"Alle Farben des Lebens" Oma hätt's lieber lesbisch
07.12.2016, 18:09 Uhr
Ray will endlich mit der Geschlechtsangleichung beginnen. Mutter und Großmutter sind noch nicht ganz so überzeugt.
(Foto: Tobis)
Ray ist im falschen Körper geboren. Man hat ihn Ramona genannt und in Kleider gesteckt - bis er seinen Liebsten verklickern konnte, dass sie es mit einem Jungen zu tun haben. Der Film "Alle Farben des Lebens" erzählt von deren Ängsten.
Ray wusste schon als kleines Kind, dass er ein Junge ist. Nur den anderen musste er das noch beibringen. Sein Lieblingsimbiss war der, in dem man ihn mit "kleiner Mann" ansprach. Nun, im Teenageralter will er, dass sein Körper endlich wirklich zu ihm passt. "Junge Männer haben es nicht leicht mit der Periode", scherzt sein Arzt und spricht damit eine Wahrheit aus, die für Ray nicht ernster sein könnte.
Der Film "Alle Farben des Lebens" erzählt von einer Drei-Generationenfamilie. Susan Sarandon spielt die lesbische Oma, Naomi Watts die alleinerziehende Mutter und Newcomerin der Stunde Elle Fanning spielt den Transjungen Ray, der bislang nur mit etwas Krafttraining und abgebundenen Brüsten an der Geschlechtsangleichung arbeiten kann. Er ist 16 Jahre alt. Für medizinische Schritte bedarf es der Zustimmung beider Eltern. Rays Vater allerdings hat schon lange keinen Kontakt mehr mit der Familie - man kann sich ja vorstellen, wie kompliziert das alles wird.
Wer wird ihn lieben?
"Jeder geht davon aus, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem, der ich bin und der, für die ihr mich gehalten habt, als ich geboren wurde", sagt Ray. Tatsächlich erzählt Gaby Dellals Film weniger von seinen Konflikten - er weiß, wer er ist, wer er sein will und wie er das erreichen kann. "Alle Farben des Lebens" wirft vor allem Licht auf die Sorgen von Rays Familie.
Bin ich schuld, fragt sich der Vater. Wer wird ihn lieben können, fragt sich die Mutter. "Was, wenn er sich eines Tages mit einem Vollbart im Gesicht umdreht und sagt: 'Mama, ich habe einen Fehler gemacht'?"
Es wäre töricht zu behaupten, auch nur die gefühlte Toleranz gegenüber Transmenschen sei bereits fest in unserer Gesellschaft verankert. "Alle Farben des Lebens" illustriert, wie selbst diejenigen, die sich als weltoffen und liebend begreifen, an ihrem eigenen Horizont zu zerbrechen drohen. Einzig, ob das von der Regisseurin Dellal auch so beabsichtigt war, wird nicht ganz klar. Sie war im Vorfeld dafür kritisiert worden, mit dem Pronomen "sie" auf Ray zu verweisen.
Es muss sich was ändern
Niemand sucht sich sein Geschlecht aus. Da hilft es auch nichts, dass die Großmutter Ray vehement die lesbische Liebe ans Herz legt. Sie markiert eine Toleranzschwelle, die sich auch abseits der Kinoleinwand ausmachen lässt. Dass man sich nicht aussucht, ob man auf Männer, Frauen, beides oder nichts davon steht, hat sich unter aufgeklärten Großstädtern mittlerweile durchgesetzt. Dass man ebenfalls kein Mitspracherecht hat, wenn es darum geht, sich einem oder eben keinem biologischen Geschlecht zuzuordnen - da hakt es mit der Akzeptanz.
In "Alle Farben des Lebens" ist die Jugend den Erwachsenen voraus. Der Film zeigt echte Konflikte, echte Ängste und in seinen besten Momenten echt unangenehme Wahrheiten. "Ich habe keinen beschissenen Tag. Ich habe ein beschissenes Leben", sagt Ray. Das muss sich ändern.
"Alle Farben des Lebens" läuft ab dem 8. Dezember in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de