hölle ...

Die Vorstadt-Hölle ...

Helene wird eines Tages, als selbst ihr geliebter Gott sie verlassen zu haben scheint, im Radio auf den Ratgeberautoren Eduard E. Gluck (Ulrich Tukur) aufmerksam, der Helene mit seiner kurzweiligen Theorie über das Glück fasziniert. Am nächsten Tag liest sie sein Buch, schreibt ihm einen Brief und besucht ihn schließlich bei einem seiner Vorträge. Dem ersten Treffen folgt ein Abendessen und schnell fühlen sich die zwei sehr unterschiedlichen Menschen zueinander hingezogen. Doch hinter seiner humorigen Fassade kämpft Gluck mit seinen eigenen Dämonen - und die Begegnung mit Helene, die er vorerst in seinem Gästezimmer voller Pornos unterbringt, macht ihm das auf drastische Weise bewusst. Trotzdem keimt Hoffnung auf, denn ganz entfernt erblicken beide unverhofft den Schimmer eines gleißenden Glücks.

Härtere Gangart

"Eines der hervorstechendsten Merkmale dieses Buchs ist, dass es mit nichts vergleichbar ist", schrieb der "New Yorker" über den Roman "Gleißendes Glück" von A.L. Kennedy. Für die Kinoleinwand erzählt jetzt Regisseur Sven Taddicken ("Emmas Glück", "Mein Bruder der Vampir") die Geschichte zweier Seelen, die sich verloren haben und auf dem Weg in ein besseres Leben ihre Welt aus den Angeln heben müssen. Zwei tatsächlich einzigartige, herausragende Schauspieler haben die Hauptrollen in dieser Verfilmung übernommen - ohne sich dabei zu übernehmen: Martina Gedeck, die uns vor allem aus "Das Leben der Anderen", "Die Wand" und "Nachtzug nach Lissabon" in Erinnerung ist, zuletzt in "Das Tagebuch der Anne Frank" und "Terror - Ihr Urteil" zu sehen, und Ulrich Tukur, ebenfalls in "Das Leben der Anderen" zu sehen und in "Exit Marrakesch". Beide stehen sich zum ersten Mal in zwei Kinohauptrollen gegenüber - und beide spielen diese auf den ersten Blick unspektakulären Personen, die ihre Vorliebe für Sex härterer Gangart entdecken, so spektakulär glaubwürdig, dass einem an mancher Stelle der Atem stockt. Werden die beiden ein Happy-End erleben?

Präzise beobachtet, präzise geschrieben, präzise gespielt: Ein Glücksfall für das deutsche Kino.

"Gleißendes Glück" von Sven Taddicken läuft seit dem 20. Oktober in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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